Corona: Oft gestellte Fragen zur aktuellen Lage
Obwohl die Corona-Inzidenz derzeit auf einem hohen Niveau liegt, ist es schwierig, den Überblick zu behalten: Wie viele Menschen sind derzeit wirklich infiziert? Wie ist die Situation in den Krankenhäusern?
von Nele Rößler
Auch zum Thema vierte Impfung gab es zuletzt widersprüchliche Aussagen aus Politik und Wissenschaft. Hier fassen wir daher die aktuelle Situation zusammen und beantworten derzeit oft gestellte Fragen.
Wie hoch ist die Dunkelziffer bei den Corona-Neuinfektionen?
Laut dem Berufsverband in Deutschland anerkannter medizinischer Labore ALM liegt die Testpositivrate gerade bei über 55 Prozent. Das heißt: Mehr als jeder zweite, der einen PCR-Test macht, ist Corona-positiv. Das spricht für eine hohe Dunkelziffer und dafür, dass die aktuell gemeldeten Sieben-Tage-Inzidenzen die Lage nur zum Teil wiedergeben. Wie hoch diese genau ist, ist nicht bekannt. Eine Studie des Robert Koch-Instituts in einer Gemeinde in Baden-Württemberg hat gezeigt, dass es dort 3,7 mal mehr Infektionen gegeben haben muss als offiziell gemeldet.
Wer bekommt noch einen kostenlosen oder bezuschussten Schnelltest?
Kostenlose Antigen-Schnelltests auf Staatskosten gibt es nach der seit dem 30. Juni geltenden Testverordnung nur noch für Risiko- und weitere ausgewählte Gruppen. Dazu zählen zum Beispiel Besucher von Pflege- und medizinischen Einrichtungen, pflegende Angehörige, Kinder unter 5 Jahren, Schwangere, die sich im ersten Drittel der Schwangerschaft befinden und chronisch Kranke, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können. Auch für die bezuschussten Bürgertests mit einer Eigenbeteiligung von drei Euro ist es notwendig, den Anspruch nachzuweisen. Das geht etwa mit der Eintrittskarte für eine Veranstaltung, dem Vorzeigen der Corona-Warn-App oder bei Kontakten zu Risikopatienten mit einer Selbstauskunft. Ob ein Anspruch auf einen kostenlosen oder bezuschussten Test besteht, müssen Apotheken und andere Teststellen prüfen. Bürgerinnen und Bürger müssen entsprechende Nachweise vorlegen.
Ist es weiter wichtig, einen PCR-Test zu machen?
PCR-Tests schlagen auch bei den neuen Varianten an. Um weiterhin einen Überblick über die Infektionszahlen zu bekommen, ist es auf jeden Fall sinnvoll, sich beim Verdacht auf eine Infektion PCR-testen zu lassen. Denn nur durch PCR-Tests bestätigte Infektionen gehen in die offizielle Statistik ein.
Was gilt zu Quarantäne und Isolation?
Am 28. April verständigten sich Bund und Länder darauf, die Isolationszeit von Corona-Infizierten auf fünf Tage zu verkürzen. Die Gesundheitsminister begründeten den Schritt mit einer zunehmenden Immunität in der Bevölkerung und durch mildere Krankheitsverläufe der Omikron-Variante. Nach der Isolation wird ein abschließender negativer Test dringend empfohlen, weil viele Infizierte nach fünf Tagen noch ansteckend sein können. Das RKI hat dazu neue Leitlinien veröffentlicht. Für infiziertes Personal im Gesundheitswesen ist ein solcher "Freitest" weiterhin verpflichtend. Die Isolation für Infizierte wird weiterhin von den Gesundheitsämtern angeordnet. Allerdings fordern einige FDP-Politiker die Aufhebung der Isolationspflicht. Parteivize Wolfgang Kubicki etwa sagte, die Entscheidung darüber solle jedem selbst überlassen werden.
Wie viele Menschen kommen derzeit wegen einer Corona-Erkrankung ins Krankenhaus?
Im Moment kommen deutschlandweit rund 2.000 Covid-Infizierte täglich ins Krankenhaus. Insgesamt sind gerade etwa 18.000 Menschen hospitalisiert, die positiv auf Sars-CoV-2 getestet wurden. Dabei wird allerdings nicht unterschieden, ob jemand explizit wegen Covid-19 ins Krankenhaus kommt oder Corona nur als Nebendiagnose gestellt wird. Denn diese Unterscheidung ist laut Deutscher Krankenhausgesellschaft oft nicht möglich. Etwa 1.300 Menschen liegen derzeit mit einer Covid-19-Erkrankung auf der Intensivstation. Auch hier wird nicht zwischen Haupt- und Nebendiagnose unterschieden, da das oft nicht möglich ist.
