Wenn kein Gas durch Nord Stream 1 fließt: Die Folgen für Firmen
Sollte Nord Stream 1 nach den Wartungsarbeiten abgeschaltet bleiben, hätte das schwere Folgen. Der Unternehmensverband-Nord warnt vor Versorgungsengpässen, wirtschaftlichem Abschwung und Arbeitsplatzverlusten. Kurzfristige Lösungen gebe es nicht.
Im ChemCoast Park Brunsbüttel (Kreis Dithmarschen) sind 15 Betriebe der Chemie- und Energiewirtschaft sowie der Logistik angesiedelt und gemeinsam organisiert. Darunter auch das Unternehmen Yara. Dort wird unter anderem AdBlue für Lkw-Diesel hergestellt. Im Moment noch mit Gas.
Um weiterhin wirtschaftlich produzieren zu können, ist der Hersteller auf zuverlässige Gaslieferungen angewiesen. Doch genau die sind aktuell das Problem. Weil nicht klar ist, ob nach den Wartungsarbeiten an der Ostseepipeline Nord Stream 1 aus politischen Gründen gar kein Gas mehr nach Deutschland fließt, ist der Gaspreis für Unternehmen wie Yara gestiegen. Nach Angaben des Sprechers der Werkleiterrunde des ChemCoast Parks, Frank Schnabel, um das Drei- bis Vierfache.
Umstellung auf Öl zeitintensiv und teuer
Vor Jahrzehnten stellte Yara seine Produkte noch mit Öl her. Nun das Dilemma: Entweder darauf pokern, dass weiterhin Gas durch die Ostseepipeline nach Deutschland fließt oder wieder umrüsten auf Ölproduktion. Die Umstellung zurück auf Öl wäre energietechnologisch ein Schritt rückwärts. Die Produktion wäre nach Unternehmensangaben um 40 Prozent weniger effizient. Außerdem gilt heutzutage ein verschärfter Immisionsschutz. Das Unternehmen müsste die Anlagen nachrüsten, um emissionskonforme Abgasreinigungsstufen zu erreichen. Bis die nötigen Bauteile dafür geliefert werden könnten, würde es es nach Unternehmensangaben sechs bis zwölf Monate dauern. Zudem sei es sehr teuer.
Doch der AdBlue-Hersteller habe kaum eine Wahl. Um weiter produzieren zu können, hat Yara nach eigenen Angaben alles für die Umstellung auf Öl in die Wege geleitet. Und das, obwohl dieser Prozess das Unternehmen weiter weg von den ursprünglichen Plänen bringt. "Die Idee ist es hier, grünen Wasserstoff zu produzieren, um einen Großteil unserer fossilen Energien durch grünen Wasserstoff zu ersetzen. Das ist eher ein mittelfristiges Ziel. Da reden wir über einen Zeitraum von vier bis fünf Jahren", erklärt der stellvertretende Werksleiter Sven Kohnke.
Energiespartipps für Unternehmen
Auch wenn die Energiekosten in kleinen Unternehmen bisher kein großer Faktor waren, müssen laut IHK Schleswig-Holstein nun auch sie dazu beitragen, möglichst wenig Strom und Öl zu verbrauchen. "Spätestens mit Beginn der Heizperiode im Herbst/Winter wird es nicht nur auf jede zusätzlich produzierte Kilowattstunde Energie ankommen, auch jede eingesparte Kilowattstunde trägt dazu bei, die Versorgungssicherheit der regionalen Wirtschaft länger zu gewährleisten", sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Björn Ipsen.
Damit kleinere Unternehmen vor allem ab dem Herbst und im Winter auch möglichst energiearm arbeiten können, veröffentlichte das Bundeswirtschaftsministerium gemeinsam mit Wirtschaftsverbänden wie der IHK einen Katalog mit Tipps zum Energiesparen. Er kann laut IHK jederzeit mit weiteren Tipps ergänzt werden. "Manche Tipps mögen banal klingen, aber die vermeintliche Banalität relativiert sich schnell, wenn man hochrechnet, was schon eine Verdopplung der monatlichen Energiekosten für die Kalkulation in den Betrieben bedeuten kann. Schlimmstenfalls geht es nicht nur um Produktionseinschränkungen, sondern um Produktionsstopps", so Ipsen.
Industrie soll nicht gegen Haushalte ausgespielt werden
Vor Produktionsstopps und einer darauffolgenden Rezession warnt auch der Präsident des Unternehmensverbandes Nord, Philipp Murmann. Besonders für energieintensive Unternehmen ist die Existenz laut UV-Nord gefährdet, sollte irgendwann tatsächlich kein Gas mehr vorhanden sein. Dann seien auch Arbeitsplätze in Gefahr. Murmann betont auch, dass eine kurzfristige Umrüstung auf alternative Energiequellen nicht für alle möglich sei. Einige Unternehmen in Schleswig-Holstein würden im Moment zwar ihre Solaranlagen auf den Dächern aufrüsten, um die Stromversorgung weiter abzusichern. Aber auf das Gas seien gerade große Industriebetriebe erst einmal angewiesen.
Wenn es tatsächlich zu einer Gasknappheit kommen sollte, dürfen laut Murmann Industrie und Haushalte von der Politik nicht gegeneinander ausgespielt werden: "Natürlich darf man den Bürger nicht im Kalten sitzen lassen. Das ist ganz klar. Aber es ist ja auch keinem geholfen, wenn wir plötzlich Grundnahrungsmittel oder wesentliche Grundversorgung nicht mehr sicherstellen können. Auch da ist Augenmaß gefordert und ich denke, es ist auch wichtig, dass wir da im Austausch bleiben."
