Pflanzenkohle: Wertvoller Stoff gegen die Erderwärmung
Der Planet heizt sich immer weiter auf, weil die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre zu hoch ist. Um gegenzusteuern, könnte eine neue Technologie wegweisend sein - in Borgstedt wird sie genutzt.

In zwei aufeinander gestapelten 40-Fuß-Containern auf dem Hof der Abfallwirtschaft Rendsburg-Eckernförde (Abfall-Wertstoff-Ressource, AWR) in Borgstedt steht sie. Eine Pyrolyse-Anlage, die hilft, weniger Treibhausgase in die Atmosphäre freizusetzen. "Hier steckt riesiges Potenzial", schwärmt Ralph Hohenschurz-Schmidt, "da könnte man eine ganze Stunde erzählen, und es wäre noch längst nicht alles erzählt, was in Zukunft denkbar und hoffentlich auch machbar ist." Der studierte Biologe ist Geschäftsführer der AWR - und das Ding, das er sich auf den Hof geholt hat, könnte ein wichtiger Baustein in der Klimakrise werden.
Traditionelle Methode gewinnt an Bedeutung

Die neue Technologie beruht auf dem jahrhundertealten Prinzip der Verkohlung. "So wie die klassische Holzkohle vom Grill in Kohlemeilern entsteht, ist nichts anders als Pyrolyse", erklärt der Fachmann. Technisch gesprochen: Unter Ausschluss von Sauerstoff wird Biomasse - Grünschnitt etwa - auf sehr hohe Temperaturen erhitzt. Dadurch wird ein Teil des Kohlenstoffs gebunden und nicht etwa wie bei der Verbrennung in die Atmosphäre geblasen. Es entsteht Pflanzenkohle. Wird Kohlenstoff in dieser Form fixiert, kann er beispielsweise unterirdisch deponiert werden - als sogenannte Kohlenstoffsenke - und belastet nicht mehr die Atmosphäre.
Eine wichtige Balance bestmöglich wiederherstellen
Grundsätzlich ist Kohlenstoff nicht an sich schlecht. Er ist die Basis allen natürlichen Materials und wichtiger Teil eines Kreislaufs auf dem Planeten: Wenn Wälder sterben, steigt CO2 in die Atmosphäre, wird aber an anderer Stelle etwa von Pflanzen, Mooren oder dem Meer wieder gebunden. Dieses System war in Balance bis zum Zeitalter der Industrialisierung. Dann wuchs der Bedarf an Energie und der Mensch verbrannte fossile Kraftstoffe wie Braunkohle oder Erdgas - und setzte eine viel größere Menge an CO2 in die Luft, als der Planet neutralisieren könnte. Der natürliche Kreislauf geriet aus dem Gleichgewicht - und das heißt es, so gut es geht wiederherzustellen, um die Erderwärmung einzugrenzen.
Beispiel im Kleinen, wie es im Großen laufen könnte
Auf dem Hof der AWR in Borgstedt wird auch an der Balance gearbeitet, in kleinem Rahmen. "Wir versuchen, die Stoffe, die uns als Abfälle angeboten werden, in bestmöglicher Weise wieder zu verwerten, die Stoffkreisläufe zu schließen", sagt Hohenschurz-Schmidt - und da kommt die Pyrolyseanlage ins Spiel: Alles, was in die Biotonne geworfen wird, wird auf dem Abfallwirtschaftshof kompostiert oder vergärt - und wenn da größere Dinge wie Äste dabei sind, die sich nicht schnell genug zersetzen, kommen sie jetzt statt in die Verbrennung in die Pyrolyse.
Die Pflanzenkohle, die rauskommt, soll direkt vor Ort genutzt werden - als Filter gegen die Gerüche aus der Kompostierungs- und der Vergärungsanlage. Dazu beginnen in Kürze laut Hohenschurz-Schmidt begleitende wissenschaftliche Versuche mit der Uni Hannover. Die Perspektive, dass es umgesetzt werden kann, sei aber gut. Dass die Pyrolyseanlage auf dem Borgstedter Hof aufgestellt wurde, war Hohenschurz-Schmidts Idee. Als großer Anhänger des Prinzips der Verkohlung stieß er auf Carbo-Force, ein Unternehmen aus Preetz (Kreis Plön), das die neuartigen Pyrolyseanlagen herstellt.
Anlage könnte rund um die Uhr Pflanzenkohle produzieren

