NDR Elbphilharmonie Orchester: Von Lyon ins spanische Baskenland
Das NDR Elbphilharmonie Orchester ist auf Europa-Tournee durch Deutschland, Frankreich und Spanien. NDR Kultur Moderator Philipp Schmid bloggt von der Tournee. Tag 3: Von Lyon ins spanische Baskenland - über Biarritz reist das NDR Elbphilharmonie Orchester nach San Sebastián.
Heute ohne Konzert, dafür mit Aussicht auf einen freien Abend, ein gemeinsames Essen, eine entspannte Runde. Aber auch so ein Reisetag kostet Kraft.
Zusammenbleiben, mitgehen, aufpassen - eine Reisegruppenmeditation.
Kantapper kantapper. Diszipliniert rollt eine Sinfonie der Koffer durch die Straßen.
Für Bruckner gilt: 16-14-12-10-8 (Besetzung der Streicher)
Für Reise gilt: 8-4-2 (Anzahl der Rollen am Koffer).
Musiker rollen ihren Koffer nicht harmonischer als andere Menschen.
Die Sinfonie der Koffer rollt zum Bus.
Büchertipps, Eindrücke, hier war ein schöner Markt heute früh.
Die Sinfonie der Koffer rollt zum Check-in.
"Wie spielst Du die Stelle: 'padahm, pa pa damm' oder 'padamm, pa pa dahm'?"
Die Sinfonie der Koffer rollt über einen Zebrastreifen.
Kann man anhand des Koffers erkennen, welches Instrument jemand spielt?
Ich weiß es ja, versuche aber, nur auf die Koffer zu sehen und zu raten.
Sieht so ein Oboistenkoffer aus? Ist das ein Bratscherkoffer? Was ist das Flötige an diesem hier?
Halt, Sinfonie der Koffer - bleib' stehen! (Hier ging's links ab)
Vermutlich würden die Instrumentenkoffer mehr aussagen. Vor allem das Innenleben verrät meist viel über die Spielerin, beschreibt den Spieler in mitgeführten Gegenständen, Talismännern und Andenken.
Wo sind eigentlich jetzt im Moment die Instrumente und die Konzertkleidung?
Gute Gelegenheit, den Orchesterinspizient zu fragen, Benedikt Burkard.
Benedikt Burkard - Meister der Organisation fürs "Drumrum"
Zusammen mit seinem Team ist er der Meister der Organisation für das "Drumrum". Alles bereit, bevor die erste Musikerin in den Saal kommt, bevor der erste Musik durch den Künstlereingang geht. Alles schon da, ein bisschen wie bei Hase und Igel. Nur dass es die Instrumente eben nur einmal gibt, und kein Musiker der Welt würde sein kostbares Arbeitsgerät (von vielen bewusst mit Partnerin oder Partner verglichen) in Hände geben, die es am Ende gegen ein ähnliches austauschen (von einem Igel ganz zu schweigen). Die Instrumente, die Konzertkleidung und alles, was ein Musiker so braucht, aber eben nur rund um die Bühne und sonst nicht, das steckt in großen Kisten, Cases, ausgerüstet wie Instrumenten-Eigenheime. Praktisch, aber schwer, viel zu schwer, um sie rollend über Straßen, Plätze, Zebrastreifen und Check-Ins mitzuführen
"Unsere Stamm-Trucker bringen mit zwei LKW das ganze Equipment, die Cases und was sonst noch dazugehört, von einem Standort zum nächsten", sagt Burkard, "und wir haben das Glück, dass die so routiniert sind, dass sie eine Art 'Case-Tetris' beherrschen, also ein kluges, immer gleiches System haben, was die Reihenfolge beim Einladen angeht, sodass alles bündig abschließt und nichts vergessen werden kann".
"Case-Tetris" der Instrumentenkoffer Hamburg-Paris-Lyon-Sebastián
Zwei Zweierteams wechseln sich beim Fahren ab - und so sind an den ersten Tagen der Tour schon ganz schön viele Kilometer zusammengekommen: Hamburg - Paris - Lyon - San Sebastián. Dabei muss sich das Team der Orchesterwarte immer auf neue Herausforderungen einstellen - labyrinthartige Gänge hinter der Bühne zum Beispiel.
Dann wird für die Musikerinnen und Musiker alles gut beschildert, damit jeder an sein Instrument kommt und die Wege so kurz wie möglich sind. Mir kommt das ein wenig wie Tischdecken vor, Teller und Besteck und die Gläser und die Pfeffermühle, alles vorbereitet, man braucht nur noch zuzugreifen und kann sich aufs Essen konzentrieren. Nur dass die Instrumente eine großen Sinfonieorchesters nicht ganz so handlich sind wie eine Pfeffermühle.
Besondere Zugabe mit baskischem Volkslied Agur Jaunak
Für das Konzert morgen hat das Orchester eine besondere Zugabe vorbereitet: Agur Jaunak, ein baskisches Volkslied. Jedes Kind kennt es hier, und es wird unter großer Anteilnahme und mit viel Pathos jedes mal gesungen, wenn jemand begrüßt oder verabschiedet wird. Als Gastgeschenk, Willkommensgruß und Ehrerbietung. Vor einigen Jahren hat das NDR Elbphilharmonie Orchester schon einmal hier gespielt, damals war das eine große Überraschung, das Publikum war spontan aufgestanden und hatte mitgesungen.
Jetzt hat Simone Candotto, Soloposaunist und Komponist, sein Arrangement der "heimlichen Hymne" überarbeitet. Passend zur Bruckner-Sinfonie, in Tonart und musikalischen Motiven. "Das Publikum wird das sofort erkennen. Letztes Mal sind alle aufgestanden, viele haben mitgesungen - ich hatte Schwierigkeiten, meine Stimme zu spielen, das war sehr emotional", erinnert er sich.
Eine Überraschung habe er auch ins Arrangement eingebaut, die will er aber noch nicht verraten. Und ich sehe es ihm an - er hat ein gutes Gespür für Effekt und Wirkung: Nur Rührung, nur Melancholie ist eindimensional; wenn eine Prise Humor dazukommt, ein Lächeln zwischen den Tränen der Rührung - dann ist es genau das freundliche Augenzwinkern, eine musikalische Umarmung, ein Dankeschön an die Menschen, die uns freundlich aufnehmen.
Ich freue mich. Auf die Musik, auf Begegnungen, auf Austausch, auch wenn man nicht dieselbe Sprache spricht. Auf morgen.
