Nahverkehr in Schleswig-Holstein: Hoffen auf den Bahn-Anschluss
Viele Gemeinden in Schleswig-Holstein sind nur spärlich per Bus an den öffentlichen Nahverkehr angebunden, wie eine Fahrplan-Analyse des NDR ergab. Für einige könnte sich das in ein paar Jahren ändern: Die Verkehrsplaner des Landes denken über Dutzende neue Bahnhöfe nach.
Wer sich nur am Mittag an der Dorfstraße von Alt Duvenstedt (Kreis Rendsburg-Eckernförde) aufhält, wird so schnell nicht glauben, dass dieses Dorf ein Problem mit dem Nahverkehr hat. Drei Busse fahren zwischen 13 und 14 Uhr kurz nacheinander durch das Dorf, halten an dem Backstein-Bushäuschen am Schwarzen Weg, neben dem ein überdachter Fahrradständer steht. Das wäre kein schlechter Schnitt für eine Gemeinde mit knapp 1.900 Einwohner. Doch diese Stunde ist eine Ausnahme. Vor allem abends ist die Gemeinde abgehängt, auch wenn mittlerweile zwei Buslinien die Haltestellen ansteuern. In die Kreisstadt Rendsburg fährt der letzte Bus um 17.47 Uhr ab, ins etwas näher gelegene Owschlag um 18.29 Uhr. Der Rest des Tages ist eine einzige Taktlücke.
Tagsüber sei die Anbindung Richtung Rendsburg gut, findet Alt Duvenstedts Bürgermeister Peter Orda (SPD), er ergänzt aber: "Abends ist es sehr, sehr schlecht." Um 17.55 Uhr fährt der letzte Bus aus der Kreisstadt Rendsburg in die Gemeinde. Schlimmer findet er es noch am Wochenende. Der letzte Bus fahre um 21.13 Uhr ab. "Wer ins Kino gehen will und nicht in die Kindervorstellung, der muss Auto oder Taxi fahren", sagt Orda. Er wünscht sich "Nachsteuerung".
Bürgermeister: "Ein Bahnhalt wäre für uns traumhaft"
Die Nachbesserung könnte langfristig auf einem Weg geschehen, den die Offiziellen im Dorf schon abgeschrieben hatten: per Bahn. Denn im Landesnahverkehrsplan, den der Landtag im vergangenen Dezember verabschiedete, ist Alt Duvenstedt als möglicher neuer Bahnhalt erwähnt - frühestens ab 2027. Bürgermeister Orda freut sich über diese Planspiele: "Das wäre für uns, für die Gemeinde, traumhaft", sagt er. Er ist sich sicher, dass "dann mit Sicherheit mehr Leute ihr Auto stehen lassen würden".
Die Euphorie des Bürgermeisters hängt auch mit der Bahngeschichte der Gemeinde zusammen: Bis 1988 gab es dort laut Dorfchronik einen Bahnhof, jetzt sind nur die Bahnhofstraße übrig und Reste des Bahnsteigs in Richtung Norden. An dem hat seit fast 35 Jahren kein Zug mehr gehalten. Doch auf den Gleisen ist weiter etwas los: Zwei Linien führen durch das Dorf - Kiel-Husum und Flensburg-Hamburg, im Stundentakt in beide Richtungen. Das Dorf habe sich immer wieder darum bemüht, in den Fahrplan aufgenommen zu werden, erzählt Orda. Als Bedarfshalt etwa. Doch die Bahn habe abgewunken - zu viel Frequenz auf der Strecke, keine Zeit für noch einen Halt.
Akku-Züge machen zusätzlichen Halt möglich
Die Argumentation stimmt, sagt Planer Torsten Weppler von NAH.SH, dem Verkehrsverbund, der auch den Schienenverkehr im Land organisiert. Geplant ist, dass in zwei Jahren auf der Strecke Husum-Kiel neue Akku-Züge fahren sollen. Die beschleunigen stärker und können schneller fahren, so gewinne man die Fahrzeit, die man für einen Halt in Alt Duvenstedt brauche. Einfach so einen zusätzlichen Halt einzuplanen, sei schwierig. Laut Weppler kann das Anschlüsse gefährden und bringt schnell den ganzen Fahrplan durcheinander - besonders dort, wo die Strecken eingleisig sind und Züge an den wenigen mehrgleisigen Stellen exakt abgestimmt aufeinander warten müssen.
68 neue Halte im Landesverkehrsplan
Doch ob Alt Duvenstedt tatsächlich wieder einen Bahnhalt bekommt, ist noch offen. Die im Landesnahverkehrsplan genannten neuen Haltepunkte seien "grundsätzlich mit den langfristigen Fahrplanszenarien vereinbar und sinnvoll", schreibt NAH.SH-Sprecherin Eva Fischer. Das heißt aber auch: Die Haltestellen sind noch nicht genauer geplant. Und: Politisch beschlossen wurde auch noch nichts. In dem Stadium wie der angedachte Bahnhalt Alt Duvenstedt sind auch Dutzende andere: Die Verkehrsplaner finden viel mehr Halte in Flensburg, Kiel und Lübeck und Umgebung sinnvoll, genauso die Reaktivierung der Bahnstrecken Bergedorf-Geesthacht, Neumünster-Ascheberg, Niebüll-Flensburg und Tornesch-Uetersen. Insgesamt stehen 68 neue Halte im Landesverkehrsplan, die ab 2027 umgesetzt werden könnten.
