Thomas Brussig © picture alliance / ZB | Michael Reichel Foto: Michael Reichel

Thomas Brussig kündigt Fischer Verlag die Zusammenarbeit

Stand: 22.07.2022 17:15 Uhr

Der Schriftsteller Thomas Brussig hat überraschend angekündigt, die Zusammenarbeit mit dem S. Fischer Verlag zu beenden. Grund dafür ist eine Beschwerde über seinen Roman "Das gibt's in keinem Russenfilm".

von Joachim Dicks

Thomas Brussig kündigte in einer Mail an ausgewählte Pressevertreter*innen mit einem ausführlichen Schreiben an, dass er die Zusammenarbeit mit seinem Verlag, dem S. Fischer Verlag, aufkündigen werde. Auch das Schreiben an die Verlagsleiterin Siv Bublitz hat Thomas Brussig in seiner E-Mail angehängt. Konkret geht es dabei um die Frage, wie mit der Beschwerde eines im Brussig-Roman "Das gibt's in keinem Russenfilm" namentlich erwähnten Kompanieführers umzugehen sei. Die real existierende Person beschwerte sich beim Verlag und forderte Schadenersatz, den Verbot des Buches.

Abgesichert durch die Kunstfreiheit?

Thomas Brussig ist sich sicher, dass alle seine Beschreibungen durch die im Grundgesetz verankerte "Freiheit der Kunst" abgesichert sei und ein Gericht sicher zu seinen Gunsten entscheiden würde. Der Verlag wollte diesen möglichen Schwierigkeiten offenbar aus dem Weg gehen. Der namentlich genannte Kompanieführer wird in dem Buch als "rotlackierter Faschist" bezeichnet. Katharina Winter, Justiziarin beim S. Fischer Verlag, vertritt die Ansicht, dass "diese Bezeichnung als Meinungsäußerung nachvollziehbar" sei, aber "als Tatsachenbehauptung in einer juristischen Auseinandersetzung möglicherweise anfechtbar." Sie empfahl dem Verlag bei einer Neuauflage "auf eine klare Namensnennung und damit Identifizierbarkeit zu verzichten."

Nachdem die Verlagsleiterin Siv Bublitz von dieser Position gegenüber Thomas Brussig nicht zurückweichen wollte, hat sich der Autor zur Aufkündigung der Zusammenarbeit entschlossen. Gegenüber dem NDR sagt Brussig, dass eine Namensänderung für ihn überhaupt nicht infrage käme, da gerade diese Person ihn tatsächlich während seiner Wehrdienstzeit schmählich behandelt habe. Schon der Umgang der Verlagsleitung mit der Schriftstellerin Monika Maron, der vor zwei Jahren von Siv Bublitz die weitere Zusammenarbeit aufgekündigt worden war, habe Brussig sehr nachdenklich gestimmt, auch wenn seine Entscheidung wohl auch ohne diese Vorgeschichte so ausgefallen sei.

Bublitz erklärte Gespräch mit NDR Kultur: "Ich denke, dass wir als Verlag eine Verantwortung haben, uns für ein Buch stark zu machen und dafür zu sorgen, dass es in der Öffentlichkeit bleibt. Wir haben aber nicht die Verantwortung, in einer persönlichen Auseinandersetzung zwischen zwei Menschen Stellung zu beziehen." Sie könne nachvollziehen, dass Thomas Brussig sich gewünscht hätte, auch gerichtlich Recht zu bekommen, aber: "Ich kann nicht es zur Sache des Verlages machen, in so eine Gerichtsverhandlung zu gehen, um diese persönliche Auseinandersetzung beizulegen, schon gar nicht, wenn ich keineswegs sicher bin, wie das ausgeht."

Herr Brussig, worum geht es genau bei diesem Konflikt?

