Ein Einsatzfahrzeug der Polizei steht im Stadtteil Donnerschwee neben einem Gully, in dem der vermisste Jungen Joe am 25. Juni 2022 lebend gefunden wurde. © picture alliance/dpa Foto: Hauke-Christian Dittrich

Viele Unklarheiten im Fall Joe: Mit Robotern auf Spurensuche

Stand: 26.06.2022 14:16 Uhr

Nach acht Tagen Suche wurde der vermisste Joe aus Oldenburg lebend gefunden. Die Freude ist groß - aber viele Fragen sind offen. Die Polizei verfolgt nach NDR Informationen zwei Theorien.

Eine These besagt, dass der geistig behinderte Junge durch Seiteneingänge oder Rohre in das Kanalsystem gelangte und sich dort möglicherweise verirrt hat. Dass er den Gullydeckel, unter dem er Samstagfrüh gefunden wurde, geöffnet und wieder geschlossen haben könnte, gilt wegen dessen hohen Gewichts als ausgeschlossen. Die zweite Theorie, die die Polizei weiterhin nicht ausgeschlossen hat, besagt, dass doch eine Straftat hinter dem tagelangen Verschwinden des Kindes steckt.

Vermisster Joe: Roboter sollen Kanalsystem in Oldenburg absuchen

Die Polizei ermittele in alle Richtungen, hieß es am Wochenende. Seit Sonnabend wird rund um die Kanalisation nach Spuren gesucht. Dabei sollen nun auch Roboter eingesetzt werden und die unterirdischen Kanäle nach Hinweisen absuchen, wie die Polizei am Sonntag mitteilte. Die Rohre seien teilweise so schmal, dass dort kein Erwachsener durchkomme, sagte ein Sprecher. Bereits am Sonnabend hatten die Beamten auch nach anderen möglichen, oberirdischen Eingängen in die Kanalisation gesucht. Ermittlerinnen begutachteten zudem einen wohl nicht abgedeckten, eckigen Schacht - ganz in der Nähe des Gullydeckels, unter dem Joe gefunden wurde.

Polizei will Joe in den nächsten Tagen befragen

Ob Joe trotz seines geistigen Handicaps Licht ins Dunkeln bringen kann, ist unklar. Dem Kind gehe es den Umständen entsprechend gut, teilte die Polizei am Sonntag mit. Bislang haben die Ermittler den Achtjährigen, der äußerlich keine erkennbaren Verletzungen aufwies, nicht befragt. Man wolle dem Kind erstmal Ruhe gönnen und ihn in den kommenden Tagen befragen, hieß es. Auch Mediziner setzen auf den Faktor Zeit: Joe müsse sich jetzt erstmal richtig erholen von den Strapazen der vergangenen Tage, hieß es aus der Kinderklinik.

Joe gefunden: Vater dankt Menschen für die Unterstützung

Bereits am Sonnabend besuchten Joes Eltern ihn im Krankenhaus. Eine Sprecherin des Klinikum Oldenburg zitierte Joes Vater, der ausrichten lasse: Joe gehe es den Umständen entsprechend gut. Der Vater bedanke sich zudem ganz herzlich für die tolle Hilfe bei allen Menschen, die das Kind gesucht haben.

Wie lange war vermisster Joe in der Kanalisation?

Offen ist unter anderem, wie und wann der Junge in die Kanalisation kommen konnte - und auch, wie lange Joe sich dort aufhielt. Unklar bleibt bislang auch, warum Hunde bei der Suche nach dem Jungen nicht angeschlagen hatten. Wie Joe an ausreichend Wasser gelangen konnte, ist ebenfalls nicht eindeutig geklärt. Weil er in einem Abfluss-Schacht für Regenwasser gefunden wurde, könnte er zumindest etwas zu Trinken gehabt haben, sagte ein Polizeisprecher.

Spürhunde schlugen fünf Kilometer entfernt an

Die Polizei hält sich mit Informationen auch zurück, weil sie nicht ausschließen, dass jemand Joe in dem Kanal eingesperrt hat. Zu Details, etwa welche Kleidung Joe beim Auffinden trug und in welchem Zustand sie war, machten die Ermittler bislang keine Angaben. Zu den offenen Aspekten des Falls zählt auch die Frage, warum Joe von Zeugen angeblich noch Mitte der Woche fünf Kilometer entfernt im Umfeld eines psychiatrischen Krankenhauses gesehen wurde - und dort auch Spürhunde anschlugen.

Fundort nur 200 Meter vom Elternhaus entfernt

Joe war Sonnabendfrüh gefunden worden. Ein Fußgänger hatte um 6.22 Uhr ein leises Weinen aus einem Gullyschacht in der Kranichstraße im Stadtteil Donnerschwee gehört - nur etwa 200 Meter von Joes Elternhaus entfernt, wie ein Polizeisprecher berichtete. Der Mann rief sofort die Polizei. Minuten später öffnete die Feuerwehr den Gullydeckel und fand Joe im Kanalschacht. Feuerwehr und Polizei befreiten den äußerlich unverletzten Jungen aus dem Schacht. Aufgrund der Temperaturen in der Nacht sei er aber "deutlich unterkühlt", so der Sprecher.

Suche mit Hubschraubern, Spürhunden und Drohnen

Zuvor lief über Tage hinweg eine groß angelegte Suche nach dem geistig behinderten Jungen. Die Polizei hatte bereits eine Mordkommission eingerichtet. In Oldenburg hatten sich viele Menschen immer wieder auf eigene Faust auf die Suche gemacht, parallel und in Absprache mit der Polizei, die verschiedenen Hinweisen nachgegangen war. Sie hatte mit Spürhunden, Hubschraubern und Drohnen nach dem Jungen gesucht. Joe war am 17. Juni zum letzten Mal gesehen worden. Die Annahme der ersten Tage, dass sich das Kind bewusst verstecken könnte, hatte ein Polizeisprecher noch am Donnerstag als zunehmend unwahrscheinlich bezeichnet. Ermittelt wird gegen Unbekannt. Aufgrund einer Zeugenaussage bestand der Verdacht, dass der Achtjährige Opfer eines Gewaltverbrechens geworden sein könnte. Ein Unglück hatte die Polizei ebenfalls nicht ausgeschlossen.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 27.06.2022 | 08:00 Uhr

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