NAH.SH: "Hamburger Hauptbahnhof bremst Verkehrswende"
Das Neun-Euro-Ticket hat für viele Fahrgäste und volle Züge gesorgt. Auch der Verkehrsverbund NAH.SH will den Schwung für den Nahverkehr mitnehmen. Doch der Hamburger Hauptbahnhof bremse die Entwicklungen aus, meint der Verkehrsverbund.
Volle Bahnsteige, verpasste Anschlüsse - für viele Pendler und Urlauber ist der Hamburger Hauptbahnhof in den vergangenen Monaten zur Geduldsprobe geworden. An Spitzentagen waren die Bahnsteige so voll, dass sie teils abgeriegelt werden mussten. "Nachdem die Fahrgastzahlen durch die Corona-Pandemie zwischenzeitlich zurückgegangen waren, war die Reiselust in diesem Sommer größer als je zuvor", sagte eine Sprecherin der Deutschen Bahn.
Über 550.000 Reisende besuchen täglich den Hamburger Hauptbahnhof. Mit den steigenden Fahrgastzahlen "potenzieren sich die Probleme", sagt Jochen Schulz von NAH.SH - auch für Pendler und Reisende aus Schleswig-Holstein. Denn: Der Hamburger Hauptbahnhof sei für die Schleswig-Holsteiner ein Tor zur Welt. Für viele, die mit der Bahn unterwegs sind, sei er zentraler Umsteigepunkt. "Deshalb ist die Situation am Bahnhof auch entscheidend für den Bahnverkehr im Norden", meint Schulz.
NAH.SH: Hauptbahnhof hat ein Platzproblem
Das größte Problem des Hauptbahnhofes laut NAH.SH: Er ist zu klein. Alles spiele sich auf engem Raum ab. Es gebe zu wenig Platz für die Reisenden, zu wenig Bahnsteige und auch nur begrenzte Zugstrecken in den Hauptbahnhof. Auch Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn in Schleswig-Holstein ist der Meinung: Wenn man die Zahl der Fahrgäste im Rahmen der Verkehrswende verdoppeln wolle und heute schon ein Kapazitätsproblem habe, dann brauche man keine weiteren Gutachten, um festzustellen, "dass das schlicht und ergreifend nicht geht".
Bauprojekte sollen Kapazitäten erhöhen
Die Bahn versucht bereits für Entlastung zu sorgen. In diesem Jahr wurden laut einer Bahnsprecherin weitere Zugänge zu den Bahnsteigen geschaffen. Langfristig ist unter anderem ein neuer S-Bahn-Tunnel zwischen dem Hauptbahnhof und Altona geplant. Die jetzigen S-Bahn-Gleise über Dammtor könnten dann für den Regional- und Fernverkehr genutzt werden. Ein Plan, den sowohl NAH.SH als auch Pro Bahn befürworten. Genauso wie den Bau der S4, die in den kommenden Jahren über Ahrensburg nach Bad Oldesloe fahren und damit besonders für die Schleswig-Holsteiner Entspannung bringen soll. Wann die S4 in Betrieb geht, ist aber noch nicht bekannt.
Zusätzliche Regionalhalte und weitere Umsteigemöglichkeiten
Insgesamt müsse der Hamburger Hauptbahnhof weniger wichtig gemacht werden, sagt Schulz von NAH.SH: "Man muss den Hauptbahnhof entlasten, indem man zusätzliche Möglichkeiten des Umsteigens an anderer Stelle schafft." Die Bahn prüft nach eigenen Angaben bereits zusätzliche Regionalhalte, unter anderem am Berliner Tor. Auch der neue Bahnhof Altona könne laut Schulz dazu beitragen, dass gar nicht alle Fahrgäste im Hauptbahnhof umsteigen müssen, sondern von anderen Halten aus nur durchfahren.
Bessere Zusammenarbeit als Problemlösung?
Für Carsten Gertz, Professor für Verkehrsplanung an der Technischen Universität Hamburg, besteht ein Problem des Hauptbahnhofs vor allem auch darin, dass dort Züge aus mehreren Bundesländern und von verschiedenen Verkehrsunternehmen enden. Die Regionalzüge beispielsweise aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen würden dann einige Zeit auf den Gleisen stehen, bevor sie zurückfahren. Das reduziert laut Gertz stark die Kapazität. Dass die sogenannte Durchbindung von Zügen auf Dauer helfen könnte, das Angebot auszuweiten, sieht auch Jochen Schulz so. Doch nach einer aktuellen Untersuchung sei die Umsetzung noch nicht möglich. Auch, weil es eben zu wenige Zufahrtsstrecken zum Hauptbahnhof gibt.
Pro Bahn fordert gemeinsame Verkehrskonferenz im Norden
Auch Pro Bahn unterstützt Pläne, die Züge durchfahren zu lassen. Vor allem fordert Naumann mehr Zusammenarbeit: "Die Probleme enden ja nicht am Hamburger Hauptbahnhof". Es müsse deshalb dringend eine "Konferenz Bahnverkehr" mit Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen geben. Auch politischer Druck sei wichtig, damit es zu Ergebnissen komme. Die Politik habe lange verschlafen, dass der Bahnhof längst hätte ausgebaut werden müsse.
Um nicht große Baumaßnahmen abwarten zu müssen, schlägt Naumann unter anderem vor, Fahrgästen bei der Suche nach Bahnverbindungen verstärkt Halte wie Dammtor oder Altona zum Umstieg anzuzeigen. Auch könnte die Signaltechnik noch optimiert werden, damit Züge in kürzeren Abständen fahren können. Auch Verspätungen aus Schleswig-Holstein müssten reduziert werden. Es sei eine kritische Situation, in der auch vermeintlicher "Kleinkram" helfen könne. "Lange Diskussionen, lange Prüfungen können wir uns eigentlich nicht leisten", sagt Naumann.
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