Bahnreisende stehen auf einem Bahnsteig im Kieler Hauptbahnhof nach zahlreichen Zugausfällen in Folge einer Störung bei der Bahn. © Daniel Friederichs

Bahnchaos zum Ferienbeginn: So lief es in SH

Stand: 09.10.2022 11:14 Uhr

Lange Schlangen an den Info-Schaltern, überfüllte Züge, gestresste und verzweifelte Reisende: Das waren die Folgen einer Sperrung der Deutschen Bahn, die am Sonnabendvormittag fast ganz Norddeutschland betraf.

von Marina Heller

Es sind Szenen wie zum Start des Neun-Euro-Tickets. Überfüllte Züge und verzweifelte Reisende, die versuchen, ihr Ziel zu erreichen. Viele Passagiere geben frustriert ihre Reisepläne auf oder suchen nach Alternativen. Der Grund ist am Sonnabendvormittag jedoch kein günstiges Ticket, sondern eine Störung im Zugfunk, die fast zum kompletten Stillstand im Bahnverkehr führt. Nach Angaben der Bahn und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) wurden absichtlich Kabel beschädigt.

Am späten Vormittag ist die Störung zwar behoben, aber die Lage entspannt sich nur langsam.

Gedränge in den Zügen und am Bahnhof

So ist in Kronshagen die Freude zunächst groß, als die Regionalbahn in Richtung Kiel pünktlich abfährt. Dann die erste Ernüchterung: Die Regionalbahn muss für 15 Minuten vor dem Kieler Hauptbahnhof warten. Grund hierfür: Alle Gleise im Bahnhof sind belegt.

Kurz vor Ankunft beginnt das Drängeln in der Bahn. Dabei wird keine Rücksicht auf eine ältere Dame genommen, die auf einem Notsitz Platz genommen hat. Sie wird nach dem Öffnen der Türen von der Menge einfach hinausgeschoben. Gleichzeitig drängen die ersten Passagiere schon wieder in die Bahn und erobern sich Sitzplätze.

Ratlose Reisende

Kaum ausgestiegen, wird das ganze Ausmaß der "Störung im Betriebsablauf" sichtbar. Viele Reisenden Richtung Flughafen Hamburg wissen nichts von der Alternative des "Kielius", sodass dieser gegen 11.15 Uhr fast leer in Richtung Hamburg losfährt. Eine Nachfrage am Hamburger Flughafen ergibt, dass sich Reisende bei Verspätungen an die Deutsche Bahn oder die Fluggesellschaft wenden sollen. Ein verzweifelter Fluggast erzählt, dass er bereits seit drei Stunden erfolglos versucht, die Deutsche Bahn zu erreichen.

Die Warteschlangen vor dem Reisezentrum und dem Info-Schalter sind lang. Am Taxi-Stand vor dem Bahnhof warten viele Wagen, es ist allerdings fraglich, ob die Deutsche Bahn im Nachhinein für die entstandenen Kosten aufkommt. Taxigutscheine müssen direkt von einem Bahn-Mitarbeitenden ausgestellt werden, ansonsten wird es schwierig, die entstanden Kosten später einzufordern.

Die Bahn selbst teilt am Sonnabend mit, dass Fahrgäste, die ihre geplante Reise aufgrund der Störung verschieben möchten, ihr bereits gebuchtes Ticket für den Fernverkehr bis einschließlich sieben Tage nach Störungsende flexibel nutzen können. Sitzplatzreservierungen können kostenfrei storniert werden.

Zeitweise keine Mietwagen verfügbar

Für Menschen mit einem wichtigen Termin wird die Situation am Sonnabendvormittag jedoch immer brenzliger. Mietwagen sind zu diesem Zeitpunkt keine Alternative. Die Anbieter Europcar, Sixt und Hertz teilen mit, dass es in ganz Schleswig-Holstein keine verfügbaren Fahrzeuge mehr gibt. Auch Mitfahrplattformen im Internet laufen am Limit. Einige der bekannten Portale lassen sich nicht mehr laden.

Ebenfalls unschön ist die Situation für Passagiere, die unterwegs zur in Kiel liegenden "AIDAnova" sind. Die Reederei reagiert schnell auf die Situation und organisiert Shuttlebusse, um die gestrandeten Gäste am Hamburger Hauptbahnhof abzuholen. Es wird zu diesem Zeitpunkt auf die Check-In Zeit verzichtet.

Chaos nach Freigabe der Strecke

Zurück im Kieler Hauptbahnhof fährt der erste Regionalzug Richtung Hamburg zunächst nur bis Elmshorn, weil sich um den Hamburger Hauptbahnhof noch zahlreiche Züge stauen. Plötzlich gibt es die Information, dass die Bahn bis Altona durchfahren könnte. Die Zugbegleiterin schüttelt verzweifelt den Kopf und versucht, Rücksprache mit ihrem Arbeitgeber zu halten. Es gibt keine Angaben darüber, wann und wohin die Regionalbahn wirklich fährt.

Kurze Zeit später stellt sich heraus, dass die Lok einen technischen Defekt hat und nicht losfahren kann. Die Menschenmasse rennt ohne Rücksicht auf Verluste zum nächsten Gleis. Reisende mit Fahrrad blockieren ein Abteil, sodass für einen Rollstuhlfahrer kein Platz mehr ist.

Der ältere Herr bricht in Tränen aus, als er vor der Bahn zurückgelassen wird. Die Aufforderung der Zugbegleiterin, Platz zu schaffen, bleibt ungehört. Ein kleines Kind wird von seiner Mutter getrennt und steht ebenfalls weinend am Bahnsteig.

Bahn: Ermittlungen zur Sabotage laufen

Am frühen Nachmittag löst sich das Bahnchaos vor allem im Regionalverkehr dann weitgehend auf. Im Fernverkehr gibt es teilweise noch Einschränkungen. Die Deutsche Bahn teilt mit, dass die zuständigen Sicherheitsbehörden die Ermittlungen aufgenommen haben.

Weitere Informationen
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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 08.10.2022 | 19:30 Uhr

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