Balkone eines mehrstöckigen Wohnhauses.

Das Geschäft mit maroden Immobilien

Stand: 18.02.2022 05:00 Uhr

In den Hölk-Hochhäusern in Bad Oldesloe gibt es immer wieder Beschwerden, weil der Hauseigentümer bei Schäden kaum reagiert: Warum große Immobilien-Konzerne überhaupt marode Häuser kaufen und das Geschäft mit Schrott-Immobilien funktioniert.

von Philipp Eggers

Einen kleinen Moment dauert es, bis sie die Tür aufschließen kann, der Schlüssel klemmt. Zum ersten Mal seit dem Brand auf ihrem Balkon ist Faustina Norman mit ihren beiden Kindern zurück in der Wohnung, die sich in den Hölk-Hochhäusern befindet. Ende Januar hatte das Sofa auf ihrem Balkon Feuer gefangen, ausgelöst vermutlich von einer aus einem oberen Stockwerk achtlos heruntergeworfenen Zigarette.

"Ich sah etwas wackeln draußen und dachte, das wäre wegen des Windes. Aber dann kam mir das seltsam vor. Ich ging ins Wohnzimmer und sah, dass etwas brennt. Also habe ich das Fenster geöffnet, aber das war zu viel für mich. Also habe ich den Nachbarn gerufen und die Feuerwehr", erinnert sie sich an den Brand. Mit dem Feuerlöscher erstickte der Nachbar die Flammen, die Feuerwehr musste kurze Zeit später unterstützen. Die Löscharbeiten hinterließen Spuren auf dem Balkon - und in der Wohnung.

Vermieter zur Übernahme der Hotelkosten verpflichtet

Ihr Vermieter, das Düsseldorfer Immobilienunternehmen LEG, zahlte Faustina Norman und ihren Kindern für die ersten Tage ein Hotelzimmer, änderte dann aber seine Meinung. Rechtsexperten sagen, dass der Vermieter jedoch zur Übernahme dieser Kosten in solchen Fällen verpflichtet ist.

Nach dem Willen des Vermieters soll Faustina Norman in ihre Wohnung zurückkehren, obwohl die Fenster noch kaputt, Spuren und Reste von Ruß und Löschschaum noch da sind. Die LEG sagt dazu, dass die Hotelkosten dem Brandverursacher in Rechnung gestellt werden. "Vor dem Hintergrund ist es aus unserer Sicht auch im Sinne der Schadenminderungsobliegenheit verantwortungsvoll, die Kosten im Rahmen zu halten", heißt es in einer Mitteilung.

Reinigung mit Haushaltsmitteln?

Außerdem sei unmittelbar jemand vor Ort gewesen, der die Wohnung mit haushaltsüblichen Reinigungsmitteln säubern sollte, so die LEG weiter. Lennard Hamelberg kümmert sich im Rahmen des Quartiersmanagements um die Menschen, die hier wohnen. Erst nach zehn Tagen hätte einer der Hausmeister die Brandreste aus der Wohnung putzen wollen. Nach dem Willen der LEG hätte die Familie da schon zwei Tage wieder in der beschädigten Wohnung leben sollen", sagte Hamelberg und ergänzt: "Die Frau hat auch schon versucht, sich obdachlos zu melden, weil sie gesagt hat, diese Zustände sind nicht haltbar. Das ist nicht lebensmöglich."

Faustina Norman sitzt in ihrem Wohnzimmer, sie ist ratlos: "Wir leben im Hotel. Und die Hausbesitzer akzeptieren das nicht. Sie sagen, ich soll mit meinem Baby wieder in die Wohnung kommen. Sie wollten das nicht mehr weiter bezahlen und der Mann aus dem Hotel wollte uns deswegen die Schlüssel abnehmen", sagte sie.

Warum kaufen Investoren marode Häuser?

Der Fall von Faustina Norman wirft die Frage auf, warum Investoren überhaupt Mietshäuser wie die im Hölk in Bad Oldesloe kaufen. Seit 20 Jahren wechseln hier die Eigentümer regelmäßig. Erst im Dezember hat die LEG die Häuser von der Adler Real Estate übernommen, zusammen mit etwa 15.000 anderen Wohneinheiten. Solche Paketkäufe wären branchenüblich, sagt Andreas Breitner.

