Seltene Torfmoosart durch Zufall nach Jahrzehnten wiederentdeckt

Stand: 05.03.2023 00:01 Uhr

Seit Jahren werden in Schleswig-Holstein Moore wiedervernässt, da sie als gute C02-Speicher gelten. Durch das Engagement der Stiftung Naturschutz ist im Hartshoper Moor nun eine Moosart aufgetaucht, die als ausgestorben galt.

von Kai Peuckert

Suchend gehen Christian Dolnik und Jutta Walter über eine Hochmoor-Fläche im Hartshoper Moor bei Sophienhamm (Kreis Rendsburg-Eckernförde). Die Augen immer auf den Boden gerichtet. Die beiden Biologen suchen etwas, was in Schleswig-Holstein eigentlich schon als für immer verloren galt. Aber vor ein paar Wochen haben sie es wiederentdeckt. "Es ist wirklich ein kleine Sensation", sagt Dolnik, Biologe bei der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein. Er hat, wie immer, wenn er etwas Besonderes im Moor entdeckt, die Koordinaten notiert und versucht seine Sensation jetzt mithilfe seines Handys wiederzufinden. Aber die Navigations-App bestimmt den Standort nicht genau, hat ein paar Meter Abweichung. Darum müssen er und Jutta Walter jetzt suchen.

Fuchsbraunes Torfmoos durch Zufall entdeckt

Fuchsbraunes Torfmoos auf einem kleinen Hügel im Hartshoper Moor. © NDR Foto: Kai Peuckert
Durch die Vernässung des Hartshoper Moor ist das Fuchsbraune Torfmoos wieder in Schleswig-Holstein entdeckt worden - nach 34 Jahren.

Plötzlich beginnt Dolnik zu lächeln und ruft Walter zu: "Da ist es!" Der Moor- und Pflanzenexperte zeigt auf einen Bult, einen kleinen Hügel aus Moos, der etwa 40 Zentimeter aus der normalen Bodenfläche herauswächst. Er ist auf einer Fläche von etwa einem halben Quadratmeter mit braunem Moos bewachsen. "Das ist das Fuchsbraune Torfmoos. Es wurde in Schleswig-Holstein das letzte Mal vor 34 Jahren gesichtet", erläutert der Biologe. Und das, obwohl die Moosart zuvor mehr als 5.000 Jahre in den waldfreien und nicht entwässerten Hochmooren Torf gebildet hat. Doch zum Ende des 19. Jahrhunderts begann der Mensch das Hartshoper Moor zu entwässern, zum großen Teil wurde es auch landwirtschaftlich genutzt. Dadurch verlor das Fuchsbraune Torfmoos seinen Lebensraum. Nun ist es wieder da - entdeckt durch Zufall bei einer Exkursion und im Labor bestätigt. Fast zwölf Jahre nachdem die Stiftung Naturschutz das Areal gekauft und mit der Wiedervernässung begonnen hat.

Torf bindet CO2

Das Fuchsbraune Moos kommt nur in Hochmooren vor. Seit seinem Verschwinden haben rote Torfmoose seinen Platz eingenommen, erklären die Biologen Dolnik und Walter. Sie hoffen nun, dass sich die braune Variante wieder ausbreitet. Denn das Vorkommen ist ein Indikator, dass das Hochmoor wieder wächst. "Also, dass es feucht genug ist durch die Wiedervernässung, dass diese bunten Torfmoose wieder Torf aufbauen", sagt Dolnik. Die wiederentdeckte Art ist ein echter Überlebenskünstler. Sie lebt nicht nur in sehr nährstoffarmen Gebieten, sie deckt auch ihren Bedarf ausschließlich mit Regenwasser. Denn sie wächst auf anderen Moosarten, hat keinen Kontakt mit dem Boden und somit auch nicht mit dem Grundwasser. "Dieses Torfmoos bildet einen Bult, einen Klein-Bult, der nach oben wächst. Und nach unten stirbt die Biomasse des Torfmooses langsamer ab, bildet Weißtorf. In dieser Biomasse wird das CO2 gebunden", erläutert Dolnik.

Renaturierung seit 2011

Ein aufgeschütteter Torf-Wall im Hartshoper Moor. © Stiftung Naturschutz 2011 Foto: Jutta Walter
Im Hartshoper Moor wurden Entwässerungsgräben zu- und Wälle aufgeschüttet. Dadurch ist das Moor wieder vernässt und es wächst wieder.

2011 hat die Stiftung Naturschutz erste Flächen des Hartshoper Moores übernommen und begonnen, sie zu renaturieren, also wieder zu verwässern. Dafür wurden Entwässerungsgräben, die das Areal unterteilten, mit vorhandenem Torf aufgefüllt und sogar Wälle auf ihnen aufgeschüttet. Dadurch funktionierten auch die Drainagen nicht mehr, berichtet Jutta Walter, die seit Beginn für das inzwischen etwa 260 Hektar große Gelände zuständig ist. Zum anderen entstanden regelrechte - von Wällen umringte - Becken, in denen das Regenwasser stehen bleibt. Die Versorgungswege und die Gräben an ihren Rändern mussten bestehen bleiben, denn sie gehören weiterhin der Gemeinde. Die Stiftungsmitglieder haben die Gräben aufgestaut und geben den Inhalt nun kontrolliert in das weitere Grabengeflecht der Umgebung ab. "Wenn wir den Grabenwasserstand anheben, werden eben auch die angrenzenden Flächen wieder nasser", erläutert die Moor-Expertin. Ziel der Entwässerung, die vor etwa 130 Jahren begann, war es, die Flächen landwirtschaftlich nutzbar zu machen. Torfabbau fand hier nicht so viel statt wie in anderen Mooren.

