CD der Woche: Grigory Sokolov spielt auf Schloss Esterházy
Auf Schloss Esterházy gab der Pianist Grigory Sokolov 2018 ein Solorezital mit Klaviersonaten, die Haydn dort komponierte - sowie mit Impromptus von Franz Schubert. Von diesem Konzert ist eine CD entstanden.
Wer einmal in einem Konzert von Grigory Sokolov war, weiß, dass es aussieht, als würde er die Phrasen mitsprechen, nicht nur mitsingen. Und dass er möglichst wenig Aufhebens um sich selbst macht, beim Betreten der Bühne zum Flügel eilt und losspielt.
Grigory Sokolov: Wie ein Bildhauer
Eine enorme Detailfreude prägt sein Spiel, und das passt auch besonders gut zur Musik von Joseph Haydn, der sowohl den Schalk im Nacken haben kann als auch Melancholie.
Wie ein Bildhauer gestaltet Sokolov. Trotz manch manierierter Artikulation, die aber ja auch Haydn und seiner Zeit angemessen ist, wirkt sein Phrasieren sehr organisch. Und in diesem beredten Erzählfluss: grammgenaue Anschläge, brillante Triller.
Fesselnde Interpretationen
Grigory Sokolov spielt auf einem Steinway, der eigens für ihn eingerichtet wurde und der ihm die vielen klanglichen Nuancen ermöglicht, die er herausarbeiten möchte. Bei Sokolov verschmilzt Fingerlegato und wohldosierter Pedalgebrauch aufs Vortrefflichste. Und trotz des modernen Flügels hat er ein Instrument, wie Haydn es gehabt haben muss, ein Hammerklavier, offenkundig im Ohr. Das Pedal nutzt Sokolov sogar auch, um ein Zuviel an Klangfülle wegzunehmen und erst den verklingenden Ton zu pedalisieren.
Bei den Impromptus von Franz Schubert D 935 im zweiten Teil des Konzerts muss er weniger an Klangvolumen sparen. Sokolovs hochromantischer Schubert-Ton ist dennoch transparent, und man entdeckt - typisch Sokolov - immer wieder neue Details durch die Art seiner Stimmführung.
Auch wenn nicht jedes Tempo passend scheint, sind Sokolovs Interpretationen in sich total schlüssig und überzeugend, um nicht zu sagen: fesselnd.
Sokolovs Intensität und Spieltechnik sind nicht zu überbieten
Schubert ist in einem dreitägigen Fußmarsch nach Eisenstadt gereist, um Haydns Wirkungsstätte zu sehen und das Grab des Komponisten zu besuchen, den er für sein Ausloten "emotionaler Extreme" bewunderte. Diese Beschreibung passt auch zu Sokolov. Auch mit kleinen Patzern in diesem Livekonzert und mit Hustern und Rascheln aus den Publikumsreihen ist seine Intensität und seine Spieltechnik nicht zu überbieten.
Grigory Sokolov at Esterházy Palace
- Label:
- Sony Classical