Ein Einblick in die Arbeit des Westküstenklinikums in Heide
Auf der Corona-Station ist immer noch viel zu tun, die Pflegekräfte haben aktuell aber nicht mehr ganz so viel Stress wie vor einem Jahr.
Ute Glindemann arbeitet seit 1999 als Krankenschwester am Westküstenklinikum in Heide, seit 20 Jahren leitet sie eine internistische Station. Über ihrer weißen Dienstkleidung trägt sie eine blaue Fleece-Jacke mit der Aufschrift "Corona Fighter". Aus der internistischen Station ist mittlerweile die Corona-Station geworden, und seit zwei Jahren ist da alles irgendwie anders. Seit dem Beginn der Corona-Pandemie müssen sich die Mitarbeiter mit einer bis dahin unbekannten Krankheit und unbekannten Verläufen auseinandersetzen. Die Folge: sehr viel Stress und eine hohe psychische und emotionale Belastung. Trotzdem denkt Ute Glindemann gar nicht daran hinzuschmeißen. "Wir haben unseren Job in der zweiten Welle mit Leidenschaft gemacht, und das machen wir auch jetzt mit Leidenschaft, das ist unsere Aufgabe und das machen wir auch gerne."
Neue Krankheit – und sehr viele Patienten

Vor einem Jahr ging ihr der Job an die Substanz, sagt die Leiterin der Corona-Station. Der Grund: Sie musste damals mit ihrem Team vor allem ungeimpfte Patienten mit schweren Verläufen versorgen. Und dabei mussten sich die Pflegekräfte dauernd und engmaschig um die Patienten kümmern. "Der Zustand eines Patienten konnte sich innerhalb von Minuten verschlechtern, wir durften sie daher nicht aus den Augen lassen." sagt Ute Glindemann. Und genau dieser Druck sei für alle Pflegekräfte in dieser Form neu und schwer aushaltbar gewesen. Einige Patienten seien dann auf die Intensivstation verlegt worden, und einige seien auch verstorben. Außerdem waren die Krankheit und die Verläufe komplett neu für Pfleger und Ärzte. "Wir wussten damals ja gar nicht, was da auf uns zukommt."
Pfleger als Seelsorger und Ängste beim Personal
Ein weiteres Problem: Die Patienten auf der Corona-Station durften - und dürfen - keinen Besuch bekommen. Die Pflegekräfte waren dann erste Ansprechpartner. "Viele Patienten waren sehr lange hier auf Station, und weil sie keiner besuchen durfte, hatten die natürlich ganz viel Gesprächsbedarf." Diese Wochen in der zweiten Welle seien schon sehr kräftezehrend gewesen, so Glindemann. "Es war mit Sicherheit anstrengender und auch viel emotionaler, denn wir hatten ja auch unsere Ängste. Denn immer wieder sind auch Kolleginnen und Kolleginnen ausgefallen, weil sie sich infiziert hatten oder in Quarantäne mussten. Doch jetzt sind auf unserer Station alle Mitarbeiter geboostert, und das gibt uns ja dann auch Sicherheit."
Überstunden und keinen Feierabend
Die zweite Welle war für Ute Glindemann eine große Herausforderung, auch in ihrer Funktion als Stationsleiterin. Die erfahrene Krankenschwester musste regelmäßig Überstunden machen, weil Kollegen ausgefallen sind, immer wieder die Dienstpläne ändern und versuchen, Mitarbeiter aus anderen Abteilungen zu bekommen. "Das war schwierig, weil ich nie wusste, wer am nächsten Morgen zur Arbeit kommt und wer nicht. Und ich bin eigentlich keine, die die Arbeit so im Kopf mit nach Hause nimmt, aber damals war das so. Ich bin auch regelmäßig zuhause angerufen worden, wenn wieder jemand ausgefallen ist." Dazu die Rolle als Führungskraft: "Wir haben sehr viel gesprochen zu der Zeit, und ich musste immer wieder das gesamte Team auffangen, Verständnis zeigen und immer wieder motivieren - das waren schon andere Bedingungen."
Neue Kollegen müssen aushelfen
Die Corona-Station brauchte immer wieder neue Mitarbeiter, und zwar immer dann, wenn die eigentlichen Kollegen ausgefallen waren. Ute Glindemann musste auch die neuen Kräfte anlernen. "Wir hatten dann zum Beispiel frisch examinierte Pflegekräfte hier auf der Station, die gerade ins Berufsleben starten wollten, und dann kamen die hier auf Station. Das war natürlich auch hart für die, weil gerade zu der Zeit regelmäßig hier bei uns auch Patienten verstorben sind."
Aktuell eine andere Lage
Seit Beginn der Pandemie wurden im Westküstenklinikum Heide 600 Corona-Patienten behandelt, davon 504 auf der Corona-Station von Ute Glindemann und 96 auf der Intensiv-Station.
Derzeit werden 20 Patienten auf der Corona-Station betreut, für 30 ist die Station ausgelegt. Für Ute Glindemann und ihr Team bedeutet das immer noch viel Arbeit, aber die Belastung hat sich geändert, sagt Chefarzt Dr. Christian Freyer: "Wir haben jetzt Patienten, die geimpft sind, die haben einen wesentlich milderen Verlauf. Die Impfung, die schützt einfach hoch-effektiv vor den schweren Verläufen, das sehen wir einfach. Vor einem Jahr, wenn die Patienten zu uns kamen aus dem Altenheim - Hochbetagte - , dann konnten sie physisch den Tod in den Krankenzimmern spüren. Und das ist jetzt bei weitem nicht mehr der Fall."
Routine und Therapiemöglichkeiten
Ute Glindemann blickt mittlerweile mit einer Portion Gelassenheit auf das Virus. "Wir haben mittlerweile eine gewisse Routine. Wir haben jetzt ja zwei Jahre Corona und da haben auch wir viel gelernt." Dazu kommt, dass es inzwischen auch Behandlungsmöglichkeiten gibt, ergänzt Chefarzt Dr. Freyer. "Jetzt wissen wir, worum es geht. Wir wissen, wie die Verläufe sein können. Wir haben anti-virale Substanzen, die wir verabreichen können, wenn die Patienten früh kommen. Wir haben die Antikörper-Therapie, die wir regelmäßig einsetzen können. Wir haben jetzt Einiges an der Hand. Und man kann es gar nicht oft genug sagen: Die geimpften Patienten, die sind zwar nicht vor der Infektion geschützt, aber vor den schweren Verläufen, da sind sie effektiv geschützt."
Gut gerüstet für Anstieg der Fallzahlen
Das Westküstenklinikum bereitet sich auf einen möglichen Anstieg der Corona-Patienten vor. Ute Glindemann: "Das kann man ja noch gar nicht einschätzen, wie sich Omikron entwickelt, aber wir sind darauf eingestellt, dass wir hier bis zu 30 Patienten aufnehmen und behandeln können." Chefarzt Dr. Freyer ergänzt: "Wenn es tatsächlich mehr werden, dann können wir diesen Corona-Bereich hier ausdehnen und auch personell mit Pflegekräften und Ärzten von anderen Abteilungen unterstützen." Ute Glindemann hofft, wie ihre Kolleginnen und Kollegen, dass es vielleicht doch nicht ganz so schlimm kommt. "Ich habe immer noch Respekt vor dieser Krankheit, aber ich habe keine Angst mehr."
