Schwarz-grüner Koalitionsvertrag: IfW sieht noch viele Fragen offen
Der neue Koalitionsvertrag ist gerade unterzeichnet, da gibt es erste Fragezeichen, was von dem Programm der neuen Regierung umsetzbar ist und was nicht. Denn die wirtschaftliche Entwicklung ist so unsicher wie nie zuvor.
Und damit verbunden ist die Frage, wie viel Geld die neue Landesregierung eigentlich zur Verfügung haben wird. "Einmal um die Welt…" der Schlager von Mary Roos wummert bis ins Institut für Weltwirtschaft (IfW) an der Kiellinie. Im dritten Stock zieht der Professor für Konjunktur und Wachstum, Jens Boysen-Hogrefe, leicht genervt die Augenbrauen hoch. Es ist halt Kieler Woche. Ernsthaft Stirnrunzeln bereitet ihm dagegen die Konjunktur. "Im Moment ist die Entwicklung eigentlich kaum vorherzusehen," meint der Wirtschaftswissenschaftler. "Es gibt einfach zu viele Unsicherheiten."
Risikofaktoren für die Wirtschaft
Da ist zum einen die ausklingende Pandemie. "Es gibt viel Nachholbedarf. Die Leute wollen wieder Geld ausgeben, in Urlaub fahren. Das kommt auch Schleswig-Holstein zugute." Dann aber sorgt der Krieg in der Ukraine und der Konflikt mit Russland für massiv steigende Energiepreise. "Das facht die Inflation an und bremst die wirtschaftliche Entwicklung," so Boysen-Hogrefe.
Jeder Zinsschritt macht Schleswig-Holstein ärmer
Um die Inflation in den Griff zu bekommen hat die Europäische Zentralbank angekündigt, die Leitzinsen zu erhöhen, zunächst um 0,25 Prozent, aber Boysen-Hogrefe rechnet noch mit weiteren Zinsschritten. "Die Rechnung ist einfach: Schleswig-Holstein hat mehr als 30 Milliarden Euro Schulden. Eine Zinserhöhung um ein Prozent würde für das Land 300 Millionen Euro bedeuten." Zwar hat das Land die Niedrigzinsphase genutzt, um einen Teil der Schulden über langfristige Kredite aufzunehmen, aber der Effekt wird sich bemerkbar machen. "Die aktuelle Zinspolitik trifft vor allem hoch verschuldete Länder. Und das ist Schleswig-Holstein." Der Handlungsspielraum der Politik werde so noch kleiner.
Drohende Stagflation
Und noch etwas macht es der neuen Landesregierung sehr schwer zu wirtschaften. Die drohende Stagflation. Also eine sehr ungute Mischung aus einer ausgebremsten, stagnierenden Wirtschaft bei anhaltend hoher Inflation. Noch nie, sagt Jens Boysen Hogrefe, habe es derart viele Unsicherheitsfaktoren für die wirtschaftliche Entwicklung gegeben. "Deswegen bleibt der neuen Landesregierung nichts weiter übrig, als viele ihrer Pläne unter Finanzierungsvorbehalt zu stellen." Ein wenig Feierlaune gehört ja auch zum Start einer Regierung immer dazu. Aber die wird bald vorbei sein, prognostiziert der Kieler Wirtschaftsforscher. So, wie die Kieler Woche.