Sicherheitsbehörden haben Corona-"Spaziergänge" im Blick
Nach erneuten Protesten gegen die Corona-Regeln erinnert Niedersachsens Innenministerium daran, dass dabei Gesetze gelten - auch, wenn Veranstaltende von "Spaziergängen" sprechen.
Innenminister Boris Pistorius (SPD) warnte davor, die für Versammlungen geltenden Regeln umgehen zu wollen. "Den vermeintlich unpolitischen Begriff des 'Spaziergangs' benutzen wir nicht. Er dient dazu, zu verschleiern, dass das Versammlungsrecht ausgehebelt werden soll", so der Minister. "Das werden weder die Versammlungsbehörden noch die Polizei hinnehmen, denn versammlungsrechtlich gibt es keine 'Spaziergänge'." Bei Versammlungen gelte das Versammlungsrecht: "Das grundrechtlich garantierte Freiheitsrechts zur kollektiven Meinungskundgabe gehört genauso dazu wie die Vorgaben der Versammlungsbehörden und der Polizei für die Versammlung, die konsequent umgesetzt werden."
Innenministerium: Verstöße werden geahndet
Die Sicherheitsbehörden beobachten die Entwicklung "bestimmter Gruppierungen und ihrer Kommunikationswege" genau, wie das Innenministerium mitteilte. Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz, die Corona-Regeln und die Allgemeinverfügungen der Kommunen würden konsequent geahndet, hieß es.
In Hannover rufen "Freie Niedersachsen" zur Demo auf
Mehr als 400 Personen, die am Montagabend in Hannover gegen die Corona-Politik auf die Straße gingen, spielten mit der Polizei regelrecht Katz und Maus. Wie die Polizei mitteilte, verließen die Teilnehmenden sofort in kleinen Gruppen die Menge, wenn die Polizei den Zug als Versammlung deklarierte. Rechtlich bestand dann keine Versammlung mehr. Später fanden sich die Menschen zum Teil wieder zusammen. Zu dem unangemeldeten Protest hatte nach Informationen des NDR in Niedersachsen die höchst umstrittene Gruppe "Freie Niedersachsen" aufgerufen. Sie wird vom Verfassungsschutz in Teilen als radikal bezeichnet. In dem Zusammenschluss engagieren sich demnach auch Reichsbürger und Rechtsextreme.
Aggressive Stimmung und verletzter Polizist
Anhängerinnen und Anhänger der Gruppierung "Freie Niedersachsen" protestierten auch in Bückeburg - mit 300 Personen, ebenfalls nicht angemeldet, wie die Polizei dort mitteilte. Den Beamten zufolge herrschte zeitweise aggressive Stimmung. Ein Großteil der Teilnehmenden sei ohne Mund-Nase-Bedeckung und ohne den erforderlichen Abstand durch die Innenstadt gezogen. Zwölf Ordnungswidrigkeitenanzeigen wurden aufgenommen, außerdem Strafanzeige gegen eine Frau erstattet, die einen Polizisten leicht verletzte, als sie sich widersetzte, ihre Personalien anzugeben.
"Zeichen gegen Vereinnahmung durch Querdenker"
In den Landkreisen Nienburg und Schaumburg zählte die Polizei bei verschiedenen Versammlungen insgesamt rund 1.100 Menschen. Sie beteiligten sich an angemeldeten oder nicht angemeldeten Aktionen. "Grundsätzlich verliefen die Versammlungen friedlich und kooperativ", so die Beamten. Es kam auch zu Gegendemonstrationen. In Hildesheim und im benachbarten Bad Salzdetfurth kamen nach Behördenangaben Menschen im unteren dreistelligen Bereich zusammen. Die Polizei teilte mit, dass der Bürgermeister der Stadt, Björn Gryschka (parteilos), zusammen mit mehreren Ratsmitgliedern vor Ort war, "um ein sichtbares Zeichen gegen die Vereinnahmung des Rathauses durch Querdenker und Corona-Leugner zu setzen". Auch im Landkreis Göttingen trafen sich an mehreren Orten Menschen zu sogenannten Spaziergängen.
Braunschweiger Polizei mahnt: Von Rechten abgrenzen
Die Braunschweiger Polizei riet dazu, sich bei den sogenannten Montagsspaziergängen deutlich von Rechtsextremen abzugrenzen. Es sei ratsam, genau hinzusehen, mit wem man auf die Straße geht, sagte die Sprecherin der Polizeiinspektion Braunschweig, Caroline Scherf, dem NDR in Niedersachsen. In Braunschweig hatten am Montagabend rund 1.700 Menschen gegen die Corona-Maßnahmen protestiert, darunter stadtbekannte Neonazis. Der "Spaziergang" verlief überwiegend friedlich. Nach Polizeiangaben wurde jedoch ein Polizist von einem Rechtsextremen angegriffen und leicht verletzt. Der Mann versuchte den Angaben zufolge, sich gegen seine Ingewahrsamnahme zu wehren.
Wolfsburg: Kinderwagen als Schutz vor der Polizei?
800 Personen demonstrierten in Wolfsburg. Hier informierte die Polizei, "dass durch Versammlungsteilnehmer mehrfach Kinder und Kinderwagen nach vorne in die erste Reihe unmittelbar vor die Polizeikräfte geschoben wurden, offensichtlich, um vermeintlich bevorstehende polizeiliche Maßnahmen zu verhindern." Ansonsten sei es aber zu keinen nennenswerten Zwischenfällen gekommen.
Platzverweise in Wilhelmshaven
In Wilhelmshaven leitete die Polizei 40 Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen Demonstrierende ein und sprach Platzverweise aus. Unter anderem wurde auch in Salzgitter, Holzminden, Bad Pyrmont, Bad Münde, Delmenhorst, Nordenham, Brake und Wildeshausen demonstriert.
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