Die "Dornier Wal" D-1422 im Jahr 1930 auf dem Hudson River vor der Skyline von New York. © dpa-Bildfunk Foto: Dornier

Tollkühner Plan: Per Flugboot von Sylt nach New York

Stand: 18.08.2020 17:00 Uhr

Genehmigt ist der Flug von Wolfgang von Gronau nicht, sorgt aber für Furore: Im August 1930 startet er von Sylt aus zur ersten Atlantik-Überquerung mit einem Flugboot. Sein tollkühner Plan geht auf.

"Fliegen, Ihre Zustimmung vorausgesetzt, über Island nach New York": Als Wolfgang von Gronau im August 1930 diesen Funkspruch in Richtung des Berliner Verkehrsministeriums absetzt, befindet er sich bereits auf der zweiten Etappe seines Atlantikflugs, zu dem er am 18. August 1930 in List auf Sylt aufgebrochen ist - und zwar ohne sich vorher mit den Behörden oder mit seinem Team abgesprochen zu haben. Das Ziel seines nicht genehmigten Fluges ist New York, wo sein "Dornier Wal"-Flugboot am 26. August 1930 nach mehr als 40 Flugstunden wohlbehalten wassert. Dort werden von Gronau und sein dreiköpfiges Team begeistert empfangen - schließlich hatte zuvor noch niemand den Atlantik mit einem Flugboot überquert. Von Gronaus Pionierleistung geht in die Fluggeschichte ein - und ist so etwas wie die Generalprobe für eine Weltumrundung, die dem Flugpionier zwei Jahre später gelingt.

Erst zur See, dann in der Luft

Wolfgang von Gronau wird am 25. Februar 1893 in Berlin geboren. Der Sohn eines preußischen Generals wächst in Ostpreußen auf, besucht ein Gymnasium und wird 1911 Seekadett. Während des Ersten Weltkriegs dient von Gronau zunächst auf verschiedenen Kriegsschiffen als Leutnant und Oberleutnant zur See. Sein Interesse gilt allerdings der Fliegerei, sodass er von 1915 an als Seeflieger in verschiedenen Front- und Stabsstellungen eingesetzt wird.

Ausbilder für den Fliegerei-Nachwuchs auf Sylt

Wolfgang von Gronau 1930 nach seinem Atlantikflug auf der Heimreise nach Deutschland an Bord eines Hapag Lloyd-Dampfers. © picture alliance Foto: akg-images
Die Gemeinde List ernannte Wolfang von Gronau zu ihrem Ehrenbürger.

Nach dem Krieg nimmt von Gronau seinen Abschied als Kapitänleutnant und betreibt ein Gut in Ostpreußen. Schon länger träumt er von einem Amerika-Flug. Weil der Versailler Vertrag die Motorfliegerei zunächst verbietet, widmet sich von Gronau vorübergehend dem Segelfliegen, eher er wieder auf motorisierte Maschinen umsteigt. 1926 gewinnt er mit einer Heinkel "He 5" den "1. Deutschen Seeflugwettbewerb" in Warnemünde. Mit dem gleichen Schwimmer-Flugzeug stellt er wenig später einen Höhenrekord auf, der als erster deutscher Weltrekord nach dem Krieg anerkannt wird. Im Dezember 1926 übernimmt von Gronau die Ausbildungsleitung bei der neu gegründeten Deutschen Verkehrsfliegerschule in Warnemünde und wechselt später an die Deutsche Verkehrsfliegerschule List auf Sylt, die er weiter ausbaut.

Von Gronaus Island-Flug sorgt bereits für Aufsehen

Für Aufsehen sorgt von Gronau bereits 1929, als er an einem Tag nach Island fliegt - für die Zeit eine beachtliche fliegerische Leistung. Spätestens zu diesem Zeitpunkt arbeitet von Gronau auf seinen Plan hin, nach Amerika zu fliegen. Zur Verfügung steht ihm ein "Dornier Wal"-Flugboot mit dem Kennzeichen D-1422 - es ist eine der zwei Maschinen, mit der der Polarforscher Roald Amundsen und sein Team 1925 an den Nordpol flogen, damals noch mit der Bezeichnung N25.

