Russische Lkw-Fahrer werden wegen Ukraine-Angriff angefeindet
Auch am Kieler Ostuferhafen sind die Folgen des Krieges mitten in Europa spürbar. Und das ganz persönlich: Lkw-Fahrer und -Fahrerinnen, die mit russischen Lastwagen unterwegs sind, spüren einen deutlichen Hass gegen sie.
Seit einem Jahr fährt sie für eine russische Spedition: Elena, 35 Jahre alt, aus Belarus. Seit eineinhalb Tagen ist sie unterwegs - von Dänemark nach Belgien. Sie bekommt dort am Donnerstag neue Ware. Nun macht sie einen Zwischenstopp im Kieler Ostuferhafen. Dafür, dass Russland in die Ukraine einmarschiert ist, hat sie kein Verständnis. Aber sie ist mit russischem Kennzeichen unterwegs. Deshalb fährt bei ihr seit Ende vergangener Woche immer die Angst mit, sagt sie und erzählt von ihrem Erlebnis am dänisch-deutschen Grenzübergang: "Und da stehe ich mit meinem russischen Gespann. Und da kommt jemand zu mir und sagt: An Deiner Stelle würde ich hier wegfahren, sonst kann es Probleme geben. Am Ende der Schlange standen ukrainische Autos. Dabei sind doch alle gleich: Wir sind alle Lkw-Fahrer und wir sind alle Geiseln dieser Situation." Elena - selbst Weißrussin - stellt klar: "Ich mache mir um alle Sorgen - um ukrainische und russische Menschen. Aber was können wir jetzt machen? Das ist furchtbar. Ich habe große Angst."
"Man hat ständig Angst"
Karen und Leonid aus Belarus warten im Ostuferhafen auf die Verladung nach Klaipeda in Litauen. Über Litauen transportieren sie Möbel und Handtücher durch Belarus nach Moskau. Auch sie haben russische Kennzeichen an den Zugmaschinen, wollen beim Interview lieber nicht mit ihren Gesichtern zu sehen sein. Karen erzählt von seinen Begegnungen mit ukrainischen Kollegen in Deutschland, die versucht hätten, sie von den Parkplätzen zu vertreiben, sagt er. "Die Stimmung ist schlecht. Man hat ständig Angst. Viele zeigen uns den Mittelfinger, weil sie sehen, dass wir Russen sind." Und auch Leonid kann das alles nicht mehr fassen: "Wir sind einfache Arbeiter. Wir werfen keine Bomben ab und haben damit auch nichts zu tun. Nach unserer Meinung hat uns weder Putin noch Lukaschenko gefragt."
Lkw-Fahrer fürchten zu stranden
Es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis russische, belarussische und ukrainische Lkw-Fahrer stranden, fürchten hier viele - weil sie nicht mehr in ihre Heimat zurückkommen. Die Lage sei bereits jetzt schwierig, erzählen die Fahrer. Gehälter würden durch Sanktionen sinken, Aufträge für alle wegfallen. Elena sitzt hoch oben in ihrem Führerhaus und zuckt ratlos mit den Schultern: "Egal wie die Situation ist: Wir sind alle Menschen. Wir müssen alle - wie früher - Freunde bleiben - und nicht aufeinander losgehen auf den Straßen. Wir machen doch alle denselben Job."
Weder Elena noch Karen und Leonid wollen den Krieg. Sie hoffen, dass sie bald wieder friedlich auch mit ukrainischen Kollegen auf den Straßen Europas unterwegs sind.
