Möllner Goldkehlen: Chor für Menschen mit und ohne Demenz
Gemeinsam singen schafft nicht nur neue Begegnungen, sondern bereichert den Alltag. Bei den Möllner Goldkehlen singen sowohl Menschen mit als auch ohne Demenzerkrankung.
Hans-Jürgen Pein aus Mölln ist dement. 2013 ist er erkrankt, seine Frau Angelika hat es ihm das erste Mal im Urlaub angemerkt. "Wir standen am Strand, an der Nordsee in Holland. Ich wollte gerne etwas unternehmen und er steht da und fragt: 'Was wollen wir hier eigentlich?' Sonst war er aufgeschlossen gegenüber fremden Gegenden und das ließ völlig nach, er hatte kein Interesse mehr an Erkundungen."
Flucht aus dem Alltag
Als sie von den Möllner Goldkehlen gehört hat - einem Chor für Menschen mit und ohne Demenz - war Angelika Pein sofort begeistert. Seit einem Monat gehen sie und ihr Mann Hans-Jürgen jeden Donnerstag zu den Chorproben, ein Highlight. "Er singt gerne, hat früher auch immer viel Musik gemacht", erzählt Angelika. Das sei für ihn auch ein Erinnern an schöne Zeiten. "Er liebt auch die Geselligkeit. Anfangs war er ein bisschen gehemmt, aber er geht jetzt voll in der Gruppe auf und redet mit allen. Die verstehen ihn zwar nicht, aber er hat das Gefühl, mittendrin zu sein."
Hans-Jürgen Pein hat eine schwere Demenz, das heißt, ihm fällt unter anderem das Sprechen schwer. Auch wenn er die Lieder nicht richtig mitsingen kann, summt er, oder klopft mit den Händen im Takt auf seine Oberschenkel. Für seine Frau Angelika ist der Chor eine Flucht aus dem Alltag: "Es entlastet mich und gibt mir ein gutes Gewissen, dass ich ihm was bieten kann, was ihn besser stimmt, was ihn einfach fröhlicher macht. Er ist sonst oft sehr miesepetrig. Er merkt ja seine Defizite und ich denke schon, dass er oft darüber in Missstimmigkeit gerät."
Chormitglieder unterstützen sich gegenseitig
Die Möllner Goldkehlen ist ein neues Angebot der Koordinierungsstelle Demenz in Kooperation mit der Kreismusikschule Herzogtum Lauenburg. Im Vordergrund steht die Freude am Singen und das strahlen die Chormitglieder aus. Egal, ob an Demenz erkrankt oder nicht, es ist eine tolle Gemeinschaft, findet Chorleiterin Andrea Battige: "Die Chormitglieder unterstützen sich gegenseitig, alle profitieren davon. Man sieht, dass auch die Angehörigen viel Freude daran haben."
Eine Frau, die mit ihrem Mann da ist, hat ihr gesagt, dass der Chor für sie der Höhepunkt der Woche sei, weil das etwas sei, was sie zusammen mit ihrem Mann machen könne und was beiden sehr viel Spaß mache. "Das finde ich selber auch sehr beglückend, dass man da auch den Menschen so viel Freude bringen kann", meint Andrea Battige. Dieser besondere Chor wird im Rahmen der "Lokalen Allianzen für Menschen mit Demenz" vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.
Musik kann helfen, sich zu erinnern
Der Chor findet immer mehr Anklang und neue Mitglieder, die sichtlich Spaß am Singen haben, so auch der 60-jährige Stephan Fokuhl aus Ratzeburg. Vor vier Jahren hat er die Diagnose Demenz bekommen. Das Singen hilft ihm, sich an Sachen zu erinnern: "Es sind oft Gefühle, die wiederkommen. Ich sehe dann manchmal Orte, an denen ich war, das ist ganz spannend. Wenn ich den Text wieder habe, bin ich sofort wieder in dem Gefühl und denke dann auch wieder an andere Sachen, die ich sonst gar nicht mehr auf dem Schirm hatte. Das ist ganz toll", findet er.
Egal ob Kinderlieder oder Kanon - Angelika Pein ist froh, dass es den Chor gibt und sie zusammen mit ihrem Mann etwas unternehmen kann. "Man kommt hier rein und fühlt sich einfach wohl und akzeptiert", schwärmt sie.