2G-Plus stößt auf immer größeren Widerstand in Niedersachsen
Die seit Mittwoch geltende 2G-Plus-Regel sorgt in vielen Bereichen für Unmut. Auch die Opposition im Landtag hält die Testpflicht für unausgegoren - ebenso wie die neue Befreiung für Booster-Geimpfte.
Von Geimpften und Genesenen einen negativen Corona-Test zu fordern, ist aus Sicht der Oberbürgermeisterkonferenz überzogen. Dies sei ein "Lockdown durch die Hintertür", teilte das Gremium des Niedersächsischen Städtetages mit. Darüber hinaus führe 2G-Plus zu einem massiven Vertrauensverlust bei Geimpften, sagte der Vorsitzende, Salzgitters Oberbürgermeister Frank Klingebiel (CDU). Derzeit gebe es zu wenig Testmöglichkeiten, zudem könne das Coronavirus bei geimpften Personen über einen Schnelltest nicht in jedem Fall sicher nachgewiesen werden.
Rückkehr zu 2G gefordert
Menschen mit einer Booster-Impfung von der Testpflicht zu befreien, sei gut - löse aber das Problem nicht, so Klingebiel weiter. "Im Gegenteil: Dadurch wird ein noch größerer Run auf die Booster-Impfungen ausgelöst, der ebenfalls nicht befriedigt werden kann", so Klingebiel. Auch Braunschweigs Oberbürgermeister Thorsten Kornblum (SPD) spricht sich dafür aus, dass die Landesregierung die 2G-Plus-Regelung überprüft. Als Grund nannte er neben fehlenden Testkapazitäten ebenfalls die Engpässe beim Impfstoff. "2G sollte wieder die Regel werden, sodass alle vollständig Geimpften die Möglichkeit haben, sich nach dem empfohlenen Zeitraum rechtzeitig ihren Booster abzuholen und bis dahin von den Vorteilen des vollständigen Impfschutzes in vertretbarem Rahmen profitieren zu können."
Landkreistag sieht Ungleichbehandlung
Der Landkreistag sieht das genauso. Hauptgeschäftsführer Hubert Meyer fürchtet um das Verständnis bei Menschen, die erst seit Kurzem doppelt geimpft sind und deren Impfschutz ebenso gut sei. Sie anders zu behandeln, sei nicht gerechtfertigt, sagte Meyer dem NDR in Niedersachsen.
"Chaotische Zustände" an Teststellen
Der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund berichtete aus allen Landesteilen von "unhaltbaren, teils chaotischen Zuständen" an den Teststellen. "Die aktuellen Testangebote reichen bei Weitem nicht aus", sagte Geschäftsführer Oliver Kamlage. Während sich in größeren Städten oft lange Schlangen vor den Teststellen bildeten, müssten in ländlichen Regionen Bürgerinnen und Bürger oft viele Kilometer fahren, um überhaupt eine Teststelle zu erreichen, so Kamlage. Zudem seien Test-Termine oft lange im Voraus ausgebucht.
"Gefangen auf der Insel"
Auch auf der ostfriesischen Insel Langeoog ist der Unmut über die neue Vorgabe groß. "Es wird da etwas einfach beschlossen, ohne dass die Kapazitäten dafür da sind", sagte Inselbürgermeisterin Heike Horn (parteilos). Das einzige Testzentrum auf der Insel habe zwar seinen Betrieb von drei auf sechs Tage ausweiten können und auch einige Vermieter und Hotels ermöglichten nun Tests. "Aber das reicht bei Weitem nicht", so Horn. Bis nächste Woche seien nahezu alle Termine schon ausgebucht. Wer keine Testmöglichkeit finde, müsse auf der Insel bleiben - oder komme vom Festland nicht wieder zurück. "Gefangen auf der Insel", skizzierte die Bürgermeisterin die Lage. "Je mehr Gäste kommen, umso schwieriger wird das."
Kunden müssen Tests mitbringen
Kritik gibt es auch aus der Wirtschaft. Zwar dürfen etwa in Gastronomiebetrieben und Friseursalons Schnelltests beaufsichtigt und ein negatives Testzertifikat ausgestellt werden. Das funktioniere aber nur, wenn die Kundinnen und Kunden einen Selbsttest mitbringen, sagte Manuela Härtelt-Dören, Landesinnungsmeisterin des niedersächsischen Friseurhandwerks aus Göttingen. "Das Problem ist, dass es vielerorts gar keine Schnelltests mehr gibt und die Kunden dann einfach gar nicht kommen können. Ohne Test können wir niemanden hereinlassen." Für Schnelltests in Apotheken gebe es in der Region um Göttingen erst ab Mitte Dezember wieder Termine.
FDP besorgt um Gastro- und Veranstaltungsbetriebe
Die Landtagsopposition fürchtet angesichts der strengen Regelung um die Zukunft der betroffenen Unternehmen. FDP-Fraktionschef Stefan Birkner rief die rot-schwarze Koalition auf, sofort einen Gastro-Gipfel einzuberufen und gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Das Thema müsse "zur Chefsache" gemacht werden. "Die Gastronomen und Veranstalter brauchen sofort eine Perspektive, sonst erleben wir ein flächendeckendes Restaurantsterben", sagte Birkner. Gäste blieben aus, ihre Geschäfte kämen zum Erliegen.
Grüne: Rücknahme von 2G-Plus für Geboosterte ist "Kurzschlussreaktion"
Auch die Grünen-Fraktionsvorsitzende Julia Willie Hamburg übt deutliche Kritik: Auf die unvorbereitet eingeführte Testpflicht für Geimpfte folge nun eine Kurzschlussreaktion. "Weiterhin muss sich der Großteil der Geimpften täglich testen lassen, um auf den Weihnachtsmarkt, in Restaurants oder zum Friseur zu gehen oder andere unter 2G-Plus stehende Dinge zu tun", sagte Hamburg. Das Testen sei in der vierten Welle das zentrale Instrument, um Infektionen frühzeitig zu erkennen. Umso entscheidender sei es - auch angesichts der neuen Omikron-Variante - regelmäßig zu testen. Das gelte auch für Geimpfte.