Der Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen weiß: "Mehr Bestand, mehr Immobilien ist gerade bei börsennotierten Unternehmen gleichbedeutend mit einem höheren Unternehmenswert. So kaufen die wie der wilde Wutz alles, was sie kriegen können. Gucken aber nicht genau hin. Und dann ist das wie eine Tüte Äpfel kaufen. Da weiß man zwar, dass man gute Äpfel hat, aber es kann immer einer dazwischen sein, der vergammelt ist. Und so ähnlich ist es hier."

Bedeutet: Will ein Investor ein Paket kaufen, in dem hochwertige und begehrte Immobilien enthalten sind, muss er in Kauf nehmen, zwangsläufig Immobilien wie die Hölk-Häuser mitzukaufen.

Wohnungskosten von teilweise 10,72 Euro pro Quadratmeter

"Begehrt sind solche Häuser auf dem Markt zwar nicht", sagt der Experte, "wenn man sie aber schon mal hat, dann will man damit auch Geld verdienen." Im Fall der Hölk-Häuser funktioniert das so: Weil viele der Wohnungen vermietet sind, es also wenig Leerstand gibt und bei vielen Mietern solcher Häuser das Amt die Miete bezahlt, hat der Vermieter ein verhältnismäßig geringes Risiko. Denn das Amt zahlt immer pünktlich. Bis zu zehn Euro kostet der Quadratmeter in den Hölk-Häusern. "Das ist im Prinzip ein Kreislauf", erklärt Andreas Breitner und fügt an: "Die Häuser sind in schlechtem Zustand, die Mieten fließen also. Wenn man jetzt in die Instandsetzung dieser Gebäude nicht so viel investiert, dann kann man vortrefflich von den Mieteinnahmen leben."

Direkt nach der Übernahme der 15.000 Wohneinheiten im Dezember schreibt die LEG in einer Pressemitteilung: "LEG übernimmt Verantwortung vor Ort." Doch weder vor Ort noch telefonisch erreichen die Mieter bei Problemen jemanden, der sich um die Schäden kümmert. So schildern es mehrere Mieter. Das war auch bei den vorherigen Eigentümern schon der Fall.

Sanierung, Abriss oder sofortiger Wiederverkauf?

Die LEG schreibt dazu: "Wir sind im Dialog mit der Stadt, wie wir mit dem Projekt am sinnvollsten umgehen - dazu gehört Sanierung durch uns, die Sanierung durch einen möglichen auf Sanierungen spezialisierten Käufer oder aber auch ein Abriss und Neubau."

Was im Fall eines Abrisses mit den Menschen, die in den Häusern leben, passieren soll - dazu schreibt die LEG nichts. "Das zeigt, dass das Vermieter ohne Werte sind, denen völlig egal ist, was Mieterinnen und Mieter durchmachen müssen", sagt Andreas Breitner. "Denen sind auch die Probleme der Mieterinnen und Mieter gleichgültig. Und dann verhält man sich so."

Eine langfristige Lösung für die Mieter im Hölk wäre nach Ansicht von Experten ein regionaler Investor. Jemand, der sich vor Ort auskennt und sich für die Gebäude und die Menschen darin interessiert.

Gutachten sieht Gesundheitsgefahr

Lennard Hamelberg und seine Kollegen haben Anfang Februar ein Gutachten für Faustina Normans Wohnung in Auftrag gegeben: "Aus dem Gutachten geht hervor, dass für die Mieterin und ihre Kinder in der Wohnung Gesundheitsgefahr besteht." Doch die LEG will dieses Gutachten nicht akzeptieren und ein Gegengutachten in Auftrag geben. Ein Spiel auf Zeit, in der Faustina Norman darauf wartet, dass ihre Wohnung wieder bewohnbar wird.

"Ich weiß nicht, was die Vermieter wollen", sagt Faustina Norman: "Mein Junge kann nicht atmen. Jetzt, wo wir drin sind, wird er, wenn wir noch 10 bis 15 Minuten hierbleiben, die ganze Nacht nicht schlafen. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich brauche Hilfe. Ich bin verzweifelt."

Eine Spezialfirma aus Bad Oldesloe hatte angeboten, die Wohnung wieder bewohnbar zu machen, sie fachgerecht zu reinigen - und den Anteil von Faustina Norman dabei selbst zu zahlen. Dieses Angebot hat die LEG abgelehnt. Stattdessen lebt Faustina Norman mit ihren Kindern weiter im Hotel - finanziert nicht von der LEG, sondern von Spendengeldern der Menschen aus Bad Oldesloe.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 16.02.2022 | 19:30 Uhr

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