Im Alter Medikamente besser genau überprüfen
Medikamente spielen eine große Rolle für Gesundheit und Wohlbefinden älterer Menschen. Doch viele Präparate helfen nur bedingt. Oft kommt es zu Wechselwirkungen der Pillen untereinander. Die Folge können beispielsweise Schwindel und Gleichgewichtsstörungen sein. Und wer Gleichgewichtsprobleme hat, kann leichter stürzen. Eine Bestandsaufnahme aller Medikamente und auch Nahrungsergänzungsmittel durch einen Arzt ist extrem wichtig, gerade bei alten Menschen aber etwa 70 Jahren.
Nicht mehr als fünf Präparate einnehmen
Als Faustregel gilt: Patientinnen und Patienten sollten nach Möglichkeit nicht mehr als fünf verschiedene Medikamente einnehmen, sonst wird der Cocktail schwer einzuschätzen. Wer jedoch so viele Präparate schluckt, ist oft bei mehreren Ärztinnen und Ärzten in Behandlung. Und nicht immer stimmen sie die von ihnen verordneten Arzneimittel mit denen anderer Ärzte ab. Außerdem nehmen manche Patienten zusätzlich noch freiverkäufliche Medikamente ein, von denen ihre Ärzte gar nichts wissen. Aber auch sie spielen eine Rolle bei den Wechselwirkungen.
Patienten haben Anspruch auf einen Medikationsplan
Seit Ende 2016 hat jeder Patient Anspruch auf einen standardisierten Medikationsplan, wenn er drei oder mehr Arzneimittel einnimmt. Für diese Aufstellung werden alle Präparate und ihre Dosierung erfasst, die ein Patient einnimmt. Ausgestellt wird der Plan vom Hausarzt oder einem Facharzt, der dann eine koordinierende Rolle übernimmt. Die Patienten bekommen einen Ausdruck, den sie bei anderen Ärzten oder im Krankenhaus vorlegen können.
Medikamente können im Alter mehr schaden als nutzen
Bei der Aufstellung aller Medikamente geht es nicht nur darum, Neben- und Wechselwirkungen der Pillen festzustellen: Es gibt schlicht Wirkstoffe, die der ältere Mensch schlechter verträgt als Jüngere. Deshalb kann es passieren, dass ein Patient sogar ein Medikament, das er schon immer genommen hat, plötzlich nicht mehr verträgt.
Das liege daran, dass sich Körper und Stoffwechsel im Alter verändern, erklärt der Hausarzt und Geriater Thomas Hermens. Der Körperfettanteil eines alten Patienten ist höher als bei einem jungen. Gleichzeitig nimmt aber der Wasseranteil ab. Körperfett und Wasser spielen eine entscheidende Rolle bei der Medikamentenaufnahme.
Hinzu kommt, dass wichtige Organe im Alter schlechter durchblutet werden. Auch die Funktion der Nieren etwa nimmt ab. Wirkstoffe werden deshalb langsamer abgebaut und ausgeschieden. Auch die Leber arbeitet mit zunehmendem Alter eingeschränkt. Die Wirkung von Tabletten ist damit schwerer einzuschätzen. Wirkstoffe, die der Körper in jüngeren Jahren gut verstoffwechseln konnte, werden im Alter möglicherweise im Körper angesammelt und könnten sogar toxisch, also giftig für ihn werden, so Dr. Thomas Hermens.
Nutzen und Risiko bei neuen Medikamente abwägen
Wer alte Patienten behandelt, sollte die Medikamente, die er verschreibt, noch genauer überprüfen als üblich. Dr. Hermens beispielsweise setzt neue Präparate bei alten Patienten zunächst ganz niedrig dosiert ein und erhöht die Dosis schleichend, um zu sehen, wie sie wirken. Der Geriater zieht zudem das sogenannte Forta-Konzept (Forta = Fit fOR the Aged, für die Alten passend) der Universität Heidelberg zu Rate. Auf der dazugehörigen Liste finden sich gängige Substanzen, die gerade älteren Patienten verschrieben werden, die von A bis D klassifiziert sind.
Neben dem Forta-Konzept gibt es auch noch die sogenannte Priscus-Liste, eine Negativ-Liste mit Medikamenten, die für ältere Menschen als potenziell ungeeignet eingestuft werden. Die Broschüre "Medikamente im Alter: Welche Wirkstoffe sind ungeeignet" informiert ausführlich über die Präparate auf der Liste.
Ergibt die Erstellung eines Medikationsplans, dass ein Patient mehr als fünf Präparate einnimmt, sollte der Hausarzt diese genau überprüfen. Unter Umständen können eines oder mehrere Medikamente vorsichtig abgesetzt werden. Grundsätzlich gilt: Je weniger Medikamente desto besser. Bei manchen Symptomen/Krankheitsbildern hilft beispielsweise ein gezieltes Bewegungsprogramm oder eine spezielle Ernährung, um sie zu bekämpfen.
