Roy Jacobsen: "Die Kinder von Barrøy" (Cover) © C.H. Beck Verlag

Familien-Saga von Roy Jacobsen: "Die Kinder von Barrøy"

Stand: 26.10.2021 06:00 Uhr

Der norwegische Autor Roy Jacobsen hat eine Insel-Saga begonnen, die sich zu einer Dokumentation über Norwegens Geschichte entwickelt. Nun ist der 4. Teil erschienen, der in den 50er-Jahren spielt.

von Annemarie Stoltenberg

Ingrid ist von einer langen Reise, die sie mit ihrer einjährigen Tochter unternommen hat, um etwas über das Schicksal ihres Geliebten Alexander zu erfahren, wieder zu Hause. Sie hat den Vater ihres Kindes nicht gefunden, vermutet aber, dass er wieder in Russland lebt.

Roy Jacobsen beschreibt hartes Leben der Nachkriegszeit

Er war als Kriegsgefangener in Norwegen. In einer Nebenrolle dieses Romans traten damals übrigens die Eltern des Musikers Jan Garbarek auf, dessen polnischer Vater als Zwangsarbeiter der Deutschen gearbeitet hatte. Einmal erzählte Garbarek, der Gesang von Jansugh Kakhidze erinnere ihn an seinen Vater.

Das Land hat sich noch lange nicht vom Krieg und den Folgen erholt, aber Ingrid stellt sich diesem Leben, sie hat ihre Familie um sich geschart und dazu Pflegekinder. Sie schuftet schwer. Die Kühe müssen gemolken werden, die Schafe geschoren, Heringe gefangen und in Fässern eingelegt werden, Zäune sind zu reparieren - all das im Wechsel der Tages- und Jahreszeiten.

Drama um ein verwahrlostes Kind

Auch in der Wiederkehr des Ewiggleichen ist es ein Abenteuer, das zu verfolgen. Ein bisschen Bullerbü für Erwachsene. Dann kommt der Landwirt von der Nachbarinsel, der immer die Post bringt und die Milch holt. Er hat seinen fünfjährigen Sohn Mathias dabei. Mathias wurde von seiner Mutter verlassen ebenso wie der Ehemann.

Das Kind ist in einem erbarmungswürdigen Zustand, körperlich und seelisch vernachlässigt. Ingrid nimmt den Jungen auf und lässt ihn auf Barrøy groß werden, bis es Zeit wird, herauszufinden, warum die Mutter nach Deutschland abgehauen ist, und später dann, wie Mathias nach dem Tod des Stiefvaters mit seinem Erbe umgehen will. Er ist das Kind eines deutschen Offiziers.

Seine Mutter, einst eine echte Dorfschönheit, wurde von ihren bigott rechtschaffenen Eltern während der Schwangerschaft gedrängt, einen wesentlich älteren Landwirt zu heiraten. Aber sie hielt es nicht aus, verließ Mann und Kind, um den Geliebten in Deutschland zu suchen.

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"Die Kinder von Barrøy": Intensive Landschaftsbeschreibungen

Das Leben der Männer, die im Winter zu den Lofoten aufbrechen, um dort traditionell zu fischen, ist gefährlich. Ein tragisches Unglück auf See ereignet sich. Das alles ist in einer starken, klaren Sprache beschrieben. Man spürt die Luft an der Küste, die leuchtenden Farben und vor allem die strahlende Persönlichkeit der Hauptfigur Ingrid in diesem großartigen Epos.

Roy Jacobsen malt Gedenktafeln gegen das Vergessen und erinnert daran, wie es früher war. Am Schluss des Buches hilft übrigens ein Personenverzeichnis, sich mit den verschiedenen Familienmitgliedern bei der Lektüre zurecht zu finden. Schon beim Umblättern der letzten Seite möchte man, dass es weiter geht.

Die Kinder von Barrøy

von Roy Jacobsen, aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs Haefs und Andreas Brunstermann
Seitenzahl:
270 Seiten
Genre:
Roman
Verlag:
C.H. Beck
Bestellnummer:
978-3-406-77422-5
Preis:
24,00 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Neue Bücher | 26.10.2021 | 12:40 Uhr

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Romane

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