Schuldnerberatungen in SH kommen an ihre Grenzen
Krieg, Energiekrise, Inflation - alles wird teurer. Für viele Menschen bedeutet das finanzielle Engpässe. Das merken die Schuldnerberatungen im Land. Immer mehr Ratsuchende kommen aus der Mittelschicht.
800 Euro Abschlagszahlung für Gas. Jeden Monat. Vorher waren es 60 Euro. Ein Extrembeispiel, sagt Michael Grossnick, Leiter des Schulden- und Insolvenzberatungszentrum (SIZ) in Kiel - aber es gibt Ratsuchende, die mit genau solchen Briefen zu ihm kommen. Gaskunden, die sehr günstige Verträge mit Sonderkonditionen hatten, werden plötzlich von ihren Anbietern sehr weit hochgestuft, sagt der Schuldnerberater. Bei vielen seien es nur verdoppelte oder verdreifachte Abschläge, auch das kann zu Zahlungsschwierigkeiten führen.
Termine sind nach wenigen Minuten weg
Elf Berater sind sie in Kiel. Schon vor der Energiekrise hatten sie gut zu tun. Jetzt kommen sie an ihre Belastungsgrenze. Es fehle an Personal. Die Profis merken, dass immer mehr Menschen Beratung brauchen. Am Montagmorgen vergeben sie ihre Termine am Telefon, die sind nach wenigen Minuten weg. "Die Akutfälle, die werden jetzt zunehmen. Auch Menschen, die vorher mit Schulden überhaupt nichts zu tun hatten, die bisher mit ihrem Geld vielleicht auch knapp aber gut hinkamen, die werden jetzt unser Klientel. Weil die jetzt mit den horrenden Abschlagszahlungen einfach nicht zurechtkommen", meint Grossnick. Es treffe nicht nur Geringverdiener, sondern auch die Mittelschicht.
Nachfrage besonders in Großstädten hoch
Das Beratungszentrum wird von der Diakonie Schleswig-Holstein getragen, so wie die 18 anderen Zentren im Land. Überall bemerkt die Diakonie einen höheren Beratungsbedarf, sagt Sprecher Friedrich Keller. Insbesondere in den großen Städten wie Kiel, Flensburg und Lübeck ist das der Fall. Das liege daran, dass dort besonders viele Menschen mit niedrigem Einkommen leben, zum Beispiel Studierende, Rentner, prekär Beschäftigte, erklärt Keller. Denen helfe auch die einmalig gezahlte Energiepreispauschale von 300 Euro nicht, kritisiert er, auch wenn die die Diakonie das dritte Entlastungspaket der Bundesregierung grundsätzlich begrüßt. Die Hilfen müssten laut Keller stetig und zielgerichtet sein, also auf Menschen zugeschnitten sein, die wirklich Hilfe brauchen. Und er fordert zusätzliche finanzielle Mittel für die Schuldnerberatungen im Land, damit mehr Berater eingestellt werden können.
Möglichst sofort zur Schuldnerberatung
Wer Hilfe braucht, sollte sich so schnell wie möglich an eine Schuldenberatungsstelle wenden, betont Michael Grossnick. Manche Hilfsangebote greifen nur in dem selben Monat, aus dem auch eine Rechnung sei. Aber auch davon abgesehen ist es besser, früh einen Überblick über die finanziellen Verhältnisse zu erlangen und Sparpotenziale offen zu legen.
Grossnick rechnet damit, dass die Schuldnerberatungen in Zukunft noch mehr Anfragen bekommen werden. Im Moment laufe die Welle derjenigen, die hohe Gasabschlagsforderungen zugeschickt bekommen. Als nächstes kommen höhere Monatszahlungen beim Strom. Beides kann richtig teuer werden. Schlimmstenfalls stellen Energieversorger Gas und Strom ab, wenn die Rechnungen nicht mehr gezahlt werden. Und dann sitzen Betroffene sprichwörtlich im Dunkeln.