Thomas Brussig: Es geht darum, dass sich eine Person beim Verlag gemeldet hat - ein ehemaliger Kompaniechef von mir, der in einem Roman eine Rolle von mir zugewiesen bekommt, die ihm nicht gefällt. Ihm gefällt nicht die Rolle, die er in meinem Leben eingenommen hat. Er hat den Verlag mit haltlosen Forderungen überzogen - Verbot des Buches, Schadenersatz und so weiter. Jeder normale Verlag hätte gesagt: Was soll das? Was ist das für ein Unsinn? Und hätte da vielleicht gar nicht drauf geantwortet. Aber die haben dem richtig über die Straße geholfen, dass am Ende jetzt tatsächlich droht, dass der Roman nicht nachgedruckt wird. Und das empfinde ich als Verrat des Verlages, nicht das Mindeste für einen Autor in so einem Konflikt zu tun und so eine Sache zurückzuweisen. Ich als Autor kann dieses Buch nicht schützen. Ich bin darauf angewiesen, dass das der Verlag tut - und der Verlag tut es nicht. Darüber bin ich schwer enttäuscht und weil der Verlag nun nach langer Zeit nicht zu einer anderen Meinung gekommen ist, habe ich ihnen gesagt: Das hat keinen Sinn mehr, da muss ich mir einen Verlag suchen, der meine Bücher schützt, wenn sie es brauchen.

Wie lange ging das? Von welchem Zeitraum sprechen wir da?

Brussig: Seit knapp drei Jahren. Zeit genug für einen Sinneswandel, würde ich sagen. Den hat es leider nicht gegeben. Wenn die ihre Meinung nicht ändern, dann muss ich jetzt seinen Entschluss fassen.

Ging es da auch um eine Namensänderung?

Brussig: Es ist so, dass ich diesen Kompaniechef auch mit seinem Namen genannt habe. Weil er seinen Namen selbst längst öffentlich gemacht hat, auch in seiner Funktion als Kompaniechef, sollte das eigentlich kein Problem sein. Aber das, was er für sich in Anspruch nimmt, nämlich mit seinem Namen in die Öffentlichkeit zu gehen, das will er mir nicht zugestehen und das geht natürlich nicht.

Und warum war es Ihnen so wichtig, an dem Namen festzuhalten und nicht einfach Holger Soundso draus zu machen?

Brussig: Weil das - fast hätte ich Mensch gesagt - eine Person ist, bei der ich nicht finde, dass ich der nachgeben sollte. Wir haben ja eine Vorgeschichte. Ich habe in meinem Wehrdienst verbotenerweise Tagebuch geführt, und dieses Tagebuch ist gefunden worden. Dann hat er die Truppe antreten lassen, mich nach vorne gerufen und dann wurde aus meinem Tagebuch vorgelesen vor angetretener Truppe. Das weiß der Verlag auch, dass der, der solche Forderungen stellt, so einer ist. Da bin ich zutiefst getroffen, dass die sich da nicht mit mir solidarisieren und sagen: So einem werden wir auf gar keinen Fall helfen gegen unseren Autoren.

Mit ihrem Weggang verliert der Fischer Verlag schon wieder einen Autoren mit DDR-Geschichte. Bei Monika Maron lag der Fall etwas anders. Da hat sich die Verlagsleiterin Siv Bublitz gegen eine weitere Zusammenarbeit ausgesprochen. Hat dennoch die Erfahrung mit Monika Maron etwas mit ihrer Entscheidung zu tun?

Brussig: Ich weiß es nicht. Natürlich habe ich das sehr genau beobachtet und gesehen, dass in der Auseinandersetzung mit Monika Maron ein Ich-Programm bei Siv Bublitz arbeitetet und dass die Zusammenarbeit mit Autoren einfach einen bestimmten Charakter erfordert, den vielleicht nicht jeder hat. Ich will damit Siv Bublitz in keiner Art und Weise beleidigen. Ich bin auch für längst nicht jeden Job total geeignet. Es gibt viele Jobs, für die ich ungeeignet bin. Aber ich habe beobachtet, was mit Monika Maron passiert ist und fand es nicht glücklich mit Siv Bublitz, deren Entscheidung es letzten Endes gewesen ist, Monika Maron die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Hier ist der Fall anders. Ich glaube, ich hätte mich auch so entschieden, wenn es den Rausschmiss von Monika Maron nicht gegeben hätte.

Das Gespräch führte Eva Schramm.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 22.07.2022 | 16:15 Uhr

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