Organspende: 10.000 Menschen warten auf Hilfe
Organtransplantationen können Leben retten: In Deutschland warten etwa 10.000 Menschen auf ein passendes Organ. 2017 sank die Zahl der Organspender allerdings auf den niedrigsten Stand seit 20 Jahren. Fragen und Antworten zum Thema.
WissensCheck: Organtransplantation
Seit 50 Jahren werden in Deutschland Organtransplantationen durchgeführt. Etwa 10.000 Menschen stehen derzeit auf der Warteliste für eine Organspende. Tim Berendonk mit Fakten.
Wie viele Organspenden gab es im vergangenen Jahr?
Bundesweit gab es 2017 nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) nur 797 Organspender, 60 weniger als im Jahr zuvor. Die Zahl der gespendeten Organe ging von 2.867 im Jahr 2016 auf 2.594 zurück. Ab 2012 war es erstmals zu einem deutlichen Rückgang der Organspenderzahl gekommen, nachdem bekannt geworden war, dass Ärzte an Transplantationszentren falsche Angaben über ihre Patienten gemacht hatten.
Wie viele Menschen warten auf ein Organ?
In Deutschland stehen nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) rund 10.000 Menschen auf der Warteliste für eine Transplantation. In den meisten Fällen sind es lebensbedrohliche Krankheiten, die eine Organtransplantation erforderlich machen, etwa bei schwerem Herz-, Lungen- oder Leberversagen. Die Organspende ist für die Betroffenen dann die einzige Möglichkeit, um überleben zu können. In einigen Fällen ist es nicht ganz so dramatisch. Der Verlust einer Organfunktion - beispielsweise der Bauchspeicheldrüse oder der Nieren - ist aber in jedem Fall mit erheblichen Einschränkungen der Lebensqualität verbunden. Eine Organspende kann in diesen Fällen die Lebensqualität verbessern und das Auftreten von Spätschäden verhindern. Oft vergehen allerdings Monate oder Jahre, bevor sich ein passender Spender findet. Statistisch gesehen sterben täglich drei Patienten, denen mit einer rechtzeitigen Organspende hätte geholfen werden können.
Wann ist eine Organspende möglich?
Eine Organ- und Gewebespende ist nur möglich, wenn bei einem Patienten der Hirntod eingetreten ist. Das heißt, dass sämtliche Hirnfunktionen unumkehrbar ausgefallen sein müssen (Hirntod). Das Herz-Kreislauf-System wird in diesem Fall künstlich aufrechterhalten. Da in den meisten Todesfällen der Herzstillstand vor dem Hirntod eintritt, kommen nur wenige Verstorbene für eine Organspende in Betracht. Eine Gewebespende kann im Gegensatz zur Organspende noch bis zu 72 Stunden nach dem Herzstillstand (klinischer Tod) möglich sein. Daher kommen für eine Gewebespende rund zwei Drittel aller Verstorbenen infrage.
Wo werden Organtransplantationen durchgeführt?
In Deutschland koordiniert die DSO die Organvergabe und arbeitet eng mit der Stiftung Eurotransplant zusammen, die wiederum für den Austausch von gespendeten Organen in Deutschland, den Benelux-Ländern, Kroatien, Österreich, Slowenien und Ungarn zuständig ist. Wer in Deutschland ein neues Organ braucht, muss in ein Transplantationszentrum. Ein interdisziplinäres Ärzteteam überprüft nach genau festgelegten Regeln, ob eine Organübertragung notwendig ist und ob sie Erfolg haben kann. Nur dann wird der Patient auf die Warteliste für Organspenden aufgenommen. Bundesweit gibt es etwa 1.400 Krankenhäuser mit Intensivstation, in denen die Entnahme von Organen möglich ist.
Wie wird man Organspender?
In Deutschland müssen sich die Bürger aktiv für eine Organspende entscheiden. Dazu senden die Krankenkassen regelmäßig Informationsmaterial an jede krankenversicherte Person ab 16 Jahren. Im Organspendeausweis kann nicht nur ein "Ja" zur Organspende festgehalten werden. Der Spende kann auch widersprochen werden oder man stimmt nur einer Entnahme von bestimmten Organen zu. Die Entscheidung zur Organspende kann jederzeit widerrufen werden. Umfragen zufolge stehen rund 80 Prozent der Bundesbürger einer Organspende grundsätzlich positiv gegenüber. Allerdings hat nur etwa jeder Dritte seine Bereitschaft in einem Organspendeausweis oder einer Patientenverfügung dokumentiert. In den Krankenhäusern entscheiden deshalb in vielen Fällen die Angehörigen über eine Organspende. Ein Register, in dem die Entscheidung zur Organspende festgehalten wird, gibt es in Deutschland nicht. Umso wichtiger ist es daher, mit der Familie darüber zu sprechen.
Welche Regelung gilt außerhalb Deutschlands?
Anders als in Deutschland, wo die sogenannte Entscheidungslösung seit 2012 gilt, gibt es in den meisten anderen europäischen Ländern eine Widerspruchslösung. Hier ist jeder automatisch Organspender, es sei denn, er hat einer Transplantation zu Lebzeiten ausdrücklich widersprochen. In Deutschland gibt es auch immer wieder Forderungen, die Widerspruchslösung einzuführen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte der Forderung zuletzt eine Absage erteilt. Er halte Überzeugungsarbeit für besser als Zwang, betonte er.
Wie ist die Rechtslage bei Lebendspenden?
Bestimmte Organe oder Organteile können bereits zu Lebzeiten gespendet werden. So können Menschen mit guter Nierenfunktion eine Niere spenden, weil die verbleibende Niere den Ausfall kompensiert. Auch ein Teil der Leber kann gespendet werden. Laut Transplantationsgesetz (TPG) ist die Transplantation von Organen lebender Spender nur zulässig, wenn kein postmortal gespendetes Organ für den Empfänger zur Verfügung steht. Das Transplantationsgesetz stellt sicher, dass eine Lebendspende nur freiwillig und mit möglichst geringem medizinischem Risiko für den Spender erfolgt. Lebendspenden sind nur unter nahen Verwandten und einander persönlich eng verbundenen Personen zulässig.
Gibt es Alternativen zur Organspende?
Bereits seit 30 Jahren sind Kunstherzen im Einsatz. Sie können die Überlebenschance während der Wartezeit auf eine Herztransplantation erhöhen. Der Nachteil ist, dass es zu Infektionen, Blutungen und Schlaganfällen kommen kann. Für komplexere Organe wie Niere und Leber eignen sich künstliche Implantate bislang nicht.
Forscher arbeiten an der Möglichkeit, Tierorgane zu verpflanzen, zum Beispiel vom Schwein. Das Problem ist aber, dass das menschliche Immunsystem das Schweinegewebe abstößt. Außerdem besteht das Risiko, dass gefährliche Viren auf den Menschen übertragen werden. Herzklappen aus dem Gewebe von Tieren sind aber schon seit Längerem erfolgreich im Einsatz. Derzeit noch eine kühne Vision sind Organe aus dem 3D-Drucker. Erste Versuche gab es mit einfachen Körperteilen wie einer Ohrmuschel.
