Stand: 23.07.2018 13:09 Uhr

Deutsche Aids-Hilfe warnt vor Neuinfektionen

Ein junger Mann malt eine rote Aids-Schleife auf eine Wand im Kibera-Slum und schreibt in roten Buchstaben den Slogan "Avoid AIDS". © dpa picture alliance Foto: Dai Kurokawa
Die Vereinten Nationen sehen die Ziele beim Kampf gegen die Immunschwächekrankheit Aids gefährdet.

Mehr als 15.000 Wissenschaftler, Aktivisten, Patienten und Politiker kommen in Amsterdam zur 22. Welt-Aids-Konferenz zusammen. Es geht um die Eindämmung der weltweiten HIV-Epidemie. Ursprünglich sollte laut dem Programm der Vereinten Nationen gegen Aids (Unaids) aus dem Jahr 2014 die Ausbreitung des HI-Virus bis 2030 beendet werden. Mittlerweile gilt das aber als kaum noch erreichbar. In etwa 50 Ländern weltweit nimmt die Zahl der jährlichen Neuinfektionen zu. In Osteuropa und Zentralasien hat sich ihre Zahl verdoppelt.

Knapp 37 Millionen Menschen sind derzeit mit dem HI-Virus infiziert, die meisten von ihnen leben in Afrika. Jedes Jahr sterben knapp eine Million Menschen an Aids. 2017 gab es nach Angaben von Unaids 1,8 Millionen Neuinfektionen.

Spahn-Vorstoß bei Präexpositionsprophylaxe

In Deutschland will Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ein Medikament zur HIV-Vorbeugung auf Kassenkosten zugänglich machen. Die sogenannte Präexpositionsprophylaxe (PrEP) steht in Deutschland seit rund einem Jahr zur Verfügung. Prep kostet rund 50 Euro im Monat. Das Bundesgesundheitsministerium schätzt, dass rund Zehntausend Menschen Prep in Anspruch nehmen werden.

Die Reaktionen auf Spahns Plan sind geteilt: Die Krankenkassen lehnen ihn ab und empfehlen zur Senkung des Infektionsrisikos Kondome. Verbandssprecher Florian Lanz verwies im "Ärzteblatt" auf die "Eigenverantwortung für gesundheitsbewusste Lebensführung". Arzneimittel, die dazu dienten, die Ausübung sexueller Aktivitäten zu ermöglichen, sollten die Betreffenden selbst bezahlen, so der Kassensprecher.

Wicht: Geld für den Kampf gegen Aids sammeln

Die Deutsche Aids-Hilfe hält Spahns Entschluss dagegen für einen "Meilenstein". Pressesprecher Holger Wicht warb auf NDR Info dafür, alle Maßnahmen zu ergreifen, um HIV einzudämmen. Die HIV-Prophylaxe PrEP werde gerade in Ländern, wo nicht so viel Geld vorhanden sei, hoch gehandelt, sagte Wicht. Dabei gehe es um Gruppen, "die man sonst schlecht erreicht, wo Kondome vielleicht nicht so gut funktionieren oder wo die Infektionsraten hoch bleiben".

Wicht sagte, das Medikament könne sehr günstig hergestellt werden, deshalb könne es auch in Ländern "mit weniger Geld" sehr effektiv eingesetzt werden. Es gehe beim Thema Aids dennoch auch immer wieder darum, immer wieder genügend Geld zusammenzubringen für den globalen Fonds gegen Aids, Tuberkulose und Malaria. "Unaids, die Organisation der Vereinten Nationen, hat gerade wieder gesagt, alle Erfolge stehen auf dem Spiel, wenn immer wieder Zusagen nicht eingehalten werden."

Konferenz bringt wichtige mediale Aufmerksamkeit

Angesprochen auf die Größenordnung der Aids-Konferenz in Amsterdam mit bis zu 18.000 Teilnehmern, sagte der Sprecher der Deutschen Aids-Hilfe, dass sie vor allem mediale Aufmerksamkeit für das Thema Aids bringe. Die Veranstaltung mache aber auch deutlich, "was möglich ist". Aus einer weltweiten Seuche, die eine "unfassbare Bedrohung" gewesen sei, sei eine "beherrschbare Erkrankung geworden", sagte Wicht. "Wir haben heute alle Mittel, um HIV in Schach zu halten. Menschen mit HIV können ein ganz normales Leben führen, wie andere Menschen auch - und sie haben eine fast normale Lebenserwartung, wenn sie in den Genuss dieser Therapien kommen."

Das sei aber noch nicht überall der Fall. Nur 60 Prozent der Infizierten weltweit bekämen diese Medikamente. Gleichzeitig gebe es "extreme Fehler im Umgang mit der Epidemie in Osteuropa, sodass die Infektionszahlen dort wieder nach oben gehen", sagte der Sprecher der Deutschen Aids-Hilfe. Die Hoffnung der Konferenz sei auch, dass Länder die erfolgreichen Strategien auch bei sich umsetzten.

Osteuropa als neuer HIV-Krisenherd

In den Ländern mit steigenden Fallzahlen sei die Prävention unzureichend. Das habe teils ideologische Gründe: "In Russland zum Beispiel bietet man keine Aufklärung für schwule Männer an, weil man Homosexualität an sich für verwerflich hält." Man gebe auch Drogenkonsumenten keinen Zugang zu sauberen Spritzen, dabei sei dies ein erfolgreiches Mittel, das weltweit zu einem Rückgang der Infektionen bei Drogenkonsumenten geführt habe. "In Russland sagt man, Drogensucht ist des Teufels, diese Menschen unterstützen wir in keiner Weise in ihrem Lebensstil." So könne man aber die Infektionen nicht eindämmen und riskiere auch die Gesundheit der gesamten Bevölkerung. "Hier wird alles, was sich weltweit in den vergangenen 20 bis 30 Jahren bewährt hat zurückgewiesen." Das Ergebnis sei, dass die Epidemie immer schlimmer werde, so Holger Wicht.

Tagesschau.de
Rote AIDS-Schleifen © dpa - Bildfunk Foto: Jens Kalaene

Warnung vor gefährlicher Trägheit

37 Millionen HIV-Infizierte weltweit, viele Neuinfektionen in Osteuropa: Im Kampf gegen Aids dürfe nicht nachgelassen werden, mahnen Experten. Mehr auf tagesschau.de. extern

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Infoprogramm | 23.07.2018 | 06:20 Uhr

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Infektion

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