Bundeswehrsoldaten legen in Büsum ihr Gelöbnis ab. © NDR

Gelöbnis in Kriegszeiten: Das ist die Motivation der Rekruten

Stand: 20.05.2022 11:07 Uhr

90 der 200 neuen Soldaten haben sich erst im April beworben. Ihre Motivation laut Hauptmann Falk Köhler: Die demokratischen Werte Deutschlands verteidigen.

von Jonas Salto

Die Kulisse am Büsumer Hauptstrand (Kreis Dithmarschen) am Donnerstag hat die angespannte weltpolitische Lage vergessen lassen: Bei 29 Grad, einem sonnigen Himmel und so gut wie keinem Wind waren viele Touristen am Strand. Doch dann waren da eben auch die 200 Soldatinnen und Soldaten, die ihren Eid auf die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland ablegen sollten. Als wäre es inszeniert gewesen, kamen pünktlich zur Schwur-Zeremonie dunkle Wolken auf und es regnete. Die Rekrutinnen und Rekruten legten ihren Eid mitten in Zeiten eines Krieges in Europa ab. Unter ihnen der 27-jährige Jan Kruse aus Lübeck.

"So ein Kribbeln in den Fingern"

Rekrut Jan Kruse steht für ein Interview am Büsumer Hauptstrand vor der Kamera © NDR Foto: Jonas Salto
Rekrut Jan Kruse machte sich lange Gedanken, ob er zur Bundeswehr will. Jetzt ist er offiziell vereidigt.

Er bewarb sich bereits im August vergangenes Jahr bei der Bundeswehr. Zuvor hatte er mehrere Jahre darüber nachgedacht, ob er diesen Schritt wirklich gehen sollte. Jan Kruse weiß, was es heißt, die Bundeswehr als Arbeitgeber zu haben. Denn sein Vater diente in den achtziger Jahren bei den Panzergrenadieren und erzählte damals immer von seinem Job. Kruse kann nicht genau benennen, was seine Motivation war, Soldat zu werden. Es sei mehr ein Gefühl gewesen: "Immer, wenn ich Soldaten sehe oder die Bundeswehr in den Nachrichten war, dann hat mich das geweckt. Und am Ende des Tages muss ich sagen, war es so ein Kribbeln in den Fingern: Das würde ich gerne machen, das möchte ich ausprobieren", beschreibt er. Kruse verpflichtete sich für die kommenden 13 Jahre.

"Was für das Gemeinwohl tun"

Der Krieg in der Ukraine führt offenbar nicht zu einer Abschreckung vor dem Dienst als Soldat. Eher im Gegenteil. Falk Köhler ist Hauptmann in der Heider Kaserne und sprach mit vielen Rekrutinnen und Rekruten, die sich im April, also während des Krieges, beworben haben: "Die haben auch geäußert: 'Ich mache das, weil ich was für das Gemeinwohl tun möchte.' Sie möchten für die Werte der Bundesrepublik Deutschland eintreten, weil man einfach sieht: Der Krieg ist gar nicht so weit weg. Und da sind ganz viele, die sagen: 'Ich möchte, dass meine Kinder so eine gesicherte Kindheit haben, wie ich sie in Deutschland hatte.'"

Landes- oder Bündnisverteidigung statt Auslandseinsätze

Hauptmann Falk Köhler steht für ein Interview am Büsumer Hauptstrand vor der Kamera © NDR Foto: Jonas Salto
Hauptmann Falk Köhler beobachtet, dass der Krieg in der Ukraine der Bundeswehr neue Rekruten bringt.

Falk Köhler und sein Team sprechen das Thema Ukraine-Krieg in der Ausbildung direkt an. Von den zukünftigen Unteroffizieren der Luftwaffe wird auch erwartet, dass sie sich laufend über die weltpolitische Lage informieren. "Wo vor fünf Jahren noch die Auslandseinsätze im Fokus standen, reden wir jetzt ganz klar von der Landesverteidigung und der Bündnisverteidigung", so Köhler.

Verpflichtung kann widerrufen werden

Wenn die Soldatinnen und Soldaten innerhalb des ersten halben Jahres merken, dass die Bundeswehr doch nichts für sie ist, können sie ihre Verpflichtung noch widerrufen. Das sei im Umfeld von Jan Kruse aber nur ganz vereinzelt der Fall gewesen - und dann auch nur aus familiären Gründen, berichtet er. An der Entscheidung Soldat zu werden, habe sich für ihn durch den Ukraine-Krieg nichts geändert. Trotzdem sagt er auch. "Selbstverständlich hat man ein mulmiges Gefühl. Man ist ja immer noch Mensch. Und die Geschichten, die dort drüben passieren, die man auch am Rande so mitbekommt, die berühren einen natürlich. Aber letztendlich bin ich Soldat und wenn der Befehl kommt, dass ich irgendetwas tun soll, dann mache ich das."

Wehrrecht und Schießen auf dem Stundenplan

Bis die vereidigten Soldatinnen und Soldaten fertig ausgebildet sind, dauert es zwischen drei und sieben Jahren, je nach angestrebtem Dienstgrad. Bevor sie speziell für ihre ausgewählte Laufbahn ausgebildet werden, lernen die neuen Soldatinnen und Soldaten erst einmal das Wehrrecht, die Gepflogenheiten in der Bundeswehr und dann auch das Schießen mit dem Gewehr oder der Pistole.

Nach Ausbildung: Feldwebel

Jan Kruse wird am Ende seiner Ausbildung als Feldwebel im Objektschutzregiment der Luftwaffe in Schortens (Niedersachsen) eingesetzt. Die Position des Feldwebels ist laut Hauptmann Falk Köhler vergleichbar mit der mittleren Führungsebene in einem Betrieb. Kruse wird dann als Feldwebel der Luftwaffe Soldatinnen und Soldaten unter sich haben und ihnen auch im Zweifel erklären müssen, warum welcher Einsatz gemacht werden muss. Je nachdem, wie sich die Lage in der Ukraine weiterentwickelt, könnte ein Einsatz sein, Nato-Verpflichtungen an der Ostflanke zu erfüllen.

Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 19.05.2022 | 19:30 Uhr

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