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Das Hansa-Theater am Hamburger Steindamm: Varieté seit 1894

Stand: 04.03.2024 00:00 Uhr

Das Hansa-Theater am Steindamm im Hamburger Stadtteil St. Georg hat eine lange Tradition. Am 4. März 1894 wird es eröffnet. Internationale Stars treten dort auf. 2001 ist zunächst Schluss. Seit 2009 laufen dort aber wieder Shows.

1894 ist der Steindamm ein Prachtboulevard mit schicken Geschäften und Bürgerhäusern mit verzierten Fassaden. Der heutige Hamburger Stadtteil St. Georg ist noch bis 1868 eine Vorstadt. Danach steigen die Bevölkerungszahlen rasant an - von 21.000 auf 60.000 im Jahr 1880. Das Publikum ist elegant und geht gerne aus. Viele betuchte Bürger wohnen dort. Einige Straßen sind Flaniermeilen. Und: Damals ist der Hamburger Hauptbahnhof noch nicht gebaut.

Programmbühne mit Ausschank

Das Hansa-Theater am Hamburger Steindamm im Jahr 1910 © Hansa-Theater
Prächtiger Bau mit Schmuckfassade: In diesem Gebäude am Steindamm residiert das Hansa-Theater nach seiner Gründung.

Am 4. März 1894 eröffnet der Bierbrauer Paul-Wilhelm Grell in dem 1878 erbauten, ehemaligen Ausflugslokal Hansa Concert-Saal am Steindamm 11-13 eine Programmbühne mit Ausschank. Damit die Gäste ein bisschen länger sein "Heider Export" trinken, lässt er Artisten auftreten: Clowns, Akrobatinnen, Muskelmänner und musizierende Tiere. So gründet Grell quasi ganz nebenbei das Hansa-Theater. Es wird Deutschlands berühmtestes Varieté. Denn es zeigt sich, dass Grell den richtigen Riecher hat bei der Auswahl seiner Künstlerinnen und Künstler.

Weltstars treten am Steindamm auf

Menschen stehen 1936 vor dem Hansa-Theater am Hamburger Steindamm Schlange für Karten. © Hansa-Theater
1936 stehen die Hamburger Schlange, um den legendären Clown Charlie Rivel im Hansa-Theater zu sehen.

In den folgenden Jahren treten viele weltweit gefeierte Stars am Steindamm auf - die Tänzerin Cléo de Mérode, die um die Jahrhundertwende als eine der schönsten Frau der Welt gilt, das italienische Jongleur-Wunder Enrico Rastelli oder die Gesangshumoristen Ludwig und Leopold Wolf. In den 1930er-Jahren fegt die Tänzerin und Schauspielerin Josephine Baker im Bananenröckchen über die Bühne und die Menschen stehen Schlange, um den legendären Clown Charlie Rivel in der Show zu sehen. Das Gesangsquartett Comedian Harmonists gibt seine Hits zum Besten. Aber am Hansa-Theater werden auch Stars gemacht: 1914 etwa hat ein junger Mann aus St. Georg seinen ersten Auftritt als Botenjunge Lothar: Hans Albers.

Zerstörung und Wiederaufbau

Die Komiker und Musiker Ludwig und Leopold Wolf. © St. Pauli Theater
Das jüdische Künstlerduo Ludwig und Leopold Wolf hat ab 1939 in Deutschland Auftrittsverbot.

1927 übernimmt Grells Sohn Kurt die Leitung des Theaters. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten brechen schwere Zeiten an: Jüdische und viele ausländische Künstler werden verfolgt und haben Auftrittsverbot, so auch die Gebrüder Wolf. Trotzdem geht der Betrieb weiter, bis bei der "Operation Gomorrha" im Juli 1943 Fliegerbomben das Haus komplett zerstören. Grell errichtet direkt nach dem Krieg am Steindamm 17 einen Neubau, der allerdings im Gegensatz zum alten Haus, das 1.500 Plätze hatte, nur über wenige Hundert Plätze verfügt. Bereits im August 1945 öffnet die Bühne wieder - als erstes Theater in Hamburg.

