Kolumne: Was wir von künstlicher Intelligenz lernen können

Stand: 15.04.2023 10:00 Uhr

ChatGPT hat es sich in unseren Reihen gemütlich gemacht, Deepfakes hüllen den Papst in eine weiße Daunenjacke. Die Auswüchse von KI sind überall. Unsere Kolumnistin findet: Gut, dann arbeiten wir halt an unseren (Denk-)Fehlern!

von Stella Kennedy

Ja, ich weiß, der große Hype um ChatGPT ist vorbei. Viele Menschen, die sich - wie ich - eher mit Buchstaben als mit Zahlen auskennen, haben sich darüber ausgelassen, wie diese Wissensallmacht im Netz uns das Leben zur Hölle machen wird - oder alternativ zum Himmel. In diese Klage- oder vereinzelt Loblieder will ich auch gar nicht einstimmen. Ich finde es eher spannend zu überlegen, warum uns so etwas unfassbar rationales, pragmatisches und komplett unemotionales wie ein Chatbot so aus der Fassung bringen kann. Wenn Künstliche Intelligenz (KI), einfach erklärt, der Versuch ist, menschliches Lernen und Denken auf den Computer zu übertragen und ihm damit Intelligenz zu verleihen, können wir dann nicht auch andersherum Computerverhalten auf Menschen übertragen und damit...besser werden?

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Die KI kennt keine Völlerei

Denn wenn man es genau nimmt, sind es doch genau die Dinge, die uns von Künstlicher Intelligenz unterscheiden, die schuld sind an unserem kollektiven menschlichen Versagen. Und ja, ich spreche auch von den sogenannten Todsünden. Keine KI hat damit Probleme. Was nicht heißt, dass nicht auch KI-Modelle Fehler haben. Sexismus, Rassismus und klassenbasierte Diskriminierung sind nachgewiesenermaßen in die technischen Systeme eingeschrieben. Aber: Hochmut und Habgier, Neid, Zorn, Wollust, Völlerei und Trägheit fühlt KI nicht. Ganz im Gegensatz zu jedem, der sich spätestens in den Osterferien mit ein paar der aufgezählten Sünden schuldig macht. Dabei wäre mehr Roboterhaftigkeit und weniger Primatentum oft sehr sinnvoll.

Von Denkfehlern und dem Ende ohne Schrecken

Abgesehen von den Todsünden, die uns zu falschen Entscheidungen verführen, gibt es noch andere, rein menschliche Eigenschaften, die uns neben KI verlieren lassen - gegen die wir aber etwas tun können. Die Rede ist von klassischen Denkfehlern; kognitive Verzerrungen. Immer wenn wir urteilen, wahrnehmen, denken und erinnern, werden wir unbewusst von den Vorannahmen unseres Gehirns beeinflusst. Ein Beispiel: Die sogenannte "sunk cost fallacy". Kennt jeder, der schon einmal unbeirrbar an einem begonnenen Projekt festgehalten hat, das zwar zum Scheitern verurteilt ist, in das man aber doch so viel Energie, Zeit, Geld gesteckt hatte... der berühmte Schrecken ohne Ende. Würde keiner KI jemals passieren.

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Schluss damit: Statt KI mehr MI wagen

"Als KI-Modell besteht mein Zweck darin, auf der Grundlage von Algorithmen und Daten zu arbeiten", erklärt mir mein Lieblingsbot beim Frühstückskaffee (er trinkt Strom). Schön für Dich, entgegne ich ihm. Zwar "arbeite" ich nur auf der Grundlage eines fehlerbehafteten Primatenkörpers, aber auch der kann lernen, kann reflektieren, kann Herr seiner Entscheidungen werden - auch wenn es bei mir weitaus mehr Arbeit erfordert als bei meinem Kaffee-Date.

Also, nichts wie los. Für mehr menschliche Intelligenz (MI): Tschakka! Diesbezüglich empfehle ich allen zur sofortigen Lektüre das großzügig verbreitete Wissen im Netz zum Thema: Wie vermeide ich Denkfehler? Wer will, sammelt sich die Inhalte per Suchmaschine zusammen. Alle anderen fragen den Bot. Der hilft ganz gern, habe ich gehört.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Schleswig-Holstein Magazin | 11.04.2023 | 19:30 Uhr

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Künstliche Intelligenz (KI)

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