Cover des Buchs "Hechte" von Andreas Möller © Matthes & Seitz Berlin
Cover des Buchs "Hechte" von Andreas Möller © Matthes & Seitz Berlin
Cover des Buchs "Hechte" von Andreas Möller © Matthes & Seitz Berlin
AUDIO: "Hechte": Porträt über einen besonderen Fisch (4 Min)

"Hechte": Porträt eines besonderen Fisches

Stand: 22.10.2022 06:00 Uhr

Der Hecht wird in unserer Kulturgeschichte als "gefürchteter Räuber" stigmatisiert. An ihm lässt sich auch mancher Widerspruch in der aktuellen Debatte um Ökologie und Umweltschutz aufdecken, wie Andreas Möller zeigt. Er hat ein lesenswertes Porträt des Hechtes herausgebracht.

von Karin Erichsen

Das kleine grüne, edel gebundene Buch auf dessen Einband ein schlanker Hecht geprägt ist, sieht auf den ersten Blick aus wie eine naturwissenschaftliche Abhandlung aus den 50er-Jahren. Wer aber die Reihe "Naturkunden" des Berliner Matthes & Seitz Verlages kennt, dessen 80. Ausgabe dieser Band ist, der weiß: Es steckt mehr darin. Und das verrät schon ein Blick auf den Klappentext: "Der Hecht ist kein Fisch des Dolce Vita und Savoir-Vivre. Er erinnert in seiner ganzen Gestalt eher an Kreuzritterzüge, an Nebelschwaden, Rabenvögel und die letzten Rauchsäulen vom Lagerfeuer Fürst Borwins im Morgengrauen an der Warnow. Dabei ist er viel, viel älter. "

Den Autor des Buches, Andreas Möller, treffe ich am Cambser See. Er ist auf der Durchreise, kommt aus dem Dorf seiner Kindheit in der Nähe von Schwaan und will zurück nach Berlin, wo er heute lebt. Zwar hat er seine Angel dabei, aber wir dürfen dem Hecht ohne gültige Tageslizenz auch im Cambser See nicht ohne Weiteres nachstellen. Obwohl das Wetter, wie man nach der Lektüre weiß, ideal wäre: kühl und regnerisch. "Es ist ja eine romantische, aber auch sehr naive Vorstellung, dass man sagt, man geht ans Wasser und angelt und hat dann einen in der Natur geborenen Fisch, der jahrhundertealten natürlichen Kreisläufen entspringt. Viele Edelfische in unseren Gewässern sind irgendwann mal gesetzt worden", so Möller. Deshalb dürfe man sie auch nicht einfach so entnehmen, erläutert er weiter. Seit seiner Kindheit hat er viel Zeit am Wasser zugebracht.

Thesen über das zwiespältige Verhältnis von Mensch und Natur

Auf einen Blick erkennt er, dass die Beschaffenheit des Ufers am See unterhalb der Kirche von Zittow grundsätzlich aber gute Chancen auf den Fang eines Hechtes geboten hätte. "Eine umgekippte Weide, ein Schilfgürtel, da könnte einer stehen", sagt der Experte. In seinem Buch erfährt der Leser viel über die Lebensweise des Hechtes und wie man ihn fängt und dennoch ist es nicht nur für Angler interessant. Denn ausgehend von dem Raubfisch entwickelt Andreas Möller bedenkenswerte Thesen über das zwiespältige Verhältnis von Mensch und Natur. "Es ist frappierend, dass wir auf der einen Seite so viel über Regionalität und Heimat und Bio und Öko und so weiter reden, aber ich selbst in meinem Freundeskreis feststelle, dass das Wissen um die Natur immer mehr in den Hintergrund rückt", stellt Andreas Möller fest.

"Das konkrete Wissen über die Natur nimmt ab"

So könnten viele kaum mehr die vier wichtigsten Getreidearten voneinander unterscheiden oder die heimischen Greifvögel am Flugbild erkennen. Noch weniger Unkräuter oder Fische bestimmen. "Wir haben auf der einen Seite ein Dauergespräch über die Natur, häufig sehr moralisch über Klima, Verfehlungen der Menschheit, Industrie und so weiter, auf der andern Seite nimmt das konkrete Wissen um die Natur ab", beobachtet der Autor. Mit seinem Buch möchte er sich am Beispiel des Hechtes dieser Dimension öffnen.

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Warum "zieht es wie Hechtsuppe"?

Darüber hinaus greift Andreas Möller auch die mystische Rolle auf, die dem Hecht zugeschrieben wird. Er zitiert literarische Texte von Uhland bis Thoreau, erklärt Sprichwörter, etwa warum es "wie Hechtsuppe zieht" und nimmt den Hecht als Ausgangspunkt für große soziologische Themen. "Der Hecht als die Inkarnation des Bösen, der Wasserwolf. Er verkörpert Urängste, die man am Wasser hat. Das Unbehagen vor dem, was dort wohl im Kraute ist, wo die Hechte schlummern", beschreibt Andreas Möller und zitiert Bertold Brechts Lied "Vom Schwimmen in Seen und Flüssen".

Formulierungen, die in Erinnerung bleiben

Die Natur noch als etwas Undurchdringbares, Mystisches anzusehen, finde er wunderbar, das seien wir heute nicht mehr gewöhnt. "Wir versuchen alles metrisch in Zahlen, Daten, Fakten zu erledigen", analysiert er. "Hechte" ist das vierte Buch, indem sich Andreas Möller mit den Themen Mensch, Natur und Technik befasst und das auf unterhaltsame und wenig belehrende Weise. Viele Formulierungen bleiben in Erinnerung. Nicht zuletzt die Definition von einer Angel, die sei ein Gerät, an dessen einem Ende ein Wurm, am anderen ein Träumer hänge.

Das Buch "Hechte - Ein Porträt" von Andreas Möller ist im Matthes & Seitz Verlag erschienen. Es kostet 20 Euro und der Autor liest daraus am 24. November in der Anderen Buchhandlung in Rostock.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | 21.10.2022 | 16:08 Uhr

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