Wie viele Menschen sterben an Sars-CoV-2?
In der vergangenen Woche wurden je nach Meldetag zwischen null am Montag und 177 Todesfällen am Donnerstag gemeldet. Montags liegen die Zahlen vom Wochenende oft noch nicht vor.
Für wen ist eine Infektion gefährlich?
Besonders gefährdet sind ungeimpfte Menschen ab 60 Jahren, Raucherinnen und Raucher und Menschen mit Vorerkrankungen.
Wer sollte eine zweite Booster-Impfung bekommen?
Die Europäische Union empfiehlt Menschen über 60 Jahren eine zweite Corona-Auffrischungsimpfung. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach sich vor einigen Tagen dafür aus, auch Menschen unter 60 Jahren ein viertes Mal zu impfen. Thomas Mertens, der Chef der Ständigen Impfkommission (Stiko) in Deutschland, kritisierte dies und sagte, er kenne keine Daten, die einen solchen Ratschlag rechtfertigten. Die Stiko empfiehlt die vierte Impfung nur für über 70-Jährige, für Bewohner von Alten- und Pflegeheimen sowie Beschäftigte in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen, vor allem wenn sie direkten Patientenkontakt haben. Die Stiko rät aber auch allen Erwachsenen mit einer Immunschwäche und Kindern über fünf Jahren mit einer Immunschwäche zu einer vierten Impfung.
Wann sollte man die vierte Impfung bekommen?
Bei Menschen, die gesundheitlich gefährdet sind, also zum Beispiel eine Vorerkrankung haben, soll die zweite Auffrischungsimpfung frühestens drei Monate nach dem ersten Booster verabreicht werden, bei Beschäftigten im Gesundheitswesen frühestens nach einem halben Jahr. Generell empfiehlt die Stiko einen Abstand zwischen Infektion und Impfung von drei Monaten.
Sollten sich auch Menschen ein viertes Mal impfen lassen, wenn sie gerade erst eine Infektion hatten?
Zwischen Infektion und Impfung sollten mindestens drei Monate liegen. Das heißt, wer sich jetzt infiziert, sollte mit einem Booster noch drei Monate warten.
Wie lange hält der Impfschutz an?
Es ist schwierig pauschal zu sagen, wie lange die Impfung vor einem schweren Verlauf schützt - zum einen wegen möglicherweise auftretenden neuen Virusvarianten. Aber auch, weil die Immunabwehr der Menschen sich individuell unterscheidet, je nach Alter, Geschlecht und auch Impfstoff. Expertinnen und Experten rechnen aber damit, dass die Wirksamkeit gegen einen schweren Verlauf nach drei Impfungen mit den Impfstoffen von Biontech und Moderna auch nach sechs Monaten noch hoch ist.
Wann kommt der an Omikron angepasste Impfstoff?
Es ist anzunehmen, dass an Omikron angepasste Impfstoffe im Herbst zur Verfügung stehen. Florian Krammer, Professor für Impfstoffkunde an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York, empfiehlt gesunden Personen unter 65 Jahren mit der vierten Impfung auf diesen angepassten Impfstoff zu warten.
Wer hat das größte Risiko, an Long Covid zu erkranken?
Chronische und psychische Vorerkrankungen und ein schwerer Covid-19-Verlauf scheinen das Risiko für Long Covid am stärksten zu erhöhen. Und es tritt besonders im jungen bis mittleren Erwachsenenalter auf, eher bei Frauen und bei wirtschaftlich benachteiligten Menschen. Als weitere Risikofaktoren gelten eine frühere Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus und eine Diabetes-Erkrankung. Auch Menschen in Gesundheitsberufen sind eher betroffen, weil sie sich häufiger infizieren und somit auch die Wahrscheinlichkeit für eine Long-Covid-Erkrankung steigt. Zudem gibt es Hinweise, dass die Covid-19-Impfung das Risiko, an Long Covid zu erkranken, verringert.
Wie viele Menschen sind von Long Covid betroffen?
Die Zahl ist schwierig zu benennen. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin schätzt aber, dass zirka zehn Prozent aller Covid-19-Erkrankten Langzeitfolgen haben. Bis jetzt gab es in Deutschland fast 30 Millionen gemeldete Covid-Infektionen, rechnerisch könnten also drei Millionen Menschen von Long Covid betroffen sein. Da die Dunkelziffer der Infizierten sicherlich höher ist, leiden wahrscheinlich auch mehr Menschen an Long Covid.
Dieses Thema im Programm:
NDR Info | Infoprogramm | 25.07.2022 | 07:20 Uhr
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