Ein sinnliches Hörerlebnis: Ensemble Resonanz spielt Beethoven
Zusammen mit dem Ensemble Resonanz aus Hamburg hat der Pianist Gianluca Cascioli eine Klavierbearbeitung von Beethovens Violinkonzert aufgenommen.
Wie viele Klavierkonzerte hat Ludwig van Beethoven tatsächlich hinterlassen? Üblicherweise lautet die Antwort: fünf! Dann gibt es noch das Jugendwerk, das sogenannte Nullte in Es-Dur. Und - wenn die Chorfantasie außen vorbleibt - noch das "sechste", Beethovens eigenhändige Umarbeitung seines Violinkonzerts in D-Dur. Selten wird es gespeilt, selten aufgenommen; weil die Musik sich eben optimal auf der Geige entfaltet, heißt es immer.
Wer jetzt vorbehaltlos zustimmt, sollte sich dennoch fragen: Wie viel davon ist nur ein Bruch mit Hörgewohnheiten? Was diese Aufnahme rechtfertigt, ist eine Besetzung, die zeigt, wie es gehen kann: Der Pianist Gianluca Cascioli ist ein kongenialer Partner für das Ensemble Resonanz mit dem Dirigenten Riccardo Minasi. Mit großer Klarheit sorgt Cascioli dafür, dass der Solopart nicht ungelenk wirkt.
Bemerkenswerte Detailarbeit
Bemerkenswert ist die Detailarbeit im Ensemble Resonanz. Das Orchester ist gemischt: modernes Klavier, moderne Streicher und Holzbläser, Naturblechblasinstrumente mit modernen Mundstücken, Naturtrompeten mit Korrekturlöchern und historische Pauken.
Zum Paukenmotiv erscheinen militärisch anmutende Trompetensignale und ein Marschmotiv. Während für das Original, also die Violinfassung, keine Kadenz von Beethoven mehr erhalten ist, gibt es von ihm Kadenzen für diese Klavierfassung des Konzerts.
Kaum entzifferbare Anmerkungen
Das aber ist nicht alles auf der CD. Dem "sechsten" Klavierkonzert vorangestellt ist Beethovens viertes. Schon der arpeggierte Eröffnungsakkord macht klar, dass hier einiges anders ist. Was wissen wir? Wenig, doch immerhin so viel, dass Beethoven den Solopart bei der Uraufführung frei gestaltet hat. Carl Czerny zufolge spielte er "viel mehr Noten", als in der Partitur standen.
Davon zeugt auch ein Manuskript, das im Wiener Musikverein aufbewahrt wird, wie Riccardo Minasi erzählt: "Es ist die Handschrift eines Kopisten der damaligen Zeit, enthält aber einige handschriftliche Anmerkungen über den Klavierpart von Beethoven selbst. Der Orchesterpart ist exakt derselbe, aber der Klavierpart weist zahlreiche Unterschiede auf."
Etwa 100 Takte in den Ecksätzen hat Beethoven in brauner Tinte, auch mit Rotstift und Bleistift, mit Anmerkungen versehen. Offensichtlich in großer Eile, daher kaum entzifferbar. Riccardo Minasi und Gianluca Cascioli haben es dennoch geschafft.
Ein sinnliches Hörerlebnis
Das Ergebnis ist eine überraschend andere Werkgestalt, noch virtuoser und abwechslungsreicher. Dass auch der scheinbar unverändert gebliebene Orchesterpart knackiger wirkt, ist Riccardo Minasi zu verdanken, der mit überwiegend modernen Instrumenten ein ganz eigenes, intensives Klangbild formt, markant phrasierend ohne überzuinterpretieren. Die dynamische Balance ist fein kalibriert. Artikulation passiert hier auch zwischen den Tönen.
Deren Länge wird je nach Tempo und Kontext angepasst. Es gibt auch mehr Bogenstriche auf der Seite als üblich. Und das sind nur zwei von vielen kleinen Stellschrauben. Im letzten Satz etwa betonen die Holzbläser ihre Sforzati auf unbetonter Taktzeit.
Hier zahlt sich historische Informiertheit als sinnliches Hörerlebnis aus. Diese CD ist ein ideales Weihnachtsgeschenk, nicht nur für Beethovenfans!
Beethoven: Klavierkonzerte Nr 4 und 6
- Label:
- Harmonia Mundi
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Klassik
