CD der Woche: "Eclipse" von Hilary Hahn
Seit Jahrzehnten gehört die Geigerin Hilary Hahn zur absoluten Weltelite. Auf ihrem neuen Album kombiniert sie das Violinkonzert von Antonín Dvořák mit Werken von Alberto Ginastera und Pablo de Sarasate.
"Nahezu unspielbar" - wenn das eine Weltklasse-Geigerin wie Hilary Hahn über ein Violinkonzert sagt, dann horcht man auf. Noch dazu, wenn es eine Geigerin ist, die technisch derartig versiert ist wie die 42-jährige US-Amerikanerin. Aber so bewertet sie das Violinkonzert von Alberto Ginastera.
Und die Klippen in Ginasteras 1963 geschriebenem Konzert sind enorm - nicht nur im Solopart, sondern auch fürs Orchester. Rein formal geht Ginastera ganz neue Wege: Den ersten Satz teilt er in "Studien", die immer andere Gruppen des Orchesters vorstellen, im zweiten verlangt er "22 Solisten" und im dritten Satz lässt er immer mal Paganini aufblitzen. Wie hoch virtuos der Geigenpart ist, zeigt schon die Solo-Kadenz direkt am Anfang. Aber in Sachen Virtuosität reicht Hilary Hahn niemand so schnell das Wasser. Und auch das HR-Sinfonieorchester unter Andrés Orozco-Estrada macht hier einen hervorragenden Job.
Ausgebremst durch die Pandemie
Es wäre einfach zu sagen, Hilary Hahn meistert das Konzert mühelos. Und so klingt es auch. Aber es stimmt nicht. Im Booklet beschreibt sie, dass sie allen Mut zusammen nehmen musste für dieses lange geplante Album. Die Pandemie war ihr in die Parade gefahren, hatte sie ausgebremst, in die Isolation gezwungen. Verloren gingen ihr nicht nur Auftrittsmöglichkeiten, schreibt sie, sondern auch "meine Souveränität als Musikerin, mein Selbstvertrauen und - zu meiner Bestürzung - auch das Hauptventil zum Ausdruck meiner Emotionen."
Das von ihr sehr geliebte Konzert von Antonín Dvořák war es, dass ihr schließlich den Weg zurück bahnte: "Das Dvořák-Konzert zu spielen, erfüllte mich sofort mit neuem Leben."
Ein Album wie ein Befreiungsschlag
Im Dvořák-Konzert entwickelt sie eine enorme Wärme, die gerade die zarteren Passagen wirklich erblühen lässt. Die Selbstzweifel und Ängste aber trieben Hilary Hahn weiter um. Was es für eine Perfektionistin wie sie bedeutet, sich nicht wie geplant vorbereiten, sich mit dem Programm nicht in Konzerten erproben zu können, das lässt sich nur schwer ermessen. Gerade auch bei einem Werk wie der "Carmen-Fantasie" von Pablo de Sarasate, die sie für ihr Album "Eclipse" erstmals einstudiert hat. Ein echter Hit der Violinliteratur, ebenso anspruchsvoll wie bekannt.
Umso eindrucksvoller ist das mitreißende Resultat. Es scheint, als wäre das Album ganz persönlich ein Befreiungsschlag für Hilary Hahn. So wie sie es spürte, nachdem sie die "Carmen-Fantasie" spielte: "Ich war durchs Feuer und gestärkt daraus hervorgegangen, als Musikerin verwandelt, zu allem bereit."
Eclipse
- Label:
- Deutsche Grammophon