"Swing high" von Cornelia Franz: Swingende Rebellen
In der Nazi-Zeit gab es eine widerständische Jugendbewegung, die sich dem Swing hingab: Die Swing-Kids eckten an und wurden verfolgt. Jetzt ist ein Jugendbuch über sie erschienen: "Swing High" von Cornelia Franz.
"Wir nähern uns dem ehemaligen Gestapo-Hauptquartier in der Innenstadt an der Stadthausbrücke. Hier wurden die Gefangenen hingebracht und gefoltert, um irgendwelche Aussagen zu erzwingen." Cornelia Franz schiebt ihr Fahrrad zum Stadthaus. Hier spielt ein wichtiger Teil ihres neuen Romans "Swing High".
Gestatten? Winkler, Swingheini. / Swingheini? Aber sonst hast du keine Probleme? / Doch, wenn du schon fragst: Es stinkt hier wie Hölle. Leseprobe
...beschwert sich Henri, als er sich Robby in der absoluten Schwärze einer Gestapo-Zelle vorstellt. März 1941. Henry Winkler, der Swingheini, knapp 18 Jahre alt - und Robby, ein Kommunist: Der eine will leben, tanzen, lieben, Platten hören. Für den politischen Robby ist er ein Weichei, kein wirklicher Widerständler.
Ich verstehe nur nicht, wie man für so was Kopf und Kragen riskiert. Es gibt doch wichtigeres als Tanzen in dieser beschissenen Welt. Leseprobe
"Das wird auch so interpretiert, dass es nur eine Jugendbewegung von Leuten war, die Spaß haben wollten, die aber dadurch politisiert wurden, dass sie verfolgt wurden", erzählt die Autorin. "Sie konnten sich dem gar nicht entziehen. Und das spitzt sich natürlich zusammen."
"Swing High": Überstürztes Ferienende mit Swing-Musik
Die Szenen im Gestapo-Keller wechseln sich ab mit Rückblenden in die Jahre 1939 und 1940. Henri muss vor Kriegsbeginn Hals über Kopf aus den Ferien in England zurück nach Hamburg. Im Koffer hat er die heißesten neuen Swing-Platten von Louis Armstrong und den Mills Brothers.
"Lasst die Witze und guckt euch das mal an", sagte er. Stolz zog er die Platte aus der Hülle. Mit nur den Fingerspitzen hielt er die schwarz glänzende Scheibe in die Luft. Das Etikett mit dem goldenen Brunswick-Schriftzug schimmerte in der Abendsonne. Leseprobe
Die Freunde Henri, Konny, Hanna, Edu und Fritz treffen sich im Kaifu, dem Freibad am Kaiser-Friedrich-Ufer. Swing ist ihre Passion. Noch scheint der Krieg weit, aber schon schleicht er sich in den Alltag wie Gift. Cornelia Franz zeigt diesen langsamen Einbruch in die Normalität, die auch unsere sein könnte: "Das ist etwas, was mich fasziniert", sagt Cornelia Franz. "Egal, was passiert: Kinder wollen spielen, Jugendliche wollen sich verlieben, wollen ihren Spaß haben und Eltern müssen Verantwortung übernehmen. Diese Normalität, die sich durch unser Leben zieht, bricht nicht einfach weg, nur weil man auf einmal in einer Diktatur lebt oder weil der Krieg ausbricht."
Verbotene Partys mit der Musik des Feindes
Die Swing-Kids - in Hamburg gab es rund 200 - feierten noch mitten im Krieg verbotene Partys zur Musik des Feindes. Dieser Roman berührt, weil er glaubhaft ihre Perspektive einnimmt und ohne Kitsch von ihrer Leidenschaft erzählt: Beim Lesen geht man mit zum Tanzen, während die Fenster abgedunkelt sind. Erlebt, wie Schlägertrupps der Nazis die Jugendlichen schikanieren. Wie die Gefahr wächst, besonders für die jüdischen Mitglieder der Clique. Wie Hanna kurz vor ihrer Flucht Henri ein Paket Platten vorbeibringt
"Tschüss, Henri", sie hielt inne, als wollte sie noch etwas sagen. Dann gab sie ihm einen Kuss auf die Wange und drückte ihn kurz an sich. "Ich hab dich schrecklich gern." Im nächsten Moment öffnete sie die Tür, war zur Wohnung hinaus und rannte die Treppen hinunter. Henri schaute ihr nach, bis ihr blonder Lockenkopf nicht mehr zu sehen war. Leseprobe
Cornelia Franz: "Das Lebenwollen ist eine ganz starke Kraft"
Cornelia Franz hat für ihr Buch genau recherchiert. Es ist dieser feine Grad zwischen Mut und Übermut, der sie interessiert: "Dieses Jungsein und Lebenwollen und sich das unter den widrigsten Umständen nicht kaputtmachen zu lassen: Das ist eine ganz starke Kraft, die nicht verloren gehen sollte - egal, was gerade passiert."
Am Ende bittet Robby Henri in der Schwärze des Gestapo-Kellers, ihm irgendwann nach dem Krieg das Tanzen, den "Lambeth Walk" beizubringen.
Ein kommunistischer Swingheini? / Klar, das wirds geben. Alles wird es geben. Leseprobe
Swing High. Tanzen gegen den Sturm
- Seitenzahl:
- 224 Seiten
- Genre:
- Jugendbuch
- Zusatzinfo:
- ab 14 Jahren
- Verlag:
- Gerstenberg Verlag
- Veröffentlichungsdatum:
- 31. Januar 2022
- Bestellnummer:
- 978-3-8369-6105-9
