Lübeck: Plattdeutsche Spurensuche in der Hansestadt
Niederdeutsch war die Handelssprache der Hansezeit. Spuren davon gibt es heute noch in vielen Städten, auch in Lübeck. Mit einer neuen Webseite kann man sich nun auf Entdeckungsreise begeben.
Fast schon ehrfürchtig schaut Mia Großmann am Holstentor hoch. Die 17-Jährige steht auf dem Kiesweg direkt unterm Tor, dem Wahrzeichen ihrer Heimatstadt. "Ich sehe das so oft, aber ich fahre immer nur gehetzt dran vorbei", sagt sie. Heute möchte sie sich Zeit nehmen, in die Geschichte der Hansestadt Lübeck einzutauchen - und dafür braucht sie nur ihr Smartphone.
Digitale Unterstützung für einen Stadtrundgang
Das Länderzentrum für Niederdeutsch (LzN) hat auf einer neuen Webseite acht verschiedene Rundgänge durch fünf Hansestädte im Norden zusammengestellt. Auch eine Tour durch Lübeck ist dabei, mit 20 Stopps in der Altstadt. Alle an Orten, an denen die Hansezeit und ihre Sprache das Stadtbild prägen.
Startpunkt ist das Holstentor. Das steht hier seit mehr als 500 Jahren - und "Holsten" ist das niederdeutsche Wort für "Holstein".
Dreisprachiges Angebot schließt eine Lücke
"Disse Verbindung vun Plattdüütsch un de Hanse is veel to wenig wiest worden bit nu", sagt Christianne Nölting dazu - also dass die Verbindung von Plattdeutsch und der Hanse bisher nur wenig gezeigt wurde. Das hat die Leiterin des LzN zum Projekt Hanserouten inspiriert. Entstanden ist ein Angebot zum Erleben, Nachreisen und Erkunden, denn die markierten Orte auf der Karte sind alle mit Fotos und historischen Infos versehen.
Gleich in drei Sprachen gibt es das Angebot: neben Plattdeutsch gibt es alle Texte auch in hochdeutscher und in englischer Fassung. Von der Handelssprache des Mittelalters zur globalen Handelssprache heute. Gemacht für ausländische Gäste und für Einheimische gleichermaßen.
Viel Neues auch für Ortskundige
Denn schon nach den ersten Stopps ist Mia Großmann fasziniert davon, was sie in ihrer Heimatstadt bisher gar nicht richtig wahrgenommen hat. Den kleinen Durchgang zwischen den Straßen Depenau und Marlesgrube zum Beispiel, den es schon seit dem 13. Jahrhundert gibt. Oder die "Düstere" und die "Lichte Querstraße", die heute noch ihren Namen gerecht werden. Die plattdeutsche Namensherkunft ist mal ganz offensichtlich, mal ein bisschen versteckter.
Bei "Depenau" hat die 17-Jährige sofort einen Verdacht: "Klingt irgendwie deep! As würr dat deep runnergahn!" Tief runter ging es hier im Mittelalter tatsächlich: der kleine Text in der Karte verrät, dass früher ein tiefer Bach (= "deepe Au") runter zur Trave floss, wo heute die Straße ist.
Ein Rundgang, der die Fantasie anregt
Vorstellen könne sie sich das gut, sagt die junge Lübeckerin - immerhin sei die Straße recht steil. Kopfkino, das auch bei Christianne Nölting entstanden ist: "Ik bün dör de Straten gahn un hebb so automatisch dacht - wer hier woll fröher lopen hett? Wer hier woll stahn hett? Wie dat woll röken hett - bestimmt nich good." ("Ich bin durch die Straßen gegangen und habe automatisch gedacht - wer ist hier wohl früher langgelaufen, wer stand hier? Wie hat das wohl gerochen? Bestimmt nicht gut.")
Die Heimatstadt mit anderen Augen sehen
Mia Großmann braucht in Lübeck über eine Stunde für die zweieinhalb Kilometer lange Route. Vom Holstentor durch die Altstadt, am Dom entlang und zum Rathaus. Immer wieder anhalten, nachlesen, staunen. "Dat weern vele Straten, wo ik noch gor nich so bewusst wesen bün. Also seker mol vörbilopen, aber vun de Geschicht gor nich veel mitkreegen. Dat is echt cool!", zieht die 17-Jährige ihr Fazit. ("Das waren viele Straßen, in denen ich noch nie bewusst war. Klar, da bin ich mal vorbeigelaufen, aber habe von der Geschichte nichts mitbekommen. Das ist echt cool!")
Und dank der Fotos und professionellen Filmen auf der Webseite kann man so einen Spaziergang auch ganz digital von zuhause aus erleben - und die Hansegeschichte in Lübeck, Hamburg, Bremen, Lüneburg und Stade erkunden.
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