Hochmoor: Laufen wie auf Wackelpudding

Der Fundort des Fuchsbraunen Torfmooses wundert Walter nicht, denn "diese Flächen sind nie landwirtschaftlich genutzt worden. Die sind vielleicht mal vorbereitet worden. Deswegen wurden sie auch nicht so stark entwässert". Doch wo kommt das verschollene Moos eigentlich her? Dass es aus Skandinavien von Vögeln eingeflogen wurde, hält Dolnik für unwahrscheinlich. "Die Moos-Zellen sind sehr widerstandsfähig", sagt er und vermutet, dass ausgetrocknete Zellen noch auf der Moorwiese waren und durch die Vernässung jetzt quasi wieder aktiv wurden.

Das Hochmoor-Areal überragt die Umgebung. Früher war alles hier so hoch. Dass der Untergrund feucht ist, sieht man nicht, aber man merkt, dass er nicht fest ist, er scheint zu schwimmen. Bei schnellen Bewegungen bekommt man das Gefühl, man laufe auf festem Wackelpudding.

Viele unterschiedliche Moosarten

Auch auf den umliegenden Flächen sieht man Erfolge. Sie liegen deutlich tiefer, ohne Gummistiefeln würden Walter und Dolnik hier mindestens bis zum Knöchel im Wasser stehen. Noch prägen Birken das Bild, aber auf dem Boden sieht man schon verschieden farbige Moosarten, die alle keine Wurzeln haben. "Wir haben Torfmoose, die quasi noch in der Wasserschicht leben, die hier ganz dunkelgrün sind." Dann gibt es Torfmoose, die Wasser wie ein Schwamm aufsaugen können und daher etwas aus dem Wasser herauswachsen können, die sind hellgrün, erläutern die Experten. An einigen Stellen finden sie auch schon rote Moosarten. Diese können, wie die Fuchsbraune, immer weiter in die Höhe wachsen, da sie sich von Regenwasser ernähren. Aufgrund dieses Artenmixes gelten diese Flächen als Übergangsmoore. Bei genügend Niederschlag wachsen sie zu Hochmooren an. Das dauert aber noch lange Zeit, vermutlich Jahrzehnte.

Moos soll Birken verdrängen

Walter hofft, dass der Boden noch feuchter wird, denn das mögen die Birken nicht, die Bäume entziehen dem Moor Wasser. Die ersten Birken sterben bereits jetzt ab. Das könnte beschleunigt werden, wenn der Moosteppich dicker wird und die Bäume weniger Nährstoffe abbekommen. Für Walter und Dolnik ist das Sterben kein Problem, denn die Bäume haben in einem Moor nichts zu suchen. Bereits jetzt speichert das 260-Hektar-Areal nach Angaben der Stiftung Naturschutz 1.870 Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr. Das ist die Menge CO2, die eine Person in Deutschland im Schnitt freisetzt. Steigt durch die Moose der Torfanteil, werden mehr schädliche Gase gespeichert.

Pfahl als Mahnmal

Eine Metallstange steckt in einem Moor. © NDR Foto: Kai Peuckert
Vor etwa 130 Jahren wurde dieser Pfahl ebenerdig in den Moorboden geschlagen. Durch Entwässerung und landwirtschaftliche Nutzung ist das Moor mehr als zwei Meter abgesackt.

Die Stiftung Naturschutz weitet ihr Engagement im Hartshoper Moor aus. Sie hat gerade eine angrenzende Wiese erworben, will wieder Gräben zuschütten, Wälle errichten, alte Moorflächen wiedervernässen. In einer Ecke dieser Wiese steht ein Metallpfahl. Er ragt fast 2,5 Meter in die Höhe. An ihm ist deutlich zu erkennen, welchen Effekt Entwässerung und Verdichtung durch landwirtschaftliche Nutzung auf Moorböden hat.

"Der Pfahl ist vor ungefähr 120, 130 Jahren ebenerdig reingeschlagen worden. Und jetzt ist das Land so tief abgesackt. Das heißt: Oben an der Spitze war früher das Moor", sagt Walter. Durch das Absacken liegen hier viele Abschnitte inzwischen unterhalb des Meeresspiegels. Walter und Dolnik gehen davon aus, dass sich durch die Verwässerung der Torf im Boden vollsaugt wie ein Schwamm, aufquillt und der Boden sich innerhalb weniger Monate um 30-40 Zentimeter anheben wird. Für die ganzen fast 2,5 Meter bis zur Spitze des Pfahls könne es aber noch Tausende Jahre dauern.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 05.03.2023 | 22:04 Uhr

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