Chor der Obdachlosen: Freude an der Gemeinschaft
Seit vier Jahren gibt es in Hannover das ChorWerk, einen Chor für Obdachlose. Einmal pro Woche wird geprobt. Anfahrt und Frühstück werden gestellt. Ein Ortsbesuch.
Probe in der Gartenkirche St. Marien in der Innenstadt Hannovers. In einem überschaubaren Raum hat sich Chorleiter Rudolf Neumann vom ChorWerk Hannover hinter seinem Keyboard aufgestellt und beginnt erstmal mit Lockerungsübungen. Elf Chormitglieder folgen den Anweisungen, überwiegend Männer. Viele von ihnen sind schon etwas älter.
Mit ihnen arbeitet Rudolf Neumann genauso wie mit anderen Chören: "Es gibt Chorleiter, die sind sehr strikt in ihrem musikalischen Ideen und Vorgaben. Die hätten dann vielleicht mehr Probleme. Man sollte eher Freude an Menschen und an Musik haben."
Zuversicht für Obdachlose durch Chorarbeit
Es sind keine komplexen, mehrstimmigen Sätze, die hier geprobt werden. Was zählt sind die Freude am Singen und an der Gemeinschaft. Konzentriert wiegen sich manche Sänger im Takt. Sie folgen eifrig dem Text.
Menschen in schwieriger sozialer Lage eine Stimme zu geben, Obdachlosen Zuversicht, das waren 2018 die Ideen bei der Chorgründung, sagt Willi Schönamsgruber, der das Projekt als Sozialarbeiter und Diakon im Ruhestand begleitet: "Jeder kann in die Situation kommen, dass er aus der Bahn geworfen wird. Gleichzeitig, denke ich, ist es wichtig, dass man diese Menschen sieht und unterstützt und nicht dran vorbei geht. Das ist auch für mich als Diakon mein christlicher Auftrag."
Zuhören, mitsingen, wieder andocken
"Der Krieg ist vorbei, wenn du es willst“, sangen einst John Lennon und Yoko Ono. Bernd intoniert den Text mit großem Spaß. Einen Teil seines Lebens hat der 69-Jährige auf der Straße verbracht. Jetzt wohnt er in einer betreuten WG. Die Chorprobe ist für ihn eine willkommene Abwechslung: "Ich will auch aus dieser Unterkunft ab und zu mal raus und auch alte Kontakte wieder aktivieren - oder mal ganz raus für einen Tag und was für mich machen. Man will ja auch mit anderen Leuten etwas zu tun haben, die nicht aus der Szene sind. Man will ja auch wieder irgendwo ankommen."
Dieses Konzept geht auf, denn zum Chor stoßen inzwischen auch neue Mitglieder, die nicht obdachlos sind. Reni Bornemann etwa, früher Boden-Stewardess, wurde zusammen mit ihrer Freundin Sabine auf den Chor aufmerksam: "Wir waren gleich so angetan, so berührt, weil es völlig wurscht war, ob wir singen können oder nicht. Hier sind viele Leute, die gar nicht so richtig im Chor singen können, wie man sich das vorstellt. Ich kann das auch nicht. Man kann also etwas machen, obwohl man es nicht so gut kann." Zuhören, mitsingen, wieder andocken - am Ende stimmt Willi Schönamsgruber das bekannte Weihnachtslied "Happy X-Mas" an - versehen mit dem Wunsch nach Frieden.
