VIDEO: Archäologische Arbeiten am Buddenbrookhaus (3 Min)

Buddenbrookhaus: Archäologen finden historische Kanonenkugeln

Stand: 06.01.2023 11:28 Uhr

Vor der umstrittenen Erweiterung des Buddenbrookhauses in Lübeck graben die Archäologen. Im Keller der Häuser suchen sie nach Hinweisen auf das Leben vor mehreren hundert Jahren. Dabei haben sie Kanonenkugeln gefunden - vermutlich aus dem Besitz eines Bürgermeisters aus dem 16. Jahrhundert.

von Nais Baier

In dem 800 Jahre alten Gewölbekeller in der Mengstraße stehen Schubkarren, Schaufeln, Sandberge und Lampen. An drei Stellen entlang der roten Backsteinwände sind quadratische Löcher ausgehoben. Hier erforscht ein vierköpfiges Grabungsteam den Boden Quadratmeter für Quadratmeter: Größere Flächen dürfen sie nicht ausheben, erklärt Grabungsleiterin Katrin Siegfried: "Das ist durch die Statik begründet. Wir wollen natürlich auch sichergehen, dass das Gebäude keinen Schaden nimmt. Und dementsprechend bekommen wir vom Statiker einen Plan, der uns sagt: Ihr dürft in der und der Größe aufmachen und in der und der Reihenfolge".

"Tetris" aus Mensch und Material wegen großer Enge

Der Umbau des Buddenbrookhauses ist nur möglich, wenn die Archäologen alles untersucht haben. Seit vier Monaten sind sie bereits zugange. Mit detaillierten Fotos und Plänen kann das Team später die Grabungen auswerten - auch wenn unten schon wieder alles zu ist. Der Vorteil einer Grabung im Keller: Das Wetter kann den Archäologen nicht dazwischenpfuschen - auch wenn es regnet oder schneit, hier unten können sie ungestört buddeln. Dafür bringt das Arbeiten auf engem Raum andere Schwierigkeiten mit sich, so Katrin Siegfried: "Zum einen ist der Einsatz der Personen, also der Arbeiter, die gleichzeitig arbeiten können, natürlich begrenzt. Zum anderen passt in jeden Schnitt auch nur ein Mensch rein. Wir müssen natürlich die Arbeitswege freihalten, Fluchtwege freihalten. Wir nennen das liebevoll 'Baustellen-Tetris', dass man sich nicht selber zubaut".

Kanonenkugeln von Heinrich Brokes

Auch die grauen Bodenplatten, sogenannte Gotland-Platten aus Kalkstein müssen für jede neue Grabungsstelle vorsichtig geborgen und gelagert werden - irgendwann sollen sie nämlich wieder zum Fußboden werden. Doch vorher wollen die Archäologen alle darunter versteckten Geheimnisse herausholen. Hinweise auf das Lübecker Leben früher. Einige interessante Funde haben sie bereits gemacht. "Diese Kanonenkugeln stammen aus einem Zeitraum so um 16. Jahrhundert", erzählt Dirk Rieger, während er zwei Kugeln mit etwa zehn Zentimeter Durchmesser in die Hand nimmt. "Wenn wir da ins Archiv gehen und gucken, wer hier gelebt hat, dann finden wir ganz schnell heraus, dass es ein Herr Heinrich Brokes war, der war Kaufmann und auch Bürgermeister, aber gleichzeitig auch der oberste Wallmeister", so der Abteilungsleiter der Archäologie Lübeck. "Das macht immer große Freude, weil man die toten Objekte mit einem Gesicht verbinden kann und so zum Leben erweckt."

Opfergaben im alten Gemäuer

Ein Tierskelett aus dem 13. Jahrhundert: "Das ist eine Katze gewesen und das ist mutmaßlich ein Bauopfer. Das ist so eine Art Aberglaube für ein gutes Leben, für gutes Wirtschaften und um böse Geister abzuhalten. Sowas zeigt einem direkt den Einblick in die Glaubenswelt und in den Alltag der Menschen vor 800 Jahren oder vor 700 Jahren".

Ein Drittel der Kellerflächen haben Katrin Siegfried und ihr Team bereits vermessen und mit Fotos detailliert dokumentiert. Alle Funde werden archiviert, die besonderen irgendwann ausgestellt werden. Acht Monate graben sie hier noch weiter, Stückchen für Stückchen - und hoffen, dabei noch weitere Geheimnisse über das Lübecker Leben vor 800 bis 400 Jahren lüften zu können.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 06.01.2023 | 19:30 Uhr

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