Boßeln um den Titel: In Schleswig-Holstein startet die Boßel-EM
Alle vier Jahre messen sich die Boßelsportler und -sportlerinnen Europas in einer Meisterschaft. In diesem Jahr findet die wieder in Schleswig-Holstein statt - und zwar an der Westküste. Es ist die 16. Boßel-EM.
Zwei Mal musste die Boßel-EM pandemiebedingt verschoben werden. Ursprünglich war die für Mai 2020 geplant, wurde dann zunächst auf 2021 und schließlich noch einmal auf dieses Jahr verlegt. Für das Organisationsteam um den Dithmarscher Reimer Diercks war das eine echte Geduldsprobe und immer wieder auch neue Herausforderung: Genehmigungen für die Wettkampforte, Unterkünfte umbuchen, Caterer finden und vieles mehr. Am Ende freuen sich aber alle darauf, dass es nun endlich losgeht.
Boßler aus Irland, Italien und den Niederlanden
Am Donnestag hat die Boßel-EM nun endlich begonnen und Reimer Diercks machte drei Kreuze. Mit der feierlichen Eröffnung erfolgte in Meldorf (Kreis Dithmarschen) der offizielle Startschuss. Am Nachmittag gab es einen Festumzug durch die Stadt mit allen Verbänden: Es reisen Boßler und Fans aus Irland, Italien und den Niederlanden an. Komplettiert wird das Feld durch den friesischen Klootschießerverband (FKV) aus der niedersächsischen Region Oldenburg/Ostfriesland. Gemeinsam mit dem Verband Schleswig-Holsteinischer Boßler (VSHB) werden sie an den kommenden drei Tage um Medaillen in der Einzel- und Mannschaftswertung kämpfen. Vier verschiedene Klassen gibt es an den jeweiligen Wettkampftagen: weibliche Jugend, männliche Jugend, Frauen und Männer.
Tag 1: Alles eine Frage der Technik - auch beim Feldboßeln
Am Kaltenhörner Deich in Tetenbüll (Kreis Nordfriesland) ist der erste Austragungsort dieser Europameisterschaft. Für die qualifizierten Sportler und Sportlerinnen geht es beim Feldboßeln darum, mit zehn Wurfversuchen eine möglichst große Distanz auf dem Deichvorland zu erreichen. Es zählt die Flug- und Rollweite der 300 Gramm schweren Holzkugel. Das heißt: Dort, wo sie nach einem Versuch liegen bleibt, startet der nächste. Die Technik ist den Werferinnen und Werfern freigestellt.
Die Boßler aus Irland und Niedersachsen werfen mit dem Flüchterschlag, einer 360-Grad-Armdrehung ähnlich dem Wurf beim amerikanischen Softball. Die Niederländer und Italiener nutzen den Unterhandwurf, in etwa vergleichbar mit dem Bowling oder Kegeln. Die meisten Schleswig-Holsteiner Boßler nutzen eine dritte Technik, die dem Flitschen eines Steines auf dem Wasser sehr nahe kommt.
Die Feldboßeln ist die Hausdisziplin der Niederländer. Sie zählen deshalb auch zu den Favoriten. Aber auch die Iren und Niedersachsen sind hier sehr stark, sodass ein enges Rennen erwartet wird. Die Schleswig-Holsteiner gehen nur mit Außenseiterchancen ins Rennen.
Tag 2: Keine Fehlwürfe beim Standboßeln
Das Standboßeln ist die Paradedisziplin der beiden deutschen Verbände. Die Medaillen werden in der Regel zwischen dem FKV und dem VSHB verteilt. Jeder Sportler hat drei Versuche, die allesamt in die Wertung eingehen. Ein Fehlwurf kann hier schnell den Sieg kosten. In dieser Disziplin zählt zudem die reine Flugweite vom Abwurfpunkt bis zum Einschlag der Kugel. Geworfen wird im Meldorfer Stadion. Die Kugeln wiegen je nach Klasse zwischen 375 und 475 Gramm.
EM-Rekordhalter beim Standboßeln ist ein Ostfriese
In den weiblichen Klassen nutzen die Boßlerinnen beider Verbände den Rundwurf. Sie beschleunigen die Kugel durch eine 360-Grad-Drehung um die eigene Körperlängsachse und werfen sie dann nach vorne weg. Bei den männlichen Startern gibt es dagegen Unterschiede. Die Schleswig-Holsteiner nutzen die gleiche Technik wie die Frauen. Die Oldenburger und Ostfriesen dagegen nutzen eine Sprungrampe, auf der sie die Kugel mit einer 360-Grad-Armdrehung ähnlich wie beim Feldboßeln beschleunigen. Sie stellen auch seit vielen Jahren den Europameister. Vor 22 Jahren bei der EM in Schleswig-Holstein erzielte Stefan Albarus die bisherige EM-Rekordweite. Im Meldorfer Stadion schleuderte der Ostfriese alle drei Versuche über die magische Grenze von 100 Metern und wurde damit Europameister.
Am Sonnabend sind je nach Windbedingungen Höchstweiten von etwa 85 bis 90 Meter zu erwarten. Als Favoriten bei den Männern gelten Mike Plähn vom Gastgeber VSHB und Sören Bruhn vom FKV. In allen vier Klassen haben die Boßler und Boßlerinnen aus Schleswig-Holstein gute Medaillenchancen.
Tag 3: Mit der Eisenkugel über die Bundesstraße
Den Abschluss der diesjährigen EM bildet das Straßenboßeln. Auch hier machen die Boßler und Boßlerinnen zehn aufeinanderfolgende Würfe. Es zählt wie beim Feldboßeln am ersten Tag die Flug- und Rollweite der Kugel. Nur, dass diesmal nicht auf einer Wiese geworfen wird, sondern auf der Landesstraße 297 von Süderhastedt aus in Richtung nach Großenrade (Kreis Dithmarschen).
Auch die Kugel ist eine andere: die irische Eisenkugel kommt zum Einsatz. Sie wiegt 800 Gramm und hat ungefähr die Größe einer Billardkugel. Auch hier gilt: Dort, wo die Eisenkugel nach einem Versuch landet, dort wird der nächste Versuch gestartet. Wer insgesamt die größte Distanz zurücklegt, gewinnt.
Straßenboßeln ist Präzisionssache
In dieser Disziplin sind die Boßler und Boßlerinnen aus Irland besonders stark. Aber auch die anderen Verbände erkämpften sich in der Vergangenheit immer wieder Medaillen in der Einzelwertung. Wie schon beim Feldboßeln kommen auch hier unterschiedliche Techniken zum Einsatz. Es geht darum, die kleine Eisenkugel mit Kraft und Präzision bei jedem Wurf möglichst lange auf der Straße zu halten.
Am Ende jedes einzelnen Wettkampftages gibt es eine große Siegerehrung, bei der die erfolgreichen Boßler und Boßlerinnen ihre Einzel- und Mannschaftsmedaillen erhalten. Am Sonntagabend folgt dann noch ein gemeinsames Abendessen mit allen Verbänden, bevor diese sich wieder auf die Rückreise in ihre Heimat machen.
Nächste EM 2024 in Ostfriesland
Auf die nächste Europameisterschaft müssen alle Beteiligten gar nicht lange warten: Bereits in zwei Jahren ist der Friesische Klootschießerverband Ausrichter der 17. Europameisterschaft. Die Schleswig-Holsteinischen Boßler und Boßlerinnen können sich dann ausschließlich auf das Sportliche konzentrieren. Sie sind voraussichtlich erst wieder im Jahr 2040 dran.
