Stand: 06.04.2018 16:25 Uhr

Hamburgs Mitverantwortung am Genozid in Namibia

von Daniel Kaiser
Jürgen Zimmerer neben dem Askari-Relief.
Professor Jürgen Zimmerer fragt, woher Hamburgs Reichtum bis heute ursprünglich komme.

Um Hamburgs postkoloniales Erbe geht es am Wochenende auf einem großen Kongress - dem transnationalen Herero und Nama Kongress. Die beiden afrikanischen Volksgruppen wurden Anfang des letzten Jahrhunderts in Namibia von deutschen Kolonialtruppen ermordet. Es war der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts. Hamburg spielte damals eine Schlüsselrolle bei dem Genozid, berichtet Jürgen Zimmerer, Professor für die Geschichte Afrikas an der Hamburger Uni und Leiter der Forschungsstelle postkoloniales Erbe.

Welche Verantwortung trägt Hamburg heute?

Jürgen Zimmerer: Die Verantwortung besteht darin, dass man sich eben dieser Vergangenheit stellt und auch der Frage, woher der Reichtum Hamburgs, bis heute, im Grunde kommt? Die Stadt geht richtig damit um, dass sie diese Vergangenheit offensiv aufarbeitet - und damit die Vorreiterrolle im Kolonialismus umwandelt in eine Vorreiterrolle der Aufarbeitung des Kolonialismus. Denn Hamburg ist die Scharnierstelle, aber es ist natürlich das ganze Deutsche Reich in diesen Genozid involviert. Dass Hamburg das auf allen Ebenen in den Blick nimmt, durch die Forschungsstelle, durch Museen, durch den runden Tisch, ist natürlich etwas, was europaweit einzigartig ist.

Wie kam es denn damals zu diesem Völkermord in Namibia?

Zimmerer: Nachdem Deutsch-Westafrika 1884 unter deutschen Schutz gestellt wurde kam es 20 Jahre später zu einem verspäteten Widerstandakt der Herero und dann der Nama. Der wurde eben unter deutschen Befehl, unter Befehl Lothar von Trothas, im Grund brutalst unterdrückt und mündete in Genozid, weil von Trotha die Herero in die Wüste hat treiben lassen und die Wasserstellen blockierte. Daher verhungerten und vor allem verdursteten dort zehntausende von Menschen. Es kam dann zu einer zweiten Phase des Genozids in sogenannten Konzentrationslagern. Aus diesen Lagen stammen überwiegend auch diese Herero Schädel, die für rassistische Forschung nach Deutschland verbracht wurden.

Welche Rolle hat dabei Hamburg gespielt?

Zimmerer: Dieser Genozid wurde im Grund von 19.000 deutschen Soldaten durchgeführt, die zu 95 Prozent über Hamburg nach Namibia fuhren und eben auch wieder über Hamburg zurück nach Deutschland kamen, weil die Woermann Linie seit 1903 ein Monopol für Gruppentransporte nach Südwestafrika tätigte. So war Hamburg ein Schlüsselpunkt, eine Clearing-Stelle für diesen Krieg. Der lief im Grunde in Afrika, aber über Hamburg. Er war auch sichtbar, weil die Woermann Linie teilweise sogar Eintrittskarten für die Abschiedspartys auf diesen Schiffen unters Volk brachte, so dass man sagen kann: Dieser Genozid war sichtbar. In Hamburg konnte man den sehen und Hamburg war an entscheidender Stelle daran beteiligt.

Das heißt die Menschen hier, in der Stadt, wussten auch, was passiert. Denen war schon klar: Da werden Leute umgebracht.

Zimmerer: Das ist im Grunde aus der Nachbetrachtung auch ein Skandal, dass man im Grunde öffentlich schrieb, die Herero als Volk wären vernichtet worden, oder sie müssen vernichten werden, weil sie keine zivilisatorisch Leistungen gebracht hatten. Das heißt, das ist ein Vökermord, der ganz offen gerechtfertigt wird und über den man auch offen redete.

Gibt es heute noch Spuren in der Stadt, die auf diesen Völkermord verweisen?

Zimmerer: Man sieht an mehreren Stellen deutlich Hinweise, die auf den Genozid verweisen. Am deutlichsten in Wandsbek - in der ehemaligen Lettow-Vorbeck Kaserne, wo Lothar von Trotha, der den Genozid befohlen hatte, im Grund bis heute an diesem Studentenheim mit einem Relief geehrt wird und erst seit vorletzter Woche eine Plakette darauf hinweist, dass er am Genozid beteiligt war. Dann gibt es Spuren am Baakenhafen, wo tatsächlich genau diese Schiffe abfuhren. Da ist fast alles ausradiert. Im Grunde zeigt die Brache, dass da eigentlich ein Denkmal hingehört, weil das der Ort ist, von dem die Soldaten losfuhren. Man sieht es im Michel, da gibt es eine Gedenkplakette für die deutschen Gefallen des Krieges in Südwestafrika, in China, allerdings ohne einen Hinweis, ohne Kontextualisierung auf die zehntausende von Opfern.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | Kulturjournal | 06.04.2018 | 19:00 Uhr

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