CD der Woche: Herbert Blomstedt dirigiert Schubert
Am Montag wird der Dirigent Herbert Blomstedt 95 Jahre alt. In einem Alter, das nur wenige erleben dürfen, feiert der Schwede nun sein Debüt bei der Deutschen Grammophon, mit zwei Schubert-Sinfonien.
Herbert Blomstedt betritt fast 70 Jahre nach seinem ersten Auftritt als Dirigent bis heute mit jedem Konzert, mit jeder Aufnahme Neuland; kommt aus dem Staunen über die Musik nie heraus: "Das hat noch niemand gemacht vor ihm: acht Takte nur mit Hörnern am Anfang. Er hat eine ganze Melodie geschrieben für die zwei Hörner (singt)."
Blomstedts Gespür für Zeit, für Takt und Puls
Orchester lieben ihn, diesen freundlichen Asketen, der gerne auch mal vorsingt und der nur halb so alt wirkt, wie seine abgegriffene Partiturenmappe.
Das Einzige, was Blomstedt fürchtet, ist, in der Elbphilharmonie mehrfach hervorgeklatscht zu werden - wegen der weiten Wege. In Schuberts Großer C-Dur-Sinfonie schwelgt er dagegen in den "himmlischen Längen", von denen Robert Schumann schon geschwärmt hat. Denn wenn einer, der auf die 100 zugeht, etwas hat, dann ist es ein Gespür für Zeit, für Takt und Puls dieses längsten aller Schubert-Werke.
"Auch typisch ist diese Unsicherheit: Bin ich froh, oder bin ich traurig? Das sagt uns heutigen Zuhörern sehr zu; wir finden uns da selbst, so geht es ja uns allen. Aber es gibt doch auch Lichtpunkte - zum Beispiel diese Sinfonie", so Blomstedt.
Liebeserklärung an Schuberts große Formensprache
Mit zunehmendem Alter sage man ihm nach, so Blomstedt, immer temporeicher zu dirigieren. Das allerdings bestätigt diese Aufnahme nicht. Sie ist die pure Liebeserklärung an Schuberts große Formensprache - auch in der Unvollendeten Sinfonie.
Herbert Blomstedts Wirken ist noch lange nicht vollendet; bis 2025 ist er ausgebucht. Sein Schubert ist romantisch geradeaus, ohne Originalklangextreme. Und texttreu - nicht wie im Dresdner Schubertzyklus, bei dem er noch die alte Ausgabe verwendet hat, die von Brahms geglättet wurde. Besonders in der C-Dur-Sinfonie, jenem Werk, das einst im Gewandhaus mit Mendelssohn als Dirigent uraufgeführt wurde. Unter Leitung seines ehemaligen Kapellmeisters Blomstedt spielt das Gewandhausorchester Leipzig voller Hingabe.
"So eine Begeisterung! Und dieses Gefühl haben wir noch heute, wenn wir die Sinfonie hören." Wir kommen immer in eine ganz andere Landschaft, wo kein Corona ist, nur wunderbare Aussichten. Wir werden danach nicht die selben Menschen sein wie vorher."
Schubert: Sinfonien 8 & 9
- Label:
- Deutsche Grammophon