Zweite Blütephase nach dem Krieg

1953 erfolgt der bisher letzte Umbau zum Showtheater mit integriertem Restaurant und 491 Plätzen. In den Nachkriegsjahren erlebt das Varieté eine zweite Blüte und setzt programmlich weiterhin auf Stars wie den Zauberkünstler Kalanag, den Kabarettisten Wolfgang Neuss oder die Sängerinnen Caterina Valente und Conny Froboess. Dressuren mit Tieren wie Elefanten, Pferden und Großkatzen sind ebenfalls Teil der Show. 1964 etwa ist im Hansa-Theater erstmals ein noch völlig unbekanntes Duo zu sehen - Siegfried und Partner, so nennen sich Siegfried und Roy damals. Auch prominente Gäste kann das Theater anlocken: Im Februar 1965 besuchen der Schah von Persien und seine Frau eine Vorstellung.

"Nie im Fernsehen - unsere Stars gibt's nur hier!"

Fünf Hunde laufen am Montag (12.01.2009) im Hansa-Theater am Steindamm in Hamburg bei der Generalprobe zur Neueröffnung über die Bühne. © Picture Alliance/ Jens Ressing Foto: Jens Ressing
Pudelparaden gehören zum traditionellen Programm des Varietés.

Nach Kurt Grells Tod 1967 leitet seine Ehefrau Telse das Traditionshaus. "Nie im Fernsehen - unsere Stars gibt's nur hier!" Mit diesem Slogan sorgt sie zunächst für meist ausverkaufte Plüschsessel. Das Programm setzt ausdrücklich auf artistische Nostalgie mit Seiltanz, Pudelparade, Bauchredner sowie dem berühmten "Theater-Teller": gabelfertige Häppchen mit Räucheraal, Schinken, Cervelat, Ei und Käse.

Viele Jahre lang ist das Konzept erfolgreich, aber ab Mitte der 1990er-Jahre schreibt das Varieté rote Zahlen. Immer weniger Besucher kommen in die Vorstellungen, die Leitung des Theaters macht dafür auch die Drogenszene im Stadtteil St. Georg verantwortlich. Am Silvesterabend 2001, nach 107 Jahren mit 37 Millionen Besuchern und mehr als 25.000 Künstlern in 51.188 Shows und 1.047 Programmen, senkt sich der Bühnenvorhang zum vorerst letzten Mal.

Comeback einer Legende

Zwei Akrobaten proben auf der Bühne des Hansa-Theaters. © Picture Alliance/ Jens Ressing Foto: Jens Ressing
Akrobatik auf höchstem Niveau - das verspricht das Hansa-Theater den Besuchern.

Sieben Jahre später kommt wieder Leben ins Hansa-Theater. Am 13. Januar 2009 öffnet das Haus unter Leitung der Intendanten des St. Pauli Theaters Thomas Collien und Ulrich Waller wieder, zwei Tage später ist Premiere. Bei der Ausstattung setzen die beiden erfahrenen Theatermacher ganz auf Nostalgie, lassen das plüschige Interieur behutsam renovieren und auch beim Service alte Zeiten wiederauferstehen. Auf Wunsch servieren Kellner bei den Vorstellungen Kulinarisches, unter anderem eine Variante des traditionellen Theater-Tellers. Das Programm ist modern und abwechslungsreich: Varieté mit internationalen Künstlern, Musik und Comedy.

Zwangsversteigerung, Besitzerwechsel und Vollprogramm

Im Mai 2018 führt ein Erbschaftsstreit zwischen den drei Töchtern der Grell-Familie dazu, dass das Theater zwangsversteigert wird. Im Verlauf des Streits stellt das Gebäude samt Inneneinrichtung von der Stadt unter Denkmalschutz. Nach dem Besitzerwechsel zu HWS Immobilien der Brüder Maximilian und Moritz Schommartz ist die Zukunft des Theaters gesichert. Nachdem die Spielzeiten zunächst von Oktober bis Februar gedauert haben, wird das Hansa-Theater seit 2020 wieder ganzjährig bespielt.

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Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 10.06.2023 | 19:30 Uhr

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