Corona-Krise: Die Isolation in Behinderteneinrichtungen

Für die meisten gesunden Menschen ist die Alltags-Umstellung zu Zeiten des Coronavirus immer noch ungewohnt und oft auch mit vielen Anstrengungen verbunden. Für die knapp 9.000 Bewohner in Schleswig-Holsteins Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen ist ein strukturierter Alltag in gewohnter Umgebung jedoch noch wichtiger. Der ist aber aktuell nicht mehr möglich. Das stellt sowohl die Betreuten als auch die Betreuer vor immense Herausforderungen, denn die Probleme sind vielfältig. Da ist zum einen die hohe, zusätzliche psychische Belastung, denn ein Großteil gehört zur Risikogruppe. Zum anderen herrscht - wie auch in Krankenhäusern und Pflegeheimen - ein Mangel an Schutzkleidung, bei deren Beschaffung die Behinderteneinrichtungen meist auf sich allein gestellt sind. Dazu kommt, dass Krankenhäuser, Arztpraxen und Pflegeheime bei der Verteilung der Materialien höher priorisiert sind.
"Die Isolation ist durchaus angsteinflößend"
Eine tröstende Umarmung, der Besuch von Freunden und Verwandten, das Zusammensein untereinander - all das ist in den Einrichtungen zum Schutze der Bewohner momentan nicht mehr oder nur stark eingeschränkt möglich. In den Wohnhäusern der Kieler Stiftung Drachensee beispielsweise leben knapp 200 Menschen mit Behinderung dauerhaft und die Werkstätten bieten mehr als 600 Arbeitsplätze. Doch nun sind die Werkstätten geschlossen, genau wie die Gemeinschaftsräume und die Sammelplätze in den Gärten.

Geschäftsführerin Alexandra Arnold von der Lebenshilfe Schleswig-Holstein betont: "Die Isolation in den Einrichtungen ist durchaus angsteinflößend für die Menschen und erhöht natürlich die Anspannung bei den Bewohnern." Das treffe aber auch auf die Mitarbeiter zu, die sich bemühen, immer wieder zu erklären, was gerade passiert - und Hoffnung sowie eine Aussicht auf Besserung zu geben, so Arnold weiter.
Mitarbeiter bereiten sich auf erste Infektion vor
Die Mitarbeiter der Einrichtungen sind in diesen Tagen damit beschäftigt, sich auf den möglichen Ernstfall einer Corona-Infektion vorzubereiten. Dazu wird versucht, das eigene Notkontingent an Schutzkleidung aufzustocken. Doch wie überall gilt auch hier: Was nicht da ist, kann auch nicht gekauft werden. So sind viele auf Spenden angewiesen oder müssen mit eigenen finanziellen Mitteln überteuerte Materialien kaufen.
Die relativ große Stiftung Drachensee hat die Möglichkeit, einen eigenen Isolationsbereich für den Fall der Fälle zu schaffen, wie Mitarbeiter Frank Bentert sagt. Viele kleinere Einrichtungen im Land hätten das allerdings nicht.
Für eine intensive Behandlung eines Covid-19-Patienten sind Behinderteneinrichtungen nicht ausgerüstet. In ein Krankenhaus können die Bewohner aber auch nicht ohne Weiteres, weil die Kliniken teilweise nicht auf die Behandlung von Menschen mit mehrfacher oder geistiger Behinderung ausgelegt sind.
Das Land und die Kommunen sind um Hilfe bemüht
"Land und Kommunen tun, was sie können. Was aber zu beobachten ist, ist, dass es nicht immer einheitlich läuft", sagt Arnold. Sie wünscht sich eine einheitlichere Vorgehensweise der Gesundheitsämter in den Kreisen, wenn es um Maßgaben für die Einrichtungen, Absprachen oder mögliche Verteilung von Schutzmaterialien vor Ort geht.
Das Land Schleswig-Holstein hat auf seiner Homepage vor wenigen Tagen einen sogenannten Protection-Plan veröffentlicht, der als hilfreiche Richtlinie für die Einrichtungen dienen soll. Außerdem laufen weitere Gespräche, wie zusätzlich geholfen werden kann. Ein großes 20-Millionen-Euro-Hilfspaket hat die "Aktion Mensch" geschnürt, bei dem Einrichtungen Zuschüsse von bis zu 50.000 Euro beantragen können.
