Ein Polizist legt einem Menschen Handschellen an. © Bundespolizei

Mehr Sexualdelikte und Betrugsfälle in Schleswig-Holstein

Stand: 31.03.2022 12:00 Uhr

Die Zahl der erfassten Straftaten stieg im vergangenen Jahr leicht an. Dafür ist auch ein Betrugsfall im großen Stil verantwortlich. Es konnten so viele Fälle aufgeklärt werden wie noch nie.

von Christopher Gaube

Erstmals seit fünf Jahren ist die Zahl der erfassten Straftaten in Schleswig-Holstein wieder gestiegen. Das geht aus der Polizeilichen Kriminalstatistik hervor, die Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) und Rolfpeter Ott vom Landeskriminalamt in Kiel vorgestellt haben. Demnach gingen die Beamten im vergangenen Jahr insgesamt 176.893 Straftaten nach. Das sind 2.964 Fälle mehr als noch im Vorjahr 2020 (+1,7 %).

Riesiger Betrugsfall in Nordfriesland

Für den Anstieg ist laut Sütterlin-Waack vor allem ein Betrugsfall im großen Stil verantwortlich. So sei ein einzelnes Verfahren mit insgesamt 8.717 Geschädigten und einem Gesamtschaden von über vier Millionen Euro im vergangenen Jahr abgeschlossen worden. "Hierbei hatten die Geschädigten spezielle Blutuntersuchungen als Privatleistung bei einem Labor in Nordfriesland in Auftrag gegeben", so die Innenministerin. "Sie erhielten Ergebnisse und Rechnungen, obwohl keine der vereinbarten Blutuntersuchungen durchgeführt worden ist."

Die schleswig-holsteinische Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack bei einer Pressekonferenz am Rednerpult. © Christopher Gaube Foto: Christopher Gaube
Laut der schleswig-holsteinischen Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) gibt es bei der Aufklärungsquote einen neuen Höchststand.

Damit ist laut Statistik auch die so genannte Häufigkeitszahl, also die Zahl der Kriminalfälle je 100.000 Einwohner, auf 6.077 angestiegen. Ohne das große Betrugsverfahren hätte Schleswig-Holstein die niedrigste Häufigkeitszahl seit 1975, so Sütterlin-Waack.

Aufklärungsquote auf neuem Höchststand

Den leicht gestiegenen Fallzahlen steht ein neuer Höchststand bei der Aufklärungsquote gegenüber. Im vergangenen Jahr 2021 konnten 57,6 Prozent aller registrierten Straftaten aufgeklärt werden (Vorjahr 55,8 %). Laut Innenministerium handelt es sich um den höchsten Wert seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1963.

Betrugsfälle nehmen deutlich zu

Auch neben dem Betrugsfall um die privaten Laborleistungen ist die Zahl der Straftaten in diesem Bereich gestiegen. Insgesamt wurden 34.942 Vermögens- und Fälschungsdelikte im vergangenen Jahr registriert (+31,8 %). Damit ist knapp jedes fünfte Verbrechen in Schleswig-Holstein diesem Bereich zuzuordnen.

Die Polizeiliche Kriminalstatistik nennt hier beispielsweise 9.090 Fälle von Betrug im Internet (+7,2 %), 2.493 Fälle von erschlichenen Dienstleistungen wie Schwarzfahren (+11,4 %) oder 3.943 Fälle von Betrugsmaschen (-9 %), bei denen die Täter unter Vorspiegelung falscher Tatsachen die Opfer dazu bewegten, ihnen Geld oder Schmuck auszuhändigen. Mit der Masche, bei der sich Kriminelle als Polizisten ausgeben, wurden in 14 Fällen insgesamt 460.000 Euro erbeutet.

Betrugsfälle bei denen die Täter aus dem Ausland agieren sind darin nicht einmal eingerechnet.

Gefälschte Impfausweise

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Auf einem Smartphone wird die CovPass-App des neuen europaweiten Digitalen Impfnachweis angezeigt. © picture alliance/Flashpic Foto: Jens Krick

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Laut Landeskriminalamt machen sich auch die gefälschten Impfausweise in der Statistik bemerkbar, die in Schleswig-Holstein verstärkt seit dem letzten Quartal 2021 kursieren. Straftaten in diesem Bereich werden der Urkundenfälschung und damit dem Betrug zugerechnet. Die Kriminalstatistik weist 2.545 Fälle im Bereich der Urkundenfälschung aus, ein Anstieg von 9,6 Prozent.

Auch Fälle von gefälschten Testzertifikaten und Genesenenbescheinigungen zählen dazu. Seit einer Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze Ende November 2021 stehen bereits vorbereitende Handlungen zum Fälschen von Gesundheitszeugnissen unter Strafe.

Rauschgiftkriminalität steigt

Auch die Fälle von Rauschgiftkriminalität haben im vergangenen Jahr zugenommen. Die Statistik führt 11.693 Fälle auf (+4,4 %). Besonders die Fälle von illegaler Herstellung sowie Abgabe und Besitz in großer Menge ist mit 7.885 Fällen im Zehn-Jahres-Vergleich auf einem Höchststand. Die Kriminalbehörde führt die neu entdeckten Straftaten in diesem Bereich auf Erkenntnisse zurück, die sie durch bereits gefasste Täter gewonnen hat.

Schlag gegen Handel mit Kinderpornografie

Einen traurigen Anstieg gibt es auch im Bereich der Sexualdelikte. Hier ist die Zahl der registrierten Fälle um 18,4 Prozent auf insgesamt 3.213 gestiegen. Sowohl schwere Sexualdelikte wie Vergewaltigung, als auch die sexuelle Belästigung haben leicht zugenommen.

Laut Statistik wurden auch wesentlich mehr Fälle vom Handel mit Kinderpornografie aufgedeckt - insgesamt 1.035 Straftaten sind diesem Bereich zuzuordnen (+74,2 %). Der Anstieg kann durch internationale Ermittlungen erklärt werden, deren Spuren auch nach Schleswig-Holstein führten. Ein Beispiel:

Anhand von Bildaufnahmen, die in Australien sichergestellt worden waren, konnte der über zehn Jahre andauernde sexuelle Missbrauch eines heute 16-jährigen Mädchens aus Flensburg durch den leiblichen Vater aufgeklärt und beendet werden. Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack

Der Täter sei inzwischen zu einer Haftstrafe von 4 Jahren und 8 Monaten verurteilt worden.

Erneut weniger Wohnungseinbrüche

Die Polizeiliche Kriminalstatistik weist allerdings auch positive Trends aus. Im sechsten Jahr in Folge ist beispielsweise die Zahl der registrierten Wohnungseinbrüche gesunken. Davon wurden im Jahr 2021 nur noch 2.249 gezählt (-31,2 %). Auch die Gewaltkriminalität wie Raub oder Körperverletzung hat nachgelassen. Hier gab es 5.118 Fälle (-9,4 %).

Im Bereich Diebstahl gibt es einen neuen, erfreulichen Tiefpunkt. Mit 56.369 Fällen liegt der Wert so niedrig, wie seit 1966 nicht mehr (-8,5 %).

Mehr Gewalt gegen Polizisten

Die Gewalt gegen Polizeibeamte und -beamtinnen hat noch einmal zugenommen - um 5,8 Prozent auf 1.354 Fälle. "Die Polizei ist es, die für unsere Sicherheit sorgt und leider dabei häufig selbst ihre Gesundheit, wenn nicht ihr Leben riskiert", sagte Sütterlin-Waack. Insgesamt seien rund 478 Polizeibeamte im Dienst verletzt worden.

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 31.03.2022 | 12:00 Uhr

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