Gemischtes Echo auf "Das Rheingold"-Premiere in Bayreuth
Am Sonntagabend feierte "Das Rheingold" von Regisseur Valentin Schwarz Premiere bei den Bayreuther Festspielen. Wagners Mythos wird in dieser Neuinterpretation zur Familiensaga der Gegenwart.
Ziemlich ungezogen ist er, dieser Ring, und zwar im Wortsinn. Der Ring, der Macht über die ganze Welt verleiht, ist bei Regisseur Valentin Schwarz nämlich kein Bühnenrequisit, kein Ding, sondern ein kleiner Junge. Und zwar ein richtig übler, asozialer kleiner Racker. Im Kinderhort spritzt er mit Malfarbe um sich, versaut alles und tyrannisiert die Mädchen. Der Ring ist also ein Mensch und der Nibelungenhort, der sagenhafte Goldschatz, ist ein Kinderhort. Das ist die Grundidee der Neuinszenierung des "Rheingold" bei den Bayreuther Festspielen 2022, und die muss man erst mal schlucken.
Regisseur Schwarz erzählt "Ring" als Familiensaga
Regisseur Valentin Schwarz verzichtet konsequent auf Mythos und alles Märchenhafte. Donnergott Loge schwingt nicht den Hammer, sondern den Golfschläger und kriegt prompt einen Hexenschuss. Das alles ist ganz unterhaltsam, aber auch nicht wahnsinnig witzig. Und vor allem wenig ertragreich. Dabei steckt in der Idee, den Ring als Familiensaga zu erzählen, durchaus Potenzial.
Richard Wagners Götter-Zwergen-Menschen-Mischpoke und unsere modernen Patchwork-Familien haben ganz sicher einiges gemeinsam. Und tatsächlich geht es bei Wagner ständig um Erziehungsprobleme. Deshalb ist der Beginn verheißungsvoll. Während des Vorspiels sieht man in einer Filmprojektion zwei Embryonen im Mutterleib. Der eine schlägt mit seinem kleinen Schädel an das Auge seines Zwillingsbruders. Kain und Abel, Romulus und Remus. Die Familienkonstellation bestimmt unser Schicksal, zumal das Private bekanntlich ohnehin politisch ist.
Klischeehafte Geschichte um Kinderhändlerring
Doch von der realen Welt heutiger Familien bleibt diese Klischee-Story um einen Kinderhändlerring Lichtjahre entfernt. Was wir sehen, ist eine lauwarme Krimikomödie um Kindesentführung in einem Milliardärsclan. Wie soll das bloß drei lange weitere Abende tragen?
Großartig: Christa Mayer als Fricka
Musikalisch ist die Bilanz gemischt an diesem Abend. Wotan, gesungen von Egils Silins, bleibt immer rund und sonor. Das klingt eindrucksvoll, vermittelt aber wenig von den Zweifeln und Ängsten der Figur. Ganz auf stimmliche Kraftprotzerei setzt Olafur Sigurdarson als Alberich. Gesund klingt das nicht, gefährlich erst recht nicht. Immerhin Daniel Kirch als Loge macht seine Sache nicht schlecht, bleibt aber etwas blass und reizt seine Rolle als Spielmacher nicht aus. Großartig gestaltet Christa Mayer als Fricka. Ihre Stimme ist herb, charaktervoll und hat viel zu erzählen.
Starke Leistung von Dirigent Cornelius Meister
Eine insgesamt starke Leistung zeigt Dirigent Cornelius Meister, der für den an Corona erkrankten Dirigenten Pietari Inkinen eingesprungen ist. Die Tücken der besonderen Bayreuther Akustik bewältigt er gut. Ziemlich sicher hält er Sänger und Orchester zusammen, nur die Ambosse der Nibelungen-Schmiede stolpern hinter dem Takt. Dafür hört man viele Details und ein reaktionsschnelles, quicklebendiges Orchester in meist angenehm raschen Tempi. Wenn es die Regie nicht bringt, musst der Dirigent retten. Doch das Spiel ist noch völlig offen. Wer weiß, was aus dem ungezogenen Goldjungen wird, wenn er erst groß ist.
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