Stand: 21.01.2020 16:55 Uhr

Coronavirus: Chinas patriotischer Notfallplan

In China steigt die Zahl der mit der neuen Lungenkrankheit angesteckten Patienten weiter. Nach offiziellen Angaben gab es zuletzt mehr als 290 bestätigte Fälle. China lobt sich selbst im Umgang mit dem neuartigen Virus. Aber bekämpfen die dortigen Behörden die Ausbreitung der Krankheit wirklich wirkungsvoll?

Ein Kommentar von Axel Dorloff, Korrespondent im ARD-Hörfunkstudio Peking.

Axel Dorloff. © rbb/Anna-Katharina Schulz Foto: rbb/Anna-Katharina Schulz
Axel Dorloff meint, dass China vor allem daran gelegen sei, keine Panik aufkommen zu lassen.

Wenn's wichtig wird, wird's in China meistens patriotisch. Deshalb gibt es auch jetzt offiziell eine patriotische Gesundheitskampagne: Hände waschen, Müll rausbringen und die ganze Wohnung so gut es geht reinigen.

Selbst Präventionsmaßnahmen gegen die Verbreitung der neuartigen Lungenkrankheit werden in China patriotisch verpackt. Das Leben und die Gesundheit der Menschen stünden an erster Stelle, so dazu passend die offizielle Ansage von Staats- und Parteichef Xi Jinping.

Informationsoffensive in China nicht selbstverständlich

Tatsächlich gab es für chinesische Verhältnisse zuletzt eine regelrechte Informationsoffensive: Der Chef der Nationalen Gesundheitskommission bestätigt vor Mikrofonen die Mensch-zu-Mensch-Übertragung, der Chef-Epidemiologe in Peking beschwört die Beherrschbarkeit der Krankheit und Chinas Staatspräsident richtet sich mit einem Anweisungskatalog an das Volk. Sogar der Bürgermeister der betroffenen Millionen-Metropole Wuhan taucht im chinesischen Staatsfernsehen auf.

In China ist das alles nicht selbstverständlich. Dazu haben die Gesundheitsbehörden das neuartige Virus verhältnismäßig schnell identifiziert, betroffene Länder und die Weltgesundheitsorganisation wurden informiert. Eine Behandlung im Verdachtsfall ist für alle Betroffenen kostenlos, die Kosten trägt der chinesische Staat.

SARS-Informationen waren katastrophal

China scheint also manches besser zu machen als beim SARS-Ausbruch vor 17 Jahren. Am SARS-Virus starben 2002 und 2003 etwa 800 Menschen, andere Schätzungen gehen von bis zu 1.000 Todesfällen aus. Die chinesische Regierung hatte damals den Ausbruch der Krankheit erst vertuscht - und dann längere Zeit verharmlost. Die Informationspolitik war katastrophal.

Devise: "Bloß keine Panik"

Aber auch dieses Mal ist längst nicht alles gut: Experten bemängeln, dass vermutlich schon länger klar war, dass eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung möglich ist. Wissenschaftler vom Imperial College in London  rechnen vor, dass die Ausbreitung der Krankheit viel größer sein könnte als bislang offiziell bestätigt. Nach Berechnung der Forscher könnte die Zahl der Fälle bei mehr als 1.700 liegen.

Bei den chinesischen Behörden hat man das Gefühl, dass sie jeden Abend ein paar Fälle drauflegen und sich so langsam vorarbeiten. Jetzt sind wir bei knapp 300. Bloß keine Panik aufkommen lassen, so Chinas Devise.

Neujahrsfest-Reisewelle wird eine Herausforderung

Klar ist: Das neue Virus ist gefährlich. Es stammt aus derselben Familie von Coronaviren, zu der auch das Schwere Akute Atemwegssyndrom (SARS) gehört. In China beginnt noch in dieser Woche die gigantische Reisewelle zum chinesischen Neujahrsfest. Hunderte Millionen sind dann in Bahnen, Bussen und Flugzeugen unterwegs. Dicht gedrängt bewegen sich Menschenmassen durchs ganze Land. Keine optimalen Voraussetzungen, um die Ausbreitung einer ansteckenden Krankheit zu verhindern.

In der Neujahrswoche wird sich zeigen, wie gut China die Sache im Griff hat. Tickets von oder nach Wuhan, dort, wo mit Abstand am meisten Fälle der Längenkrankheit aufgetreten sind, lassen sich jedenfalls zum Neujahrsfest ohne Gebühr stornieren.

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NDR Info | Kommentar | 21.01.2020 | 17:08 Uhr

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