Moderator Alexander solloch, Autorin Svenja Flaßpöhler und Autor Rüdiger Safranski auf dem Podium © NDR Foto: Jens Büchsenmann

Hörsalon: Philosophische Fragen, ganz bodenständig

Stand: 03.11.2021 14:55 Uhr

Beim "Hörsalons" im Bucerius-Kunstforum in Hamburg sind Philosophin Svenja Flaßpöhler und Autor Rüdiger Safranski aufeinander getroffen. Beide haben gerade ihre neuesten Bücher zu verwandten Themen veröffentlicht.

von Jens Büchsenmann

Man war froh, die großen philosophischen Fragen ganz bodenständig zu besprechen. Zum einen mit einer der angesagtesten jungen Philosophinnen, Svenja Flaßpöhler, die außer Philosophie und Germanistik auch Sport studiert hat. Auf die Frage von Moderator Alexander Solloch, ob denn was an dem Gerücht dran wäre, dass sie beim Dauerlauf auf ganz neue Gedanken kommen würde, antwortet Flaßpöhler: "Das stimmt, man darf sich aber auf gar keinen Fall vornehmen, auf Gedanken zu kommen, denn dann passieren Dinge im Kopf, die am Schreibtisch nicht passieren würden. Die Erfahrung mache ich immer wieder." Und auf die Frage, ob Rüdiger Safranski den Sport zum Denken bräuchte, antwortet dieser: "Naja, ich schaue abends ganz gern Fußball."

Nach dem launigen Einstieg wurde es schnell spannend und auch kompliziert. Denn unsere Gefühle sind nun mal paradox: Aktuell ist unsere Furcht vor Nähe zu anderen größer, als unser gleichzeitiges Bedürfnis nach Nähe. Einerseits Angst, andererseits Leichtsinn und Verdrängung. Lockdown bedeutet Alleinsein zu Hause, aber der Computer holt die Welt ins Haus.

Dicht am Gefühl: Svenja Flaßpöhler und Rüdiger Safranski im Hörsalon

Svenja Flaßpöhler unterscheidet in ihrem neuen Buch aktive und passive Sensibilität: "Die einen sagen: 'Ihr seid zu empfindlich'. Die andern sagen: 'Ihr seid zu gewalttätig, ihr seid alte weiße Männer und toxisch' und so weiter. Aber es ist auch ein zutiefst ambivalentes Phänomen. Neben dieser empfindsamen Ausgerichtetheit auf die Welt gibt es auch die Kehrseite. Eine passive Sensibilität. Das ist es, was wir mit Reizbarkeit meinen."

Rüdiger Safranski setzt sich dem gar nicht mehr aus. Er braucht zum Denken und Schreiben das, wie er sagt, stille Kämmerlein. "Einzeln sein - eine Philosophische Herausforderung" hat er sein gerade erschienenes Buch überschrieben. "Man macht aus den Sensibilitäten die man hat, einen Vorwurf an die Gesellschaft. Eine höhere Sensibilität und auch eine höhere Empfindlichkeit kann auch so wirken, dass man zum Beispiel nicht ins Netz geht, weil da so viel Unrat in den Sozialen Medien ist."

Großer Spaß für alle maskenbefreiten Mitdenkenden

Fast zwei Stunden lang diskutieren die beiden so ganz unterschiedlichen Intellektuellen. Er, der kinderlose Denker, sie, die Mutter von zwei Kindern, die um 5 Uhr morgens die Ruhe zum Schreiben findet, bevor die Kleinen in die Schule und der Hund raus muss. Tagsüber und im Hauptberuf ist Flaßpöhler Chefredakteurin des Philosophie Magazins gewohnt, Aufregerthemen überlegt und differenziert zu behandeln: "Dass wir so viel über sexistische, rassistische Strukturen reden, ist eigentlich gar kein Ausweis dafür, dass wir so eine schlimme Gesellschaft sind, sondern ein Zeichen dafür, wie fortschrittlich wir sind." Das hingerissene, maskenbefreite Publikum sah das genauso. Und allen Mitdenkenden hat es sehr großen Spaß gemacht.

Den Hörsalon können Sie in unserem Sonntagsstudio am 21. November um 20 Uhr auf NDR Kultur unter dem Titel "Was uns berührt. Der Mensch zwischen Nähe und Vereinzelung" hören.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Matinee | 03.11.2021 | 09:20 Uhr

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