Ohne Erlaubnis nach New York

Als das Verkehrsministerium von Gronau allerlei bürokratische Hürden in den Weg stellt, beschließt er kurzerhand, seinen Traum ohne Genehmigung zu erfüllen. Am 18. August 1930 startet er mit einer dreiköpfigen Besatzung in List auf Sylt. "Als ich mich verabschiedete und das Boot (Flugboot Dornier "Wal") bestieg, war alle Unruhe verschwunden. Wir überflogen zuerst den Ellenbogen, eine lange, schmale Halbinsel, die den Hafen von List im Halbkreis schützend umgibt", zitiert die "Sylter Rundschau" Wolfgang von Gronau. "Am Strand stand noch eine gewaltige Brandung von den Stürmen der Vortage. Ich stieg höher, um die Gedanken auf das große Ziel zu lenken." Seine Crew informiert von Gronau erst nach zwei Tagen über seinen tollkühnen Plan - denn eigentlich hatte die Besatzung den Auftrag, zum Nordkap und zurück zu fliegen. Mit Zwischenlandungen auf Island, Grönland und Neufundland geht es bis nach nach New York.

Rückreise auf dem Wasser statt durch die Lüfte

Die vier deutschen Piloten Edward Zimmer, Wolfgang von Gronau, Fritz Albrecht und Franz Hack 1930 nach ihrem Transatlantiklug in New York. © Picture Alliance/IMAGNO Foto: Austrian Archives
Zurück nach Deutschland geht es nicht per Flugboot, sondern mit einem Dampfer der Hapag Lloyd.

Die Amerikaner feiern die Besatzung für ihre Flugleistung, sogar Präsident Herbert Hoover gratuliert den Fliegern. Die Rückreise treten von Gronau und sein Team dann allerdings auf dem Wasserweg an - ein Dampfer der Hapag Lloyd bringt sie zurück in die Heimat.

Großen Ärger bekommt von Gronau für seine eigenmächtige Entscheidung übrigens nicht: Der damalige Reichsverkehrsminister Theodor von Guérard lässt ihm im Gegenteil gar eine Prachtausgabe von Kleists "Prinz von Homburg" überreichen. Der Prinz in Kleists Drama hatte gegen ausdrücklichen Befehl in eine Schlacht eingegriffen - und sie gewonnen.

Von Sylt um die ganze Welt zum Bodensee

Von Gronau hat derweil einen neue Vision, die er kurz darauf in die Tat umsetzt: 1931 startet er mit einer neuen Maschine und allerlei Messgeräten zur Erkundung der später immer wichtiger werdenden Nordroute. Er überfliegt das grönländische Inlandeis, entdeckt dabei einen neuen Gebirgszug und erreicht über Island und Labrador schließlich Chicago.

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Die Krönung seiner fliegerischen Laufbahn allerdings ist seine Weltumrundung, zu er der am 22. Juli 1932 auf Sylt startet. Wieder mit einer "Dornier Wal" überfliegt der Luftfahrtpionier den Atlantik, den amerikanischen Kontinent, den Stillen Ozean (Pazifik), Japan, Schanghai, Hongkong, Manila und Burma. In der Bengalischen See muss von Gronau wegen einer Störung des Motors notwassern, kann aber von einem britischen Dampfer nach Rangun abgeschleppt werden und setzt von dort aus seinen Weltflug fort. Über Rom erreicht von Gronau schließlich am 9. November 1932 die Dornier-Werke am Bodensee, ehe es zurück nach List geht.

Landwirtschaft als zweite Leidenschaft

Von Gronau, der sich immer wieder an Flugwettbewerben beteiligt, wird für diese Leistung mit Auszeichnungen überhäuft, die deutsche Regierung beruft ihn im Februar 1933 ins neu gegründete Luftamt, wo ihm Februar 1933 das Ausbildungswesen für Seeflieger übertragen wird. Im Zweiten Weltkrieg ist von Gronau Luftattaché an der deutschen Botschaft in Tokio. Nach Kriegsende wird er in Japan interniert und kehrt erst 1947 nach Deutschland zurück, wo er Vertreter eines nordamerikanischen Flugzeugwerkes wird. Die Erinnerungen an seine Pionierleistungen verewigt von Gronau, der sich ab 1958 erneut der Landwirtschaft widmet, 1955 in einem Buch mit dem Titel "Weltflieger".

Am 17. März 1977 stirbt von Gronau, der zwei Mal verheiratet war und aus erster Ehe drei Kinder hat, im Alter von 84 Jahren im oberbayerischen Frasdorf. Beerdigt sind er und seine zweite Ehefrau in List, wo die Gemeinde ihn zum Ehrenbürger ernannte.

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