Porträt der niederländischen Königin Wilhelmina © Picture-Alliance / arkivi

Niederlande: Deutsch-französische Dynastie auf dem Thron

Stand: 17.11.2020 09:45 Uhr

Seit über 300 Jahren ist das Haus Oranien-Nassau in den Niederlanden verwurzelt. Auf dem Königsthron sitzt die Familie mit deutschen und französischen Wurzeln jedoch erst seit 1815.

von Matthias Stelte

Wer sich mit der Geschichte der niederländischen Königsfamilie beschäftigt, mag zunächst über den Familiennamen stutzen: Denn der Name Oranien-Nassau hat auf den ersten Blick nichts mit den Niederlanden zu tun. Der Name Oranien leitet sich aus dem ehemaligen Fürstentum Orange in Südfrankreich ab, Nassau war ein Herzogtum in Deutschland. Die Häuser Oranien-Nassau sind durch Heirat seit dem 15. Jahrhundert miteinander verbunden. Als Gründer des heutigen Hauses gilt der 1533 geborene Wilhelm von Oranien-Nassau.

Wilhelm I. - Vater des Vaterlands

Zeitgenössisches Porträt von Wilhelm I. von Oranien-Nassau (1533-1584) © Picture-Alliance  / dpa Foto: EW
Gründer des niederländischen Königshauses: Wilhelm I. von Oranien-Nassau (1533-1584).

Wilhelm von Oranien erbt die Besitztümer in Südfrankreich und den Niederlanden sowie den Titel von seinem Cousin. Er kann das Erbe jedoch nur mit der Zustimmung des damals mächtigsten Herrschers in Europa - Kaiser Karl V. aus dem Haus der spanischen Habsburger - antreten. Der Kaiser, der dem jungen Prinzen sehr zugetan ist, verlangt von ihm, dass er seine Ausbildung am kaiserlichen Hof in Brüssel fortsetzt und zum katholischen Glauben übertritt. Der junge Prinz willigt ein.

Kampf der Konfessionen

Die Könige der Niederlande stellt das Haus Oranien-Nassau erst 300 Jahre später. Der Weg zum Königtum ist lang: Machtkämpfe zwischen rivalisierenden Adelshäusern und blutige Auseinandersetzung zwischen der Reformationsbewegung und dem Katholizismus bestimmen zunächst das politische Geschehen in den Niederlanden. So führt Wilhelm von Oranien einen Aufstand gegen den Nachfolger Karls V., Philipp II., an. Aus dieser Zeit stammt auch die heutige niederländische Nationalfahne. Das rot-weiß-blaue Banner seines französischen Fürstentums führt Wilhelm bei seinen Kämpfen gegen die Spanier mit sich. Die Taten Wilhelms werden auch heute noch in der Nationalhymne besungen - im "Wilhelmus". So ist es nicht verwunderlich, dass der Urahn von Königin Beatrix als "Vater des Vaterlands" verehrt wird. 1584 wird Wilhelm Opfer eines Attentats, in Delft erschießt ein Anhänger von Philipp II. den niederländischen Fürsten. Der Legende nach soll er mit den Worten "Mon Dieu, Mon Dieu, ayez pitié de moi et de ton pauvre peuple" (Mein Gott, mein Gott, erbarme dich meiner und deines armen Volkes) tot zusammengesunken sein.

Wirtschaftliche und kulturelle Blüte

Kardinalinfant Ferdinand von Spanien (1609-1641), Generalgouverneur der südlichen Niederlande im Dreißigjährigen Krieg © picture-alliance / akg-images Foto: Erich Lessing
Kardinalinfant Ferdinand von Spanien (1609-1641) herrscht über die südlichen Niederlande.

Mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 zerfallen die Niederlande in die Republik der "Vereinigten Provinzen" im Norden und in die "Königlichen Niederlande" im Süden, die zunächst von den spanischen Habsburgern und ab dem 18. Jahrhundert von den österreichischen Habsburgern regiert werden. Die Nord-Provinzen verwaltet ein Statthalter, seit 1748 wird dieses Amt in der Linie Oranien-Nassau vererbt. In dieser Zeit erleben die Provinzen einen Aufschwung in der Kunst, der Wissenschaft und der Wirtschaft: In Südamerika und Asien werden große Gebiete kolonisiert, berühmte Künstler wie Rembrandt wirken in dieser Zeit.

Deutsche im Haus Oranien-Nassau

Königin Wilhelmina der Niederlande im Jahr 1956 © Picture-Alliance / ANP / Benelux Press
Königin Wilhelmina ist die Großmutter von Königin Beatrix I.

Auf dem Wiener Kongress ziehen die europäischen Großmächte im 19. Jahrhundert die Grenzen der heutigen Niederlande. Seit 1815 stellt das Haus Oranien-Nassau die Könige der Niederlande. 1890 besteigt erstmals eine Frau den Thron, Wilhelmina, die Großmutter von Beatrix. Da Wilhelmina beim Tod ihres Vaters noch zu jung ist, führt ihre Mutter, Königin Emma, für einige Jahre die Regierungsgeschäfte. Emma stammt aus dem deutschen Adelsgeschlecht Waldeck-Pyrmont. Über Generationen hinweg sind die niederländischen Thronfolger mit Mitgliedern deutscher Adelshäuser vermählt: Wilhelmina heiratet den Herzog von Mecklenburg, ihre Tochter Königin Juliana den Prinzen von Lippe-Biesterfeld und die regierende Beatrix heiratet den 2002 vestorbenen Prinz Claus von Amsberg aus Hitzacker.

Alle Königinnen sind bei ihren Untertanen äußerst beliebt. Wilhelmina unterstützt während der deutschen Besatzung der Niederlande den Widerstand aus dem Exil. 1948 dankt sie zugunsten ihrer Tochter Juliana ab. Das Volk liebt Juliana. Durch ihre unkomplizierte Art und ihr Engagement für soziale Belange bringt sie das Königshaus den Menschen näher. Auch setzt sie am Hof einige Änderungen im Protokoll durch. Sie schafft beispielsweise den Hofknicks und die förmliche Anrede "Majestät" ab. 1980 dankt sie zugunsten ihrer Tochter Beatrix ab. 33 Jahre später tut es ihr Beatrix I. gleich: Am 30. April 2013 tritt sie ab, Sohn Willem-Alexander, verheiratet mit der gebürtigen Argentinierin Maxima, folgt ihr auf den Thron.

Weitere Informationen
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Dieses Thema im Programm:

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