Wikingeck-Sanierung: Wieder alles offen
Die Sanierung des verseuchten Schleiufers in Schleswig (Kreis Schleswig-Flensburg) verzögert sich weiter. Der Bund gibt trotz Zusage noch immer keine Gelder frei.
Am Scheilfufer unterhalb des Schleswiger Wikingturms steigen giftige und übel riechende Blasen auf - rund 70 Jahre, nachdem eine Teerpappenfabrik den Betrieb eingestellt hat. "Das macht dann Blubb mit einem kleinen Teppich. Es riecht halt nach Öl, nach Benzin," erzählt Jürgen Pasoff, der Hausmeister für die Hausboote, die am Steg liegen.
Schleiufer: 30 Millionen Euro reichen vermutlich nicht mehr
Das Problem wurde Jahrzehnte lang ignoriert. Seit gut fünf Jahren bemüht sich der Umwelt-Fachleiter Thosten Roos vom Kreis Schleswig-Flensburg mit seinem Team intensiv darum, den Bereich zu sanieren. Sein Plan sieht vor, die gesamte Erde auszutauschen. Zwei Bootshallen und ein Privathaus müssen weichen, mehrere Gärten und Spundwände eines Segelhafens werden abgetragen. Kosten: Mindestens 30 Millionen Euro, vermutlich inzwischen deutlich mehr.
Keine Bestätigung mehr für Zwei-Drittel-Finanzierungszusage des Bundes
Im Oktober 2020 glaubte Umwelt-Fachleiter Roos, den gordischen Knoten bei der Finanzierung durchschlagen zu haben: Der ehemalige Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium Enak Ferlemann (CDU) sagte zu, dass der Bund zwei Drittel der Kosten übernimmt. Der Rest sollte zwischen Land (15 Prozent), Stadt Schleswig (10 Prozent), Kreis (8 Prozent) und Privateigentümern aufgeteilt werden. Doch die Fachjuristen aller Seiten bräuchten einfach Zeit, um den Vertrag auszuhandeln, sagte Ferlemann auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein. Er ist inzwischen einfacher Abgeordneter. Seit der Bundestagswahl führt die FDP das Ministerium. "Wir sind beim 14. Entwurf. Noch immer fehlen die Unterschriften," stellt Roos fest. Und Landrat Buschmann weiß nach eigenen Angaben immer noch nicht, welcher neue Staatssekretär nun zuständig ist. Er würde ihn gerne mal sprechen.
Wikingeck: Bundesverkehrsministerium will Klärung mit dem Land
Als nun die Tagesordnung für den Haushaltsausschuss am Donnerstag (19.5.) bekannt wurde, kam Unruhe auf. Das Wikingeck fehlte in der Liste der zu behandelnden Projekte. Das Bundesverkehrsministerium vermeidet auf NDR Anfrage eine klare Aussage zur Frage, ob die Zwei-Drittel-Finanzierungszusage noch steht. Stattdessen schreibt ein Ministeriumssprecher: "Die komplizierten rechtlichen Verhältnisse müssen mit dem Land aufgearbeitet werden. Wir streben eine einvernehmliche Lösung an, die den Umweltbelangen Rechnung trägt und gleichzeitig langfristig Rechtssicherheit schafft."
Ringen um Detailfragen und das preußische Wasserrecht
Doch genau diese Lösung sei ja längst gefunden, meint Roos. Er bemängelt, dass sich die Bürokratie im Ministerium immer wieder an Details hängen bleibe, anstatt die Sanierung endlich anzugehen. Gleichzeitig bestätigt er, dass die Sachlage kompliziert sei. So gehören dem Bund zwar 42,5 Prozent der Sanierungsfläche, weil er Eigentümer der Wasserstraße Schlei ist. Eventuell gelte aber aber noch das preußische Wasserrecht, das die mittlere Wasserlinie von 1921 als Ufer definiere. Dann sei der Anteil viel größer. Die finanzielle Aufteilung droht nun zu platzen. Das schleswig-holsteinische Umweltministerium teilte auf Anfrage mit, es stehe zu seiner Zusage, aber nur, wenn auch alle anderen Beteiligten daran festhalten.
Verschiebung der Wikingeck-Sanierung birgt Risiken
Die schleswig-holsteinische Bundestagsabgeordneten Bettina Hagedorn (SPD) und Petra Nicolaisen (CDU) drängen nun darauf, dass sich der Haushaltsausschuss zumindest für 2023 mit dem Wikingeck befasst. Ursprünglich sollten die Bagger bereits in diesem Frühjahr rollen. Landrat Buschmann hält es für möglich, dass der Kreis erneut in Vorleistung geht, damit der Zeitplan nicht noch weiter ins Stocken gerät, diesmal mit einem Millionenbetrag für die so genannte Ausführungsplanung. Die Verträge mit den Immobilienbesitzern müssten ein weiteres Mal verlängert werden. Dafür haben die Besitzer anschließend Aussicht auf eine Wertsteigerung ihrer Grundstücke in Top-Lage an der Schlei. Es ist aber nicht klar, ob alle erneut mitziehen.
Neues Ziel: Der "vorgezogene Maßnahmenbeginn"
"Es besteht die Gefahr, dass wir wirklich auf die Stunde Null zurückfallen, weil alles Teil eines sehr komplexen Zeitplans ist. Daran kann keiner ein Interesse haben," mahnt Fachbereichsleiter Roos. Der Kreis Schleswig-Flensburg wolle deshalb nun erreichen, dass der Bund die Vergabe weiterer Aufträge genehmigt, obwohl die Finanzierung noch nicht geklärt ist. "Wenn der Bund mit uns gemeinsam der Meinung ist, ab 2023 soll die Sanierung beginnen können - und das sollte Konsens sein - dann könnte der Bund auch den Schritt gehen und einem vorzeitigen Maßnahmenbeginn zustimmen, dass wir auch in diesem Jahr bereits die entsprechenden Aufträge erteilen können und wissen, dass wir dann auch in 2023 die Mittel vom Bund refinanziert bekommen," sagte Roos am Freitag im Gespräch mit NDR Schleswig-Holstein. Im besten Fall rollen die Bagger dann im kommenden Frühjahr.
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