20 neue Bahnstationen sind fest eingeplant bis 2026
Deutlich konkreter sind die Pläne für etwa 20 Bahnstationen, die bis 2026 entstehen sollen und laut dem Plan finanziert sind: Fünf liegen an der neuen Strecke Kiel-Schönberg, in Rendsburg sollen vier neue Stationen entstehen, zwei neue Halte sind in Preetz fest geplant, einer am Ostseepark in Schwentinental, in Lübeck-Moisling, Bad Oldesloe Ost und in Eckernförde Süd - in der Nähe des Südstrands. Auch in Kellinghusen, Neuwittenbek und Vaale sollen neue Halte entstehen.
"Für Bahn-Anbindungen sprechen neben praktischen Vorteilen auch psychologische", sagt Volker Blees, Professor für Verkehrswesen an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden. "Sie sind besser im öffentlichen Bewusstsein verankert, auch weil die Schienen im Alltag präsent und nicht zu übersehen sind. Bushaltestellen auf dem Land sind hingehen oft wenig auffällig." Wenn der Zug in die richtige Richtung fahre, sei das die beste Option im öffentlichen Nahverkehr, ergänzt er. Züge sind meist schneller als ein Landbus und "deutlich komfortabler".
Nahverkehr vor allem für die Schüler bisher relevant
Auch in Alt Duvenstedt würde es vor einer Reaktivierung des Bahnhalts auch noch einiges zu klären geben. Denn: Das Grundstück, auf dem die noch bestehenden Reste des Bahnsteigs Richtung Norden zu sehen sind, ist nach dem Wissen des Bürgermeisters verkauft worden. Doch wie würde so ein Halt bei den Einwohnerinnen und Einwohnern in Alt Duvenstedt ankommen? Eine Mutter, die ihre beiden Kinder von der Kita in der Ortsmitte abholt, erzählt, dass sie den Bus noch nie benutzt habe. Sie erledige alles per Rad oder bei größeren Strecken mit dem Auto. Wenn ihr älteres Kind auf eine weiterführende Schule gehe, werde sie sich mit dem Busverkehr nach Rendsburg beschäftigen, sagt sie. Die Überlegung der Landesverkehrsplaner, einen Bahnhalt einzurichten, findet sie hingegen "sehr interessant". Sie denkt dabei an Urlaubsreisen - und auch an Besuch. Den müssen man dann nicht mehr aus Rendsburg abholen, hofft sie.
Mit einem Bahn-Anschluss könnte ich einfacher meine Geschwister besuchen, die weiter weg wohnen Schülerin Johanna Knippenberg aus Alt Duvenstedt
Schülerin Johanna Knippenberg nutzt den Bus derzeit für den Schulweg - und Gottesdienstbesuche für Konfirmandenunterricht. Sie sagt, mit einem Bahn-Anschluss könne sie einfacher ihre Geschwister besuchen, die weiter weg wohnen. Ruheständler Alfred Zollinger war früher selbst Nutzer des Bahnhalts. Er sei mit der Bahn zur Arbeit nach Rendsburg gefahren. Ob er die Strecke heute nutzen würde? Das wisse er nicht, sei aber auch gar nicht so wichtig, sagt er. "Ich fahre nicht mehr viel - mein Auto läuft nur 4.000 Kilometer im Jahr." Neben der Schülerin Johanna Knippenberg findet sich auf die Schnelle kein weiterer aktiver Nutzer des Busverkehrs in dem Dorf.
On-demand-Shuttle soll Dorf erschließen
Der für den Busverkehr zuständige Kreis verteidigt das Angebot jedoch gegen Kritik: Das sei vor eineinhalb Jahren deutlich verbessert worden - nun gebe es zwei Linien, neue Verbindungen und mehr Verbindungen nach Rendsburg - auch am Wochenende, schreibt Malte Nevermann vom Kreis Rendsburg-Eckernförde auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein. Unabhängig davon begrüße der Kreis aber die Überlegungen, ein Bahnhalt in Alt Duvenstedt einzurichten. Kurzfristig ist ein weiteres Angebot geplant: Ab August soll Alt Duvenstedt auch vom On-demand-Shuttle Remo in der Region Rendsburg bedient werden. Der verkehrt zurzeit Freitag- und Samstagabend.
Egal, ob der Bahnhalt kommt oder nicht: In den nächsten Jahren wird der Bus in Alt Duvenstedt das Haupt-Nahverkehrsmittel sein - mit dem Backstein-Bushäuschen als wichtigstem Haltepunkt im Ort.
