Richter-Spiel: Altersmilde oder Altersstrenge?
Wer ein gewisses Alter erreicht, hat meist schon viel erlebt im Leben und weiß auch, dass alle Menschen ab und zu Fehler machen. Aber heißt das auch, dass wir mit jedem Lebensjahr nachsichtiger werden? Die Auswertungsdaten aus dem ARD Richter-Spiel zeigen ein anderes Bild: Laut der Zahlen urteilen die User umso härter, je älter sie sind. Allerdings gibt es eine Ausnahme: Der vergleichsweise hohe Durchschnittswert in der Gruppe der 10- bis 19-Jährigen.
Streitthema Häusliche Gewalt
Bei der Analyse der einzelnen Fälle zeigt sich, dass die Entscheidungen der jüngeren und älteren User stark voneinander abwichen. Am deutlichsten ist das beim Thema häusliche Gewalt der Fall. Zwar sprechen sich in diesem Fall auch die meisten User über 60 Jahren für Freiheitsstrafen aus, allerdings sind die 10- bis 19-Jährigen noch weniger nachsichtig und urteilen im Schnitt härter. In keinem anderen Fall entscheiden die jungen User so hart.
Streitthema Drogen
Es gibt aber auch Fälle, in denen die älteren User weniger nachgiebig sind als die jungen. Vor allem bei den Themen Ladendiebstähle und Beamtenbeleidigung urteilen die Nutzer ab 60 Jahren härter. Aber am stärksten zeigen sich die Unterschiede beim Thema Drogenhandel. Hier fordern doppelt so viele ältere Laienrichter Freiheitsstrafen ohne Bewährung wie bei der jüngeren User-Gruppe.
Mehr als 100.000 Urteile ausgewertet
Für diese Auswertung wurden rund 100.000 Entscheidungen ausgewertet. Bei rund 53.000 der Urteile hatten User freiwillig ihr Alter angegeben. Das Alter dieser Nutzer liegt im Mittel bei 40 Jahren.
"Der Einfluss des Alters wird in der bisherigen Forschung recht unterschiedlich bewertet", sagt Professor Tobias Singelnstein von der Ruhr-Universität Bochum zu den Ergebnissen. Er leitet das Forschungsprojekt "Strafkulturen im Vergleich", auf dem die Fälle aus dem Richterspiel basieren. Die einfach Formel "je älter umso härter" würde auf jeden Fall nicht gelten: "Die Antworten zum Fall der häuslichen Gewalt und zum Marihuana-Verkauf zeigen, dass der Einfluss des Alters deliktsspezifisch recht unterschiedlich ist."
