Stand: 28.09.2019 06:00 Uhr

Wikingeck Schleswig: Ringen um die Sanierung

von Peer-Axel Kroeske

Er ist ein weithin sichtbares Wahrzeichen Schleswigs - der Wikingturm mit seinen 29 Stockwerken direkt an der Schlei. Die Halbinsel, an dessen Ende er steht, ist aber mit krebserregenden Giftstoffen belastet. Hier standen bis 1952 ein Gaswerk und eine Teerpappenfabrik. Mit dem Bericht zum Zustand der Schlei im Kieler Landtag kommt das Thema wieder auf den Tisch.

Die Zufahrtsstraße zum Wikingturm: links die Bootshalle, dahinter ein Parkplatz und das Hochhaus, rechts ein moderner Häuserblock.  Foto: Peer-Axel Kroeske
Gebaut auf giftigem Erdreich: Vor allem unter dem Parkplatz und der Bootshalle ist das Erdreich belastet.

Ein Parkplatz, ein paar Einzelhäuser, eine Bootshalle und ein Yachthafen - oberflächlich wirkt alles ganz normal rund um den Wikingturm. Doch wenn der Betreiber vom Bootsservice, Björn Hansen, etwas im Wasser rührt, steigen sofort Öl und übelriechende Blasen hoch. Der Leiter der Umweltbehörde im Kreis Schleswig-Flensburg, Thorsten Roos, spricht von einer der größten Altlasten in Schleswig-Holstein, nachdem erste Details eines neuen Gutachtens bekannt geworden sind. "Es ist deutlich schlimmer als erwartet. Das ist tatsächlich ein Cocktail an hochgefährlichen Substanzen." Einige seien krebserregend, andere bei Hautkontakt toxisch, so Roos.

Schadstoffe in der Schlei durch Industrie

Historische Luftaufnahme der Wikingeck-Halbinsel in Schleswig mit dem rundlichen Gaswerk-Tank, einer Fabrik, Häusern und Gärten. © Stadtarchiv Schleswig
Das Gaswerk (hinten) und die Teerpappenfabrik "Erichsen & Menge" (vorne rechts) haben rund 100 Jahre lang die Umwelt belastet.

Die Halbinsel könnte zu Schleswigs besten Lagen gehören. Die frühere Bezeichnung "Alter Garten" zeugt von vergangener Idylle. Mit einer Grütz- und Graupenmühle siedelte sich nach Angaben der privaten, stadthistorischen Internetseite "Virtuelles Klassentreffen" 1751 zum ersten Mal Industrie an. 1856 kam dann das Gaswerk hinzu.

Die Firma "Erichsen & Menge" wurde einst beworben als größte Dachpappen- und Asphaltfabrik in der Provinz. Sie arbeitete bis 1952. Beim Aushub für den Wikingturm in den 1970er-Jahren soll eine Spundwand gerissen sein. In der Folge kam es zu einem Fischsterben. Laut einem älteren Artikel der Schleswiger Nachrichten wurde auch belasteter Schlamm auf den Königswiesen entsorgt.

Aber erst seit den 1980er-Jahren wird über das Thema diskutiert. Auf die Frage, warum nicht längst etwas geschehen ist, sagt Fachbereichsleiter Roos: "Man muss sehen, dass damals das Bewusstsein nicht bestand. Und wir haben uns über mehrere Gutachten erst zu diesen Erkenntnissen herangetastet."

Erdaustausch oder Spundwand

Roos plädiert nun für einen kompletten Erdaustausch. Dieser ist laut Gutachten mit 14 Millionen Euro zwar deutlich teurer als der Bau einer Spundwand für vier Millionen Euro - doch damit wäre das Problem vom Tisch. Würde nur eine Spundwand gebaut, müsste dauerhaft Grundwasser abgepumpt und für 200.000 Euro im Jahr entsorgt werden. Auch der frisch gewählte künftige Bürgermeister von Schleswig Stephan Dose (SPD) favorisiert einen Erdaustausch. Das sei aus seiner Sicht die nachhaltigste Variante. Er betont aber: "Die Stadt kann das nicht alleine finanzieren."

Die Umweltaufsicht des Kreises könnte nach eigenen Angaben zufolge einfach anordnen, den Boden auszutauschen. Doch dann würden voraussichtlich Stadt oder Eigentümer klagen. Die zentrale Frage steht im Raum: Wer bezahlt also wieviel?

Gutachten liegt bald komplett vor

Kleine Boote an den Steganlagen vor dem Wikingturm © NDR Foto: Peer-Axel Kroeske
Laut Umweltbehörde können ständig Giftstoffe ins Wasser gelangen.

Das aktuelle Gutachten soll deshalb auch rechtliche Fragen klären. Voraussichtlich soll es im Oktober vorliegen. Beteiligt sind viele Akteure: Privateigentümer besitzen einzelne Häuser, die Stadt den belasteten Parkplatz, das Land ist im Grundbuch als wasserseitiger Eigentümer eingetragen - allerdings ist die Schlei eine Bundeswasserstraße. Zunächst muss aber klar sein, welche Lösung es wird.

Land will sich noch nicht festlegen

In der Landtagssitzung stand der vom SSW angeforderte Zustandsbericht zur Schlei auf Tagesordnungspunkt 46. Hauptsächlich ging es darin um Überdüngung und Faulschlamm. Das Wikingeck war in der Debatte nur Randthema. Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) sagte NDR Schleswig-Holstein: "Ich denke, es ist sinnvoll, sich gemeinsam die verschiedenen Vorschläge anzuschauen und dann Gespräche darüber zu führen, was leistbar ist und was die ökologisch beste Variante ist." Das Land werde aber nicht die Hauptlast tragen. Der CDU-Abgeordnete Johannes Callsen hat in Schleswig seinen Wahlkreis. Er ergänzte, die Stadt dürfe nicht allein gelassen werden und verwies auf EU-Mittel. Ob solch eine Förderung überhaupt möglich ist, muss sich laut Bericht erst noch zeigen. Die Landesregierung rechnet frühestens mit einer Fertigstellung bis 2024, gleichgültig welche Maßnahme umgesetzt wird.

Umweltbehörde: Keine unmittelbare Gefahr

Während Kreis-Umweltamtsleiter Roos die Dringlichkeit unterstreicht, versucht er gleichzeitig Anwohner und Wassersportler zu beruhigen: "Durch den Verdünnungseffekt sind die Werte im Schleiwasser nahezu nicht nachweisbar. Es gibt keine akute Gefährdung." Vor einiger Zeit hatte allerdings die Umweltbehörde Anwohner sogar schriftlich gewarnt. So sei etwa das Einatmen von Schwebeteilen aus dem Boden beim Rasenmähen zu vermeiden.

Björn Hansen von der Bootshalle begrüßt, dass es jetzt endlich voran gehen soll: "Es ist wie eine Bombe, die man hier unter der Halle hat. Und jetzt ist man froh, dass sich was ändert. Es kann eigentlich nur positiv werden." Er hofft nur, dass er während der Bauarbeiten seinen Betrieb weiter führen kann.

Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 25.09.2019 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Meer und Küste

Umweltschutz

Nachrichten aus Schleswig-Holstein

Blick auf den fast leeren Bus-Bahnhof in Neumünster am frühen Morgen. Nur wenige Leute sind zu sehen. © NDR Foto: Christian Nagel

Privates Busgewerbe in SH: Einigung im Tarifstreit

Warnstreiks wird es erstmal nicht mehr geben. Gewerkschaft und Arbeitgeber haben Entlastungen für die Mitarbeitenden vereinbart. mehr

Videos