Margit Paustian von Carbo-Force erklärt, wie die Pyrolyseanlage funktioniert: Biomasse, kommt über ein Förderband in ein querliegendes Rohr mit etwa anderthalb Metern Durchmesser, in dem die Verkohlung stattfindet. "Wir erreichen hier Temperaturen bis zu 800, 900 Grad", sagt die promovierte Agrar-Ökonomin. Aus 240 Kilogramm trockener Holzhackschnitzel werden ihren Angaben nach etwa 65 bis 70 Kilogramm Pflanzenkohle. Eine Tonne davon könne je nach Ausgangsmaterial etwa 3,6 Tonnen CO2 binden. "Eine Technologie, die Negativ-Emissionen hat", sagt Hohenschurz-Schmidt.
Damit diese thermische Umwandlung, die Karbonisierung, startet, brauche es nur Energie zum Anfeuern - dann laufe sie von selbst und produziere darüber hinaus Abwärme. "Die Anlage ist dafür ausgelegt, 24/7 laufen zu können - in der Regel muss sie nur für Wartungen ausgeschaltet werden", erklärt Paustian. Durch die modulare Bauweise in Containern könne die Anlage variabel gebaut und dezentral aufgestellt werden - zum Beispiel auf Bauernhöfen.
Vielfältig einsetzbarer Wertstoff

Für den Biologen ist das ein perfekter Kreislauf, wie er sagt. Die Pflanzenkohle könne vielfältig eingesetzt werden, zum Beispiel statt Sand im Beton, als Raumfilter in Wandfarbe, im Garten- und Landschaftsbau, um den Boden aufzuwerten oder um Gülle aufzubereiten. Ein spannender Aspekt für Schleswig-Holstein mit seiner Landwirtschaft. "Nicht behandelte Gülle, die ausgebracht wird, setzt Nährstoffe in die Atmosphäre frei", sagt Hohenschurz-Schmidt und meint Ammoniak und Lachgas - beides Stickstoffverbindungen. Pflanzenkohle kann diese klimaschädliche Gase binden, sagt der Biologe. "Mit dem Pflanzenkohle-Einsatz in diesem Fall könnte man etwas für für den Naturschutz tun."
Die neue Technologie ist noch teuer
Ein Haken ist aber der Preis. Eine Anlage, wie sie in Borgstedt steht, kostet 825.000 Euro - eine Tonne Pflanzenkohle, würde man sie als Produkt kaufen, kommt je nach Qualität auf 300 bis 800 Euro. Das sind große Posten.
Zum Thema Wirtschaftlichkeit gibt es mittlerweile viel Forschung, zum Beispiel an der FH Kiel am Agrarstandort in Österrönfeld (Kreis Rendsburg-Eckernförde). Margit Paustian vermutet, dass der Preis sinkt, sobald mehr Angebot auf dem Markt ist. Hohenschurz-Schmidt bringt noch einen anderen Aspekt mit ein: Um die Pflanzenkohle beispielsweise für Landwirte erschwinglich zu machen, braucht es seiner Meinung nach Subventionen vom Land.
Es braucht eine Gesetzesänderung
Ein weiteres Hemmnis ist die Gesetzeslage: In Deutschland darf nur Pflanzenkohle, die aus Holz gewonnen wurde, landwirtschaftlich genutzt werden. "Die Gesetze hinken den technischen Entwicklungen meilenweit hinterher", urteilt Hohenschurz-Schmidt. Seiner Meinung nach sollten alle Abfall- und Reststoffe darauf überprüft werden, wie gut sie Kohlenstoff binden - Klärschlamm zum Beispiel. Das sei ein Auftrag für die neue Bundesregierung und kommendes Jahr auch für die neue Landesregierung in Schleswig-Holstein: "Hier mal die Augen aufzumachen und zu gucken, was in Sachen Klima und in der Folge auch in Sachen Artenschutz heute schon möglich ist."
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