Zeitreise: Als vor 75 Jahren der erste freie Rundfunksender startete

Stand: 29.12.2022 17:34 Uhr

Am 1. Januar 1948 wurde der NWDR von der britischen Besatzungsmacht in deutsche Hände gegeben und nahm sein Programm für die Länder Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen auf. Damit war der NWDR, die Vorgängeranstalt des NDR, der erste freie Rundfunksender in Deutschland. 

von Karl Dahmen

Es waren ehemalige Soldaten, die gerade aus der Kriegsgefangenschaft kamen. Viele waren Schriftsteller und Dichter, die versuchten, sich in dem vom Zweiten Weltkrieg zerstörten Deutschland zurechtzufinden. So auch die Männer, die in Hamburg versuchten, einen neuen Rundfunk zu gründen.

Der Intendant des NWDRs Ernst Schnabel © NDR Foto: NDR
Ernst Schnabel, der erste Intendant des NWDRs von 1951 bis 1955.

Zum Beispiel der damals 32-jährige Ernst Schnabel. Er war bis Mai 1945 Seemann und zuletzt Kommandant eines Minensuchbootes. Er wollte in Hamburg mithelfen, eine neue Art Rundfunk aufzubauen. Das Funkhaus in der Rothenbaumchaussee in Hamburg hatte den Krieg relativ unversehrt überstanden. Hier sollte die Keimzelle eines "freien Rundfunks" entstehen. Später sagte Schnabel in einem Interview, dass die ersten deutschen Rundfunkmacher überhaupt keine Ahnung hatten. Sie wussten nicht einmal, ob man in den Lautsprecher oder in das Mikrophon spricht. Neben ihm versuchten Männer wie Peter von Zahn, Gerd Ruge oder auch Axel Eggebrecht einen Fuß in das Funkhaus zu bekommen, um das Radio als Schule der Demokratie zu entdecken.

Es sollte alles anders werden

Sie wollten es ganz anders machen, als es zuvor beim "Großdeutschen Rundfunk" war - das Einheitsprogramm der Nationalsozialisten zwischen 1939 und 1945. Ohne die Lautsprecher der Radios wäre die Machtübernahme nicht gelungen, meinte Nazi-Chefpropagandist Joseph Goebbels, der um die Macht des Rundfunks wusste. Dieses "Einhämmern einer Meinung" durfte nie wieder geschehen. Da waren sich Ernst Schnabel und die anderen Radiomacher der ersten Stunde einig. Sie begannen als Amateure, die ganz bei Null anfingen. Mit viel gutem Willen und vielen Ideen machten sie ein Programm, das bald von den Menschen vor den Lautsprechern akzeptiert und gemocht wurde. 

Der NWDR wird in deutsche Hände gegeben

Regieraum des NWDR Fernsehstudios auf dem Heiligengeistfeld. © NDR
Der Regieraum des NWDR Fernsehstudios auf dem Heiligengeistfeld in Hamburg.

Am 1. Januar 1948 wurde durch eine Verordnung der britischen Militärregierung der Nordwestdeutsche Rundfunk als Anstalt des öffentlichen Rechts gegründet. Der NWDR sollte ein Rundfunk sein, "in voller Unabhängigkeit von Einflüssen des Staates und parteipolitischen Richtungen". Damit war der NWDR die erste Rundfunkanstalt in der Bundesrepublik, die ohne Kontrolle einer Besatzungsmacht arbeiten und senden konnte.

Beginn des Fernsehens

Logo Tagesschau, 1952 © NDR
Das Logo der Tagesschau, nach Versuchssendungen ab 26.12.1952 dreimal wöchentlich ausgestrahlt.

1950 begann in einem Luftschutzbunker der Betrieb eines NWDR-Fernsehsenders, der ein Versuchsprogramm ausstrahlte. 1952 wurde in Hamburg-Lokstedt der Grundstein für ein eigenes Fernsehgebäude gelegt. Am ersten Weihnachtstag startete dann das Fernsehprogramm, dessen regelmäßiger Höhepunkt die dreimal in der Woche ausgestrahlte Tagesschau war. Zunächst gab es im Sendegebiet der heutigen Fernsehanstalten NDR und WDR lediglich eintausend empfangsbereite Fernsehsender. Doch es war ein Anfang.

Ernst Schnabel war zunächst Dramaturg, von 1951 bis 1955 sogar Intendant des NWDR. Aber der Freigeist und Intellektuelle hatte Schwierigkeiten, sich in dem immer größer werdenden Sender mit Kompromissen und Publikumswünschen abzufinden. Er gab seinen Posten auf, arbeitete frei, wurde dann noch einmal Mitgründer der dritten Fernsehprogramme, bis er sich 1970 zurückzog. Ein Mann, der mithalf, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Norden zu gründen, der bis heute zu den Grundlagen unserer Demokratie zählt.

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Dampflokomotive aus dem 19. Jahrhundert. © dpa - report Foto: Votava

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Dieses Thema im Programm:

NDR Vokalensemble | Schleswig-Holstein Magazin | 01.01.2023 | 19:30 Uhr

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