Zwei Schüler arbeiten miteinander. © NDR

Lübeck: Integration von Schülern aus der Ukraine startet

Stand: 23.03.2022 11:18 Uhr

Am Gymnasium Johanneum in Lübeck gehen inzwischen sechs Kinder aus der Ukraine zur Schule. In den kommenden Tagen sollen weitere folgen. Die Schule zeigt, dass der Integrationsprozess auch ohne große Bürokratie klappen kann.

von Phillip Kamke

Eigentlich hat sie gerade Unterricht in ihrer sechsten Klasse, doch die muss sie für ein paar Minuten alleine lassen. Denn sie ist mit einem Jungen aus der Ukraine verabredet. Dmytro soll ab sofort in die fünfte Klasse auf dem Johanneum gehen. Gerade erst ist er mit seiner Mutter aus Odessa in der Ukraine geflüchtet. Am Mittag ist das erste Treffen mit Orientierungsstufenleiterin Inken Christiansen in ihrem Büro. "Willkommen! Schön, dass du bei uns bist", begrüßt sie ihn. Eine Übersetzerin sorgt dafür, dass Dmytro und seine Mutter alles verstehen.

Christiansen muss in diesen Tagen oft einen Spagat hinbekommen - zwischen dem regulären Unterricht und der Organisation der Flüchtlingskinder. "Es ist unglaublich berührend. Wir sehen die Bilder aus den Nachrichten, das ist erschreckend. Hier mit Menschen zusammenzusitzen, von denen ich weiß, die haben vor einer Woche noch in Odessa gelebt und das Kind ist dort normal zur Schule gegangen und kann das jetzt nicht tun - das berührt uns sehr", sagt Christiansen. "Wir sind sehr froh, dass wir im Moment ausgesprochen unbürokratisch handeln können. Dass wir einfach sagen können, wir stellen einen Tisch mehr in die Klasse, solange es noch geht."

Verständigung mit Händen und Füßen - und auf Deutsch

Auch die achte Klasse hat vor zwei Wochen Zuwachs bekommen: von Alexander. Er macht kurz vor der Mittagspause gerade im Chemieunterricht ein Experiment. Dafür gibt es eine Anleitung auf Deutsch. Alexander kann das Wichtigste davon verstehen, denn in seiner Heimat hatte er bereits Deutschunterricht in der Schule. "Es war am Anfang noch etwas schwierig, weil es immer wieder viele unbekannte Wörter für mich gibt. Aber es wird von Tag zu Tag besser. Meine Klasse ist super nett, mein Zimmer ist auch toll, ich fühle mich hier wohl."

Sein Sitznachbar ist Jan. Die beiden Jungs haben sich direkt angefreundet und machen auch das Experiment in Chemie gemeinsam. "Es ist interessant, man hat natürlich die eine oder andere Frage. Es ist nicht viel anders - ich habe einen neuen Sitznachbarn und er macht es echt gut. Ich bewundere seinen Mut. Ich denke, ich würde das nicht hinkriegen."

Es geht auch ohne die große Bürokratie

Auf dem Johanneum gehen inzwischen sechs Mädchen und Jungen aus der Ukraine in die Schule. Weitere sollen in den kommenden Tagen dazu kommen. Dabei gehe es in erster Linie gar nicht darum, den Kindern den Lernstoff zu vermitteln, sagt Inken Christiansen. Vielmehr sollen sie aufgefangen werden und erste soziale Kontakte in Lübeck sammeln.

"Das Ministerium hat uns kurzfristig die Erlaubnis gegeben und darum gebeten, Schüler aufzunehmen. Das funktioniert zum Glück auch ohne die ganz große Bürokratie. Für uns ist es eine besondere Erfahrung zu sagen, die Türen sind offen. Wir sind da, wir wollen helfen. Es fühlt sich so an, als könne man zumindest einen kleinen Teil dazu beitragen", so Christiansen. "Für uns ist es unglaublich beglückend, wieviel Hilfsbereitschaft da ist. Mitschüler haben Ideen, zeigen den neuen Mitschülern die Stadt, besorgen Material oder laden sie ein. Es ist schön zu sehen, dass die Menschlichkeit so gut funktioniert, wenn es ganz unmittelbare Begegnungen gibt."

Nicht nur Schüler sind neu am Johanneum

Diese Begegnungen gibt es vor allem zur Mittagszeit. Inzwischen hat es zur zweiten großen Pause geklingelt. Die Kinder strömen in die Mensa des Johanneums, eine alte Feuerwache. Dort warten Brötchen, Süßigkeiten und Getränke auf die Schüler.

Hier hat Lubov Kupriianova einen neuen Job gefunden. Sie kommt aus Cherson und ist die Mutter vom Achtklässler Alexander. Ab sofort unterstützt sie das Team in der Mensa täglich. "Ich war sehr überrascht, dass uns so viele Menschen geholfen haben. Die waren alle mit dem Herzen dabei. Egal worum es ging, die Bürokratie, die Papiere, das ging alles sehr schnell. Auch für die, die hier arbeiten möchten. Die Kinder haben schnell einen Schulplatz gefunden. Das ist die einzige Freude, die mir im Moment bleibt." Dmytro ist am Johanneum angekommen.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 23.03.2022 | 19:30 Uhr

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