Eine Kopie des Koalitionsvertrages von CDU und Grünen in Schleswig-Holstein liegt auf einem Tisch. © Frank Molter

So reagieren Opposition und Verbände auf den Koalitionsvertrag

Stand: 23.06.2022 16:55 Uhr

CDU und Grüne haben ihren neuen Koalitionsvertrag vorgestellt. Die Oppositionsparteien reagieren kritisch. Das Echo bei UV Nord, DGB, Bauernverband, Diakonie und "Fridays For Future" fällt differenziert aus.

Die SPD vermisst vor allem eine stärkere soziale Komponente im neuen 244 Seiten starken Koalitionsvertrag. "Das Soziale hat in der neuen Landesregierung keine Priorität", erklärte die Landesvorsitzende Serpil Midyatli und ergänzt: "Weder die von den Grünen im Wahlkampf versprochene Mietpreisbremse noch das Tariftreuegesetz kommen." Auch die Aufteilung der Ressorts findet Midyatli nicht gut. Dahinter stecke eher koalitionäre Machtlogik als fachliches Ermessen. Die SPD-Politikerin kritisierte die Trennung von Landwirtschaft und Umwelt. Und dass Gesundheit jetzt bei der Justiz angesiedelt werden soll, sei "gänzlich absurd".

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FDP: Das ist kein Aufbruch

Ein Aufbruch sehe anders aus, meinte FDP-Fraktionschef Christopher Vogt. Dieser "grünen GroKo" wohne kein Zauber inne. Laut Vogt sei vieles vage und ambitionslos. Die zusätzlichen Spitzenposten empfindet er als überflüssig und dreist. Und genau wie auch die SPD kann die FDP nicht verstehen, warum das Gesundheitsressort nun zum Justizministerium gehört. Ein weiterer Kritikpunkt von Vogt: Bei Bauen und Wohnen gebe es mehr Bürokratie.

Opposition beantragt Aktuelle Stunde

Inzwischen hat die Opposition - also SPD, FDP und SSW - zur Sitzung in der kommenden Woche eine Aktuelle Stunde zur Regierungsbildung und zu den Auswirkungen des Koalitionsvertrags beantragt. Die Fraktionen begründeten das mit dem Ausbleiben einer Regierungserklärung vom Ministerpräsident Daniel Günther. Eine solche war zunächst für kommenden Donnerstag angekündigt, soll nun aber erst nach der Sommerpause gehalten werden. "Es entspricht nicht unserem Verständnis von Demokratie und der Verantwortung gegenüber den Wählerinnen und Wählern, in Zeiten wie diesen einen Koalitionsvertrag vorzulegen und diesen dann nicht zu erläutern", sagte SPD-Fraktionschef Thomas Losse-Müller. Das Programm der neuen Landesregierung müsse im Parlament besprochen werden. Das Land dürfe erwarten, dass die Regierung erkläre, wie sie mit den Herausforderungen dieser Zeit umgehen wolle.

"Der sehr umfangreiche Koalitionsvertrag wirft viele Fragen auf", sagte FDP-Fraktionschef Christopher Vogt. "Der Ministerpräsident muss der Öffentlichkeit seine zukünftige Regierungspolitik noch vor der Sommerpause im Parlament erläutern und sich auch der Debatte stellen." Da Günther ungewöhnlicherweise keine Regierungserklärung angemeldet habe, könne er dies nun in einer Aktuellen Stunde tun. Gleiche Äußerungen kommen vom SSW: "Wer über das Schicksal von fast drei Millionen Menschen entscheiden will, sollte auch den Schneid haben, den Bürgerinnen und Bürgern reinen Wein einzuschenken", so der SSW-Fraktionsvorsitzende Lars Harms.

Bauernverband kritisiert Trennung der Ressorts

Der Bauernverband teilte mit, dass er mit den meisten Aussagen zu den Themen Landwirtschaft und Umwelt gut leben könne. Die Trennung der Ressorts sieht Verbandspräsident Werner Schwarz aber skeptisch. Hier gebe es viele Berührungsflächen von Landwirtschaft, Naturschutz und Gewässerschutz und es habe sich bewährt, dass die Maßnahmen dazu bisher in einem Haus abgewogen und entschieden wurden. So sei es eher möglich, Projekte auch zu realisieren. Der Prozess würde nun aufwändiger werden, kritisierte der Bauernverband.

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NABU enttäuscht vom Koalitionsvertrag

Auch der Naturschutzverband NABU kritisiert die Trennung von Landwirtschaft und Umwelt und zeigt sich tief enttäuscht vom Koalitionsvertrag: "Die ministerielle Trennung von Landwirtschaft und Umwelt ist rückwärtsgewandt und stürzt das Land im Naturschutz weiter in die Krise", hieß es. Die Folge sei ein drastischer Rückschritt für die Umsetzung von Naturschutzzielen und für eine fortschrittliche Agrarpolitik. Nun müsse Ministerpräsident Günther zumindest einen fortschrittszugewandten und naturschutzoffenen Ressortchef benennen. Von einem naturverträglichen Ausbau der erneuerbaren Energien sei im Koalitionsvertrag fast nichts zu erkennen. Der NABU rügte mit harscher Kritik an den Grünen auch die Aussagen zum Weiterbau der A20 auf der geplanten Trasse.

Kritik und Lob vom UV Nord

Auch Philipp Murmann, Präsident des Unternehmensverbandes Nord, bedauert die Trennung der Ressorts. "Wir gehen aber durch eine jeweils kompetente Besetzung an der Spitze davon aus, dass hier kooperativ Hand in Hand gearbeitet wird." Lob gab es dagegen für die Anstrengungen, das Land klimaneutral aufzustellen. Auch die Ankündigung, bei Digitalisierung, Innovation und Technologietransfer eine Schippe zuzulegen, begrüßte der UV Nord.

DGB hofft auf Ende des Lohndumpings

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Nord begrüßte, dass sich die schwarz-grüne Koalition für eine stärkere Tarifbindung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge einsetzen will. "Wir nehmen Schwarz-Grün beim Wort", sagte die Vorsitzende Laura Pooth. "Das Lohndumping bei öffentlichen Aufträgen muss endlich ein Ende haben. Die Menschen haben faire Löhne, kürzere Arbeitszeiten und bessere Arbeitsbedingungen verdient."

Diakonie unterstützt Pläne zu Wohnungsbau

Die Diakonie Schleswig-Holstein hat sich positiv zum Koalitionsvertrag geäußert. Die Ankündigung, 15.000 neue Wohnungen pro Jahr schaffen zu wollen, sei ambitioniert, aber notwendig. "Hier fordern wir, dass bei der Planung und Vergabe noch stärker benachteiligte Menschen berücksichtigt werden, zum Beispiel Menschen mit Behinderung, Wohnungslose und Alleinerziehende", sagte Landespastor und Diakonie-Vorstand Heiko Naß. Die Diakonie begrüßte außerdem die Pläne, zusätzliche Fachkräfte in den Erziehendenberufen zu gewinnen. Nachgesteuert werden müsse hier bei der Kinder- und Jugendhilfe.

"Fridays for Future": Klimaziele reichen nicht aus

Auch die Organisation "Fridays For Future" hat bereits auf den Koalitionsvertrag der schwarz-grünen Regierung reagiert. "Die festgelegten Ziele - wie Klimaneutralität erst im Jahr 2040 - sind bei weitem nicht ausreichend, um unseren Beitrag zur Einhaltung der 1,5 Grad-Grenze zu leisten", sagte Gunde Kaiser von FFF Kiel. "Doch selbst für diese unzureichenden Ziele reichen die im Koalitionsvertrag verankerten Maßnahmen nicht." Die Solardachpflicht im Bestand und die Bereitstellung von drei Prozent der Landesfläche für Windkraft seien zwei entscheidende Maßnahmen für die notwendige Energiewende. Beides sei im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen, bedauerte die Organisation.

Gemischte Reaktionen bei Wohnungsverbänden

Vom Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen hieß es, der Koalitionsvertrag habe Licht- und Schattenseiten. Auch vom Eigentümerverband Haus & Grund kamen Kritik und Zustimmung, ebenso vom Flüchtlingsrat. Die Handwerkskammer und der Verband evangelischer Kitas reagierten überwiegend positiv.

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Karin Prien (l-r, CDU), Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Monika Heinold (Bündnis 90/Die Grünen), Finanzministerin von Schleswig-Holstein, und Aminata Touré (Bündnis 90/Die Grünen) unterschreiben den Koalitionsvertrag. © dpa-Bildfunk Foto: Frank Molter

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 23.06.2022 | 13:00 Uhr

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