Wissenschaftler: Maritime Wirtschaft braucht bessere Finanzierungsbedingungen
Reedereien machen inzwischen teilweise wieder Riesengewinne, die Werften in Schleswig-Holstein haben gut zu tun. Die Banken scheuen aber das Risiko und fordern immer mehr Sicherheiten für Kredite.
Eine Studie der Maritime Research Group in Hamburg kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Finanzlage gerade der mittelständischen Unternehmen in der maritimen Wirtschaft deutlich verschlechtert hat. Die Banken scheuen das Risiko und fordern immer mehr Sicherheiten für Kredite. Und das in einer Zeit, in der die Betriebe Millionen von Euros in die grüne Zukunft investieren müssen. Deshalb schlagen die Experten neue Finanzierungswege vor.
Vor wenigen Tagen ist auf der Gebr. Friedrich Werft in Kiel-Friedrichsort eine neue Fräse angeliefert worden. Die wird dringend gebraucht. Denn für alte Schiffe wie die "Stadt Kiel", die derzeit auf der Werft überholt wird, gibt es oft keine Ersatzteile mehr. Dann werden die Originale gescannt, digital berechnet und mit der neuen Fräse nachgebaut. Eine Investition von 400.000 Euro. Doch ein Kredit dafür ist schwer zu bekommen - auch wenn die Auftragsbücher voll sind. "Beim Thema Werft würden die Banken gerne lieber Weglaufen", sagt Geschäftsführerin Katrin Birr: "Ja, das ist eine Kreditklemme. Gerade kleinere Unternehmen haben die Schwierigkeit, an ausreichende Finanzmittel zu kommen, um die Probleme der Zukunft stemmen zu können."
"Maritimer Sektor hat natürlich besondere Risiken"
Katrin Birr will ihre Werft fit machen für die grüne Zukunft. So hat die Gebr. Friedrich Werft eine neue Pier für Schiffe mit Elektromotor bauen lassen. Sie hat fünf Millionen Euro gekostet. Seit 2018 wurden insgesamt neun Millionen Euro auf dem Werftgelände investiert. Doch um die Finanzierung mussten Katrin Birr und ihre 90 Mitarbeiter richtig kämpfen.
Bundesweit sind 450.000 Menschen im maritimen Sektor tätig. Doch beim Geld wird für Reedereien, Werften und Zulieferer die Luft immer dünner. Das zeigt eine Studie der Maritime Finance Research Group, für die 400 Unternehmen im Norden befragt wurden. Norbert Dieckmann aus Hamburg kennt die Ursachen. "Die Banken haben das Problem, dass der maritime Sektor natürlich besondere Risiken hat, die man nicht unbedingt national beeinflussen kann, sondern die international entstehen. Und dazu kommt heute die gewisse Technologie-Unsicherheit. Keiner weiß belastbar, was ist das Antriebssystem der Zukunft in fünf oder in zehn Jahren", sagt der Professor. Und das schreckt die Banken ab.
Schiffsfinanzierung durch Verbriefung
Deshalb haben die Wissenschaftler ein neues Modell entwickelt: Schiffsfinanzierung durch Verbriefung. Damit wollen sie den Banken das Finanzierungsrisiko in einem riskanten Markt abnehmen. Reeder, Werften und Zulieferer beantragen ihre Kredite bei der Bank. Sie stellt das benötigte Geld zur Verfügung. Gleichzeitig gibt sie die Kreditrisiken an eine Zweckgesellschaft ab. Sie wird etwa von Unternehmen, Verbänden und der Kreditanstalt für Wiederaufbau gemeinsam getragen. Auf diese Weise Müssen die Banken die Kredite nicht mit Eigenkapital unterlegen. Die Plattform „verbrieft“ ihre Forderungen und macht daraus neue Wertpapiere, die wiederum an Investoren verkauft werden.
Finanzierungen für mittelständische Betriebe sollen erleichtert werden
Die Maritime Finance Research Group will auf diese Weise mehrere Ziele erreichen, wie Norbert Dieckmann sagt: "Die Plattform soll mittelständischen Betrieben Zugang zu erleichterter Finanzierung verschaffen. Sie soll aber auch helfen, dass Banken Kredite nicht unter eigenem Risiko vergeben müssen. Und sie soll noch eine Möglichkeit sein, für Kapitalmarktanleger ein breiteres Anlagespektrum zu schaffen."
Auch die Gebr. Friedrich Werft sieht in diesem Modell Vorteile. Denn hier sind weitere millionenschwere Investitionen geplant. Für eine Tankstelle für synthetische Kraftstoffe gibt es eine Baugenehmigung, aber die Finanzierung steht noch nicht. Ausgebaut wird auch die computergestützte Fertigung, bei der Bauteile Schicht für Schicht aus pulverförmigen Werkstoffen zusammengesetzt werden. Dafür hofft Geschäftsführerin Katrin Birr auf die Unterstützung der Politik.
Die Experten von der Maritime Research Group wollen jetzt ihre Studie allen Bundestags-Abgeordneten aus dem Norden zuleiten. Sie sagen: Die Politik muss handeln